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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5D_129/2022  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Müller, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Provisorische Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, 
vom 4. Juli 2022 (ZSU.2022.100). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ und B.________ haben am 20. Juli 2018 einen unbefristeten Mietvertrag für Geschäftsräume ab 1. September 2018 (mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist) abgeschlossen und diesen Vertrag im August 2020 mit einer Zusatzvereinbarung angepasst. Ab Juli 2020 betrug der monatliche Bruttomietzins Fr. 1'280.--. Am 28. Juni 2021 sprach A.________ gestützt auf Art. 259b lit. a OR eine Kündigung des Mietverhältnisses per 31. Juli 2021 aus. B.________ teilte A.________ daraufhin schriftlich mit, dass keine Gründe für eine ausserordentliche Kündigung vorliegen würden und die Kündigung somit als unwirksam zurückgewiesen werde. 
 
B.  
Mit Zahlungsbefehl Nr. xxx des Betreibungsamts U.________ vom 12. Januar 2022 betrieb B.________ A.________ für den Betrag von Fr. 8'960.-- nebst 5 % Zins seit 31. Oktober 2021 (ausstehende Monatsmieten Juli 2021 bis Januar 2022). A.________ erhob Rechtsvorschlag. 
 
C.  
Mit Rechtsöffnungsgesuch vom 25. Februar 2022 ersuchte B.________ beim Bezirksgericht Bremgarten um Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für die in Betreibung gesetzte Forderung. Mit Entscheid vom 7. April 2022 hiess das Bezirksgericht Bremgarten das Gesuch um provisorische Rechtsöffnung gut. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 4. Juli 2022). 
 
D.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 9. September 2022 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäss, es sei der obergerichtliche Entscheid aufzuheben und B.________ (nachfolgend: Beschwerdegegner) die provisorische Rechtsöffnung zu verweigern. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 BGG) über die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung und damit eine grundsätzlich der Beschwerde in Zivilsachen unterliegende Angelegenheit entschieden hat (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Nach der Rechtsprechung gilt der vorliegende Streit, obwohl die dem Rechtsöffnungsgesuch zugrunde liegende Forderung aus einem Mietverhältnis abgeleitet wird, nicht als mietrechtlich im Sinne von Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 134 III 267 E. 1.1; Urteil 5A_139/2018 vom 25. Juni 2019 E. 1.2), sodass die Streitwertgrenze Fr. 30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag - wie hier - nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Eine solche wird nur zurückhaltend angenommen. Sie liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 146 III 237 E. 1). Die Beschwerdeführerin wirft unter diesem Titel die Frage auf, ob das Rechtsöffnungsgericht das Rechtsöffnungsgesuch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Parteien vorgängig kein Schlichtungsverfahren durchgeführt hätten, überhaupt hätte an die Hand nehmen dürfen. Dabei handelt es indes nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weil nach dem klaren Wortlaut von Art. 198 lit. a ZPO ein vorgängiges Schlichtungsverfahren im summarischen Verfahren entfällt. Da der notwendige Streitwert nicht erreicht wird und sich auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, steht die Beschwerde in Zivilsachen nicht offen. Die Eingabe wird daher als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen (Art. 113 BGG).  
 
1.3. Die im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführerin hat als Betreibungsschuldnerin ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides. Insofern ist sie zur Beschwerde berechtigt (Art. 115 BGG).  
 
1.4. Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesen Vorwurf prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine entsprechende Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 135 III 232 E. 1.2; 134 I 83 E. 3.2). Will die beschwerdeführende Partei die Verletzung des Willkürverbots geltend machen, reicht es sodann nicht aus, wenn sie die Lage aus ihrer eigenen Sicht darlegt und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich bezeichnet. Vielmehr muss sie im Einzelnen darlegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2).  
 
1.5. Soweit die Beschwerdeführerin vom Bundesgericht über die Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens hinaus zusätzlich die Feststellung des Nichtbestands der in Betreibung gesetzten Forderung verlangt, kann auf dieses Begehren nicht eingetreten werden. Abgesehen davon, dass das Begehren neu und daher bereits aus diesem Grund unzulässig ist (Art. 117 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 BGG), ist daran zu erinnern, dass das Rechtsöffnungsverfahren ein reines Vollstreckungsverfahren bzw. ein rein betreibungsrechtliches Verfahren ist. Geurteilt wird nicht über den materiellrechtlichen Bestand einer Forderung, sondern einzig darüber, ob ein Vollstreckungstitel vorliegt, der zur Fortsetzung der Betreibung berechtigt (BGE 148 III 30 E. 2.2 mit Hinweisen); die materielle Rechtslage prüft der Rechtsöffnungsrichter nur vorläufig (Urteil 5P.450/1996 vom 11. Februar 1997 E. 4a/bb mit Hinweis auf FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl. 1984, § 18 Rz. 22). Aus dem Umstand, dass der Gegenstand des Rechtsöffnungsverfahrens ein anderer ist, folgt auch, dass die Entscheidung über ein Rechtsöffnungsbegehren einer Klage im ordentlichen Verfahren nicht entgegengehalten werden kann; die Erteilung oder Verweigerung der provisorischen Rechtsöffnung kann eine Anerkennungsklage (Art. 79 SchKG), eine Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) oder eine Rückforderungsklage (Art. 86 SchKG) daher nicht präjudizieren (BGE 136 III 583 E. 2.3; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 591).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung gestützt auf einen Mietvertrag. 
 
2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Mietvertrag eine Schuldanerkennung für die Mietzinse bis zum Vertragsablauf enthalte. Art. 259b lit. a OR sehe die fristlose Kündigung durch den Mieter unter bestimmten Voraussetzungen vor, zu denen insbesondere das Vorliegen eines Mangels der Mietsache und die fehlende Beseitigung dieses Mangels innert angemessener Frist gehöre. Erfülle die Kündigung die Voraussetzungen von Art. 259b lit. a OR nicht, so sei sie nichtig und nicht nur anfechtbar. Die Beweislast für die Voraussetzungen trage wie bei allen ausserordentlichen Kündigungen die kündigende Partei, hier also der Mieter. Im Rahmen eines vom Vermieter eingeleiteten provisorischen Rechtsöffnungsverfahrens habe der Mieter, der wie hier das Dahinfallen des Mietvertrags infolge einer ausserordentlichen Kündigung geltend mache, die Gültigkeit der Kündigung im Bestreitungsfalle glaubhaft zu machen. Vorliegend habe der Betreibende mit seinem Rechtsöffnungsgesuch vorgebracht, die ausserordentliche Kündigung der Betriebenen sei unwirksam gewesen. Mit ihrer Stellungnahme vor Bezirksgericht habe die Betriebene zwar eine ausserordentliche Kündigung behauptet. Allerdings habe sie für das Vorliegen von Mängeln (ausser ihren eigenen Schreiben an den Betreibenden) keinen einzigen Beleg vorgelegt. Das Bezirksgericht habe daher zu Recht geschlossen, dass die Betriebene keine gültige ausserordentliche Kündigung glaubhaft gemacht habe und somit der Mietvertrag einen gültigen Rechtsöffnungstitel darstelle. Ihre neuen Sachverhaltsvorbringen seien aufgrund von Art. 326 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass sie für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer ausserordentlichen Kündigung gemäss Art. 259b lit. a OR in ihrer erstinstanzlichen Gesuchsantwort keine aussagekräftigen Belege eingereicht hat. Sie ist jedoch der Auffassung, dass dazu gar kein Anlass bestanden habe. Ihre Kündigung müsse bereits deshalb als gültig betrachtet werden, weil der Beschwerdegegner die Frage der Rechtmässigkeit der Kündigung nicht zum Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens nach Art. 273 OR gemacht habe. Die gültig ausgesprochene (aber allenfalls anfechtbare) Kündigung vom 28. Juni 2021 könne nach Verpassen der Anfechtungsfrist nicht einfach als unwirksam erachtet werden. Indem die Vorinstanz dies verkannt habe, habe sie das geltende Mietrecht auf den Kopf gestellt und sei in Willkür verfallen.  
 
2.3. Die Willkürrüge ist unbegründet. Die Auffassung der Vorinstanz, dass eine Kündigung nicht nur anfechtbar, sondern völlig unwirksam ist, wenn die Voraussetzungen von Art. 259b lit. a. OR nicht erfüllt sind, entspricht der herrschenden Lehre (AUBERT, in: Commentaire pratique, Droit du bail à loyer et à ferme, 2. Aufl. 2017, N. 25b zu Art. 259b OR; WIDMER LÜCHINGER/OSER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, N. 9 zu Art. 259b OR; GIGER, Berner Kommentar, 2015, N. 22 zu Art. 259b OR; HIGI/WILDISEN, Zürcher Kommentar, 5. Aufl. 2019, N. 42 zu Art. 259b OR) und bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 121 III 156 E. 1). Dem Obergericht kann es daher nicht als Verletzung von Art. 9 BV angelastet werden, wenn es die Argumentation der Beschwerdeführerin verworfen hat.  
 
2.4. Mit ihren weiteren Ausführungen übt die Beschwerdeführerin ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid unzulässige appellatorische Kritik, auf die nicht eingetreten werden kann (oben E. 1.4). So wird eine willkürliche Anwendung von Art. 326 Abs. 1 ZPO nicht gerügt und ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt haben könnte. Auch vor Bundesgericht können neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nicht vorgebracht werden (Art. 117 i.V.m. Art. 99 Abs. 1 BGG). Nicht einschlägig ist im Übrigen der Hinweis der Beschwerdeführerin auf BGE 133 III 645 E. 5. In diesem (vor Inkrafttreten der ZPO ergangenen) Entscheid hat sich das Bundesgericht mit den gegensätzlichen Lehrmeinungen zum Erfordernis der Durchführung des Schlichtungsverfahrens bei Aberkennungsklagen in Mietsachen auseinandergesetzt. Der Entscheid betrifft damit nicht das Rechtsöffnungsverfahren, für welches ein vorgängiges Schlichtungsverfahren nicht erforderlich ist (Art. 198 lit. a i.V.m. Art. 251 lit. a ZPO; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 26 zu Art. 84 SchKG).  
 
3.  
Nach dem Gesagten genügt die subsidiäre Verfassungsbeschwerde den Anforderungen einer rechtsgenüglichen Begründung über weite Strecken nicht. Soweit darauf eingetreten werden kann, ist ihr kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss werden die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss