Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_391/2023
Urteil vom 6. Februar 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Walther.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dieter Roth,
und dieser vertreten durch Advokatin Nicole Rufer-Hohl,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; unentgeltliche Rechtspflege),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. Mai 2023 (200 22 568-569 IV).
Sachverhalt:
A.
Die 1969 geborene A.________ meldete sich erstmals im Juli 2013 bei der Invalidenversicherung unter Hinweis auf ein chronisches Schmerzsyndrom, eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und eine Depression zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern tätigte in der Folge medizinische und erwerbliche Abklärungen und holte ein internistisch-rheumatologisch-psychiatrisches Gutachten der Dres. med. B.________ und C.________ ein (Expertise vom 7. Juli 2014). Mit Verfügung vom 17. August 2015 verneinte sie mangels Invalidität einen Leistungsanspruch. Die beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern dagegen erhobene Beschwerde zog A.________ letztlich zurück, woraufhin das Verfahren mit Urteil vom 2. Februar 2016 als erledigt abgeschrieben wurde.
Am 3. Dezember 2020 meldete sich A.________ unter Hinweis auf die psychischen Beschwerden erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle tätigte medizinische Abklärungen und stellte ihr mit Vorbescheid vom 21. April 2021 in Aussicht, mangels glaubhaft gemachter Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auf das Leistungsbegehren nicht einzutreten. Nachdem A.________ dagegen Einwände erhoben hatte, veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung durch die ABI Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH (fortan ABI; Expertise vom 2. Dezember 2021) und eine Haushaltsabklärung vor Ort (Abklärungsbericht Haushalt/Erwerb vom 23. März 2022). Mit Vorbescheid vom 23. März 2022 stellte sie A.________ in Aussicht, den Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 30 % erneut zu verneinen. Infolge der Einwände der Versicherten holte die IV-Stelle ergänzende Stellungnahmen der ABI (Datum: 3. Mai 2022) und des Bereichs Abklärungen (Datum: 27. Juli 2022) ein. Mit Verfügung vom 19. August 2022 verneinte sie den Rentenanspruch. Am 26. August 2022 wies sie das von der Versicherten gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege verfügungsweise ab.
B.
Die gegen die Verfügungen vom 19. und 26. August 2022 erhobene Beschwerde der A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 5. Mai 2023 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Urteils sei ihr eine Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei der Fall zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Zudem sei ihr bereits für das Verfahren vor der IV-Stelle die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu bewilligen. Auch für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht A.________ schliesslich um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Bundesgericht holt die vorinstanzlichen Akten ein. Einen Schriftenwechsel führt es nicht durch.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 148 V 209 E. 2.2 mit Hinweis).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung; in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür ein (siehe zum Willkürbegriff: BGE 147 V 194 E. 6.3.1), insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt. Solche Mängel sind in der Beschwerde auf Grund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 19. August 2022 verfügte Verneinung eines Rentenanspruchs bestätigte. Strittig ist zudem die Nichtgewährung der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren (Verfügung vom 26. August 2022).
3.
3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum zeitlich geltenden Recht zutreffend wiedergegeben, wonach vorliegend die bis zum 31. Dezember 2021 geltende Rechtslage massgebend ist (vgl. zum Ganzen Urteil 8C_43/2023 vom 29. November 2023 E. 2). Richtig sind auch die Ausführungen zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und zum Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 IVG). Gleiches gilt für die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), insbesondere zur Bemessung der hypothetisch erzielbaren Vergleichseinkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen: BGE 144 I 103 E. 5.3; 134 V 322 E. 4.1) und mit Invalidität (Invalideneinkommen: BGE 143 V 295 E. 2.2; zur Kürzung des anhand statistischer Lohndaten ermittelten Invalideneinkommens [Tabellenlohnabzug] vgl. BGE 148 V 174 E. 6.3). Darauf kann ebenso verwiesen werden wie auf die vorinstanzlichen Darlegungen zu den beweisrechtlichen Anforderungen an Arztberichte im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) und zum Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren (Art. 37 Abs. 4 ATSG; Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV; BGE 132 V 200 E. 4.1).
3.2. Hervorzuheben bzw. zu ergänzen ist, was folgt:
3.2.1. Das Gericht darf den von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Gutachten externer Spezialärzte vollen Beweiswert zuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4).
3.2.2. Im Verwaltungsverfahren besteht ein Anspruch auf anwaltliche Verbeiständung nur in Ausnahmefällen, in denen schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen dies als notwendig erscheinen lassen und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- oder Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt. Zu gewichten ist auch die Fähigkeit der versicherten Person, sich im Verfahren zurechtzufinden (vgl. Urteil 9C_688/2019 vom 30. Juni 2020 E. 3.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 146 V 306, aber in: SVR 2020 EL Nr. 10 S. 37). Die Frage nach der sachlichen Erforderlichkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (Urteil 8C_202/2023 vom 30. August 2023 E. 2.2 mit Hinweis).
4.
Für die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts stellte die Vorinstanz auf das polydisziplinäre Gutachten der ABI vom 2. Dezember 2021 samt ergänzender Stellungnahme vom 3. Mai 2022 ab. Nur der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 F33.11), massen die Gutachter einen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit bei. Die zusätzlich festgestellten Diagnosen (chronisches cervikal- und lumbalbetontes panvertebrales Schmerzsyndrom [ICD10 M53.8], psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak, schädlicher Gebrauch [ICD-10 F17.1], und Migräne ohne Aura [ICD-10 G43.0]) hätten hingegen keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Gestützt auf das Gutachten kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin in der angestammten Tätigkeit zu 60 %, in einer leidensangepassten, d.h. körperlich leichten, wechselbelastenden Tätigkeit an einem klar strukturierten Arbeitsplatz mit genügend Pausemöglichkeiten hingegen zu 70 % arbeitsfähig sei. Ob der aus psychiatrischer Sicht attestierten Arbeitsunfähigkeit auch aus rechtlicher Sicht zu folgen sei, liess die Vorinstanz offen, da so oder anders kein Rentenanspruch resultiere. Im Zusammenhang mit den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens stellte sie weiter fest, die Beschwerdeführerin sei seit ihrer Einreise in die Schweiz nie erwerbstätig gewesen. Sowohl für die Ermittlung des Validen- als auch des Invalideneinkommens sei daher auf die Tabellenlöhne der Lohnstrukturerhebung (LSE) 2018 des Bundesamtes für Statistik (BFS) abzustellen. Auf eine detaillierte Berechnung könne dabei verzichtet werden, weil die beiden Vergleichseinkommen auf der gleichen statistischen Basis (Tabelle TA1_tirage_skill_level, Kompetenzniveau 1, Frauen) zu ermitteln seien; der Invaliditätsgrad entspreche somit dem Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung eines allfälligen Abzugs vom Tabellenlohn. Ein solcher Abzug sei nicht gerechtfertigt, womit sich angesichts der Arbeitsfähigkeit von 70 % in einer zumutbaren Tätigkeit ein Invaliditätsgrad von 30 % ergebe. Demnach bestehe kein Rentenanspruch.
5.
Die Beschwerdeführerin wendet zunächst ein, das kantonale Gericht habe sich in Verletzung des Gehörsanspruchs nicht mit ihren Argumenten auseinandergesetzt. Diesbezüglich ist ihr entgegenzuhalten, dass die aus Art. 29 Abs. 2 BV folgende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, nicht bedeutet, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen widerlegen muss. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und in voller Kenntnis der Sache ein Rechtsmittel ergreifen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1; 145 III 324 E. 6.1; 142 II 49 E. 9.2; BGE 137 II 266 E. 3.2; BGE 136 I 229 E. 5.2). Die Vorinstanz legte eingehend dar, weshalb sie dem Gutachten der ABI trotz abweichender medizinischer Einschätzungen der behandelnden Ärzte Beweiswert zuerkannte (vgl. E. 6 sogleich). Ebenso begründete sie hinreichend, weshalb im Verwaltungsverfahren vor der IV-Stelle eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich war (vgl. diesbezüglich E. 7 hiernach). Inwiefern es der Beschwerdeführerin vor diesem Hintergrund nicht möglich gewesen sein soll, das vorinstanzliche Urteil sachgerecht anzufechten, legt sie nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
6.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, das kantonale Gericht habe sich völlig einseitig und unter willkürlicher Beweiswürdigung auf die Einschätzungen im psychiatrischen Teilgutachten der ABI gestützt. Insbesondere bei der Feststellung der Diagnosen sowie der Arbeitsunfähigkeit führe dies zu einer nicht korrekten Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts.
6.1. Die Vorinstanz hielt fest, die ABI-Gutachterin Dr. med. D.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, habe sich einlässlich mit den psychiatrischen Vordiagnosen, dem bisherigen Behandlungsverlauf und den Befunden ihrer Exploration auseinandergesetzt. Sie habe anhand der klassifikatorischen Vorgaben nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Kriterien einer mittelgradig depressiven Episode mit somatischem Syndrom erfüllt seien, die Diagnose einer PTBS mangels Erfüllung der Diagnosekriterien hingegen nicht zu bestätigen sei. Es seien weder eine vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung noch eine übermässige Schreckhaftigkeit feststellbar gewesen. Gemäss der Gutachterin spreche auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin während Jahren nach den erlebten Traumatisierungen keine relevanten psychischen Beschwerden beklagte, gegen eine PTBS. An dieser Einschätzung, so die Vorinstanz, vermöge der Bericht des behandelnden Dr. med. E.________ vom 4. Januar 2021 nichts zu ändern. Er verfüge weder über ein anerkanntes Ärztediplom noch über einen Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie und lege auch nicht hinreichend dar, weshalb er von einer PTBS ausgehe. Auch die Berichte der Psychiatrischen Klinik F.________ betreffend den stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 8. Februar bis 4. März 2022 begründeten keine Zweifel an der Beurteilung der Dr. med. D.________. Im Austrittsbericht vom 9. März 2022 werde der Psychostatus im Wesentlichen gleich beschrieben wie im Bericht von Dr. med. E.________. Auch werde die Diagnose der PTBS nicht weiter anhand der klassifikatorischen Angaben begründet. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 3. Mai 2022 habe Dr. med. D.________ denn auch festgehalten, dass sich dem Bericht der Psychiatrischen Klinik F.________ keine Angaben entnehmen liessen, die ihre Einschätzung wesentlich beeinflussen könnten. Im Bericht vom 20. April 2022 zuhanden der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin werde seitens der Psychiatrischen Klinik F.________ zwar erläutert, weshalb die Diagnose einer PTBS zu stellen sei. Die Herleitung der Diagnose werde jedoch sehr allgemein und nicht näher begründet. Invalidenversicherungsrechtlich massgebend sei letztlich auch nicht die genaue diagnostische Zuordnung, sondern die Auswirkung des Gesundheitsschadens auf die Arbeitsfähigkeit. Verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen seien zu respektieren, sofern die Gutachterperson - wie hier der Fall - lege artis vorgegangen sei. In den Berichten der Psychiatrischen Klinik F.________ würden keine Aspekte vorgebracht, die im Rahmen der Begutachtung unerkannt oder unberücksichtigt geblieben wären. Der Umstand allein, dass die behandelnden Ärzte eine abweichende Meinung äusserten, vermöge keinen Anlass zu weiteren Abklärungen zu geben.
6.2. Was die Beschwerdeführerin in letzter Instanz dagegen einwendet, ist unbehelflich. Soweit die Ärzte der Psychiatrischen Klinik F.________ bei ihr eine PTBS diagnostizierten und von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit ausgingen, legte das kantonale Gericht überzeugend dar, weshalb sich den Berichten vom 9. März 2022 und vom 20. April 2022 keine Aspekte entnehmen lassen, die von der Gutachterin der ABI nicht erkannt oder nicht berücksichtigt worden wären und die ihre Einschätzungen somit in Frage stellen könnten. Dies gilt umso mehr, als die Ärzte der Psychiatrischen Klinik F.________, die irrtümlich von einer erstmaligen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung im Jahr 2019 ausgingen, von Seiten der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Rechtsvertreterin offenbar weder über die Existenz des aktuellen Gutachtens der ABI noch darüber informiert worden waren, dass die (von den behandelnden Ärzten bereits im Jahr 2013 gestellte) Diagnose einer PTBS schon im ersten Administrativgutachten vom 7. Juli 2014 verworfen worden war. Die beiden Gutachten werden in den Berichten der Psychiatrischen Klinik F.________ denn auch mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn die davon abweichende Meinung begründet. Vor diesem Hintergrund erscheint die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es handle sich bei der Beurteilung der Psychiatrischen Klinik F.________ um eine rein auf subjektiver Interpretation beruhende abweichende Meinung der behandelnden Ärzte, die das eingeholte Gutachten nicht in Frage stellen könnten, weder willkürlich noch sonstwie bundesrechtswidrig. Daran vermag nach dem Gesagten und mit Blick auf die Möglichkeit und Zulässigkeit unterschiedlicher medizinisch-psychiatrischer Interpretationen (BGE 145 V 361 E. 4.1.2 mit Hinweisen) auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Ärzte der Psychiatrischen Klinik F.________ bei der Beschwerdeführerin neben weiteren Befunden, die sie im Rahmen einer PTBS interpretierten, auch die von der ABI-Gutachterin ausdrücklich verneinte Schreckhaftigkeit erkannten. Nicht zuletzt nahm die Gutachterin am 5. Mai 2022 denn auch ergänzend zu den Berichten der Psychiatrischen Klinik F.________ Stellung und bekräftigte ihre Auffassung, dass die Diagnose einer PTBS nicht mit hinreichender Sicherheit gestellt werden könne und die Ärzte der Psychiatrischen Klinik F.________ bei der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit offenbar erheblich auf die Angaben der Beschwerdeführerin abgestellt hätten.
6.2.1. Auch die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die Beweiskraft des Gutachtens rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Ihre eigenen laienhaften medizinischen Überlegungen zur PTBS sind von vornherein nicht geeignet, Zweifel an der gegenteiligen fachärztlichen Beurteilung der Gutachterin der ABI zu wecken. Soweit letztere eine PTBS unter anderem deshalb verneinte, weil sie bei der Beschwerdeführerin weder eine vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung noch eine übermässige Schreckhaftigkeit habe feststellen können, ist der Beschwerdeführerin zwar darin beizupflichten, dass eine PTBS nach den Klassifikationskriterien der ICD-10 auch dann angenommen werden kann, wenn stattdessen eine "teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern", vorliegt (vgl. HORST DILLING/HARALD J. FREYBERGER [Hrsg.], Taschenführer zur ICD-10 Klassifikation psychischer Störungen, 9. Aufl. 2019, S. 174 unten f.). Dass eine entsprechende Unfähigkeit konkret vorliege, wird in der Beschwerde indes nicht ausdrücklich behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Berichten der Psychiatrischen Klinik F.________. Unzutreffend ist schliesslich auch die Rüge, die Gutachterin habe ihre Einschätzung der Arbeitsfähigkeit von 60 % in der angestammten und von 70 % in angepassten Tätigkeiten nicht begründet. Aus dem Gutachten ergibt sich ohne weiteres, dass die Arbeitsunfähigkeit in sämtlichen in Betracht kommenden Tätigkeiten auf einem erhöhten Pausenbedarf und einem verminderten Rendement beruht, was nachvollziehbar erscheint.
6.2.2. Bei gegebener Ausgangslage durfte das kantonale Gericht in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung (BGE 144 V 361 E. 6.5) auf zusätzliche Abklärungen verzichten. Darin ist weder eine Bundesrechtswidrigkeit in Gestalt einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes oder der Beweiswürdigungsregeln noch eine offensichtlich unrichtige Feststellung des medizinischen Sachverhalts zu erblicken.
7.
7.1. Sodann beanstandet die Beschwerdeführerin die Ermittlung des Invalideneinkommens. Sie macht geltend, die im ABI-Gutachten beschriebene Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 30 % beziehe sich auf eine angepasste Tätigkeit im Sinne eines ruhigen und gut strukturierten Arbeitsplatzes mit der Möglichkeit vermehrter Pausen. Bei einer normalen Hilfstätigkeit ohne diese speziellen Anforderungen an den Arbeitsplatz betrage die Einschränkung gemäss Gutachten hingegen 40 %. Somit könne bei der Berechnung des Invalideneinkommens nicht von einer Arbeitsfähigkeit von 70 % und einem Lohn gemäss Tabelle TA1_tirage_skill_level ausgegangen werden. Solle diese Tabelle als Basis für die Berechnung des Invalidenlohns dienen, sei lediglich von einer Arbeitsfähigkeit von maximal 60 % auszugehen.
7.2. Mit ihrer Argumentation macht die Beschwerdeführerin im Kern geltend, dass sie aufgrund der gesundheitsbedingten Anforderungen an eine leidensangepasste Tätigkeit - d.h. wegen des erhöhten Pausenbedarfs und des Bedürfnisses nach einem gut strukturierten Arbeitsplatz - nicht in der Lage sei, den in der Tabelle TA1_tirage_skill_level der LSE 2018 ausgewiesenen und an das medizinisch zumutbare Pensum von 70 % angepassten Verdienst zu erzielen. Diesbezüglich ist ihr zu entgegnen, dass ihr auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt ein genügend breites Spektrum an angepassten Tätigkeiten im tiefsten Kompetenzniveau 1 offensteht, in denen sie über eine Arbeitsfähigkeit von 70 % verfügt. Soweit das kantonale Gericht einen Abzug vom Tabellenlohn verneinte, wird dies in der Beschwerde sodann nicht gerügt, womit sich Weiterungen an dieser Stelle erübrigen. Ohne Abzug resultiert der von der IV-Stelle und vom kantonalen Gericht berechnete Invaliditätsgrad von 30 %. Damit besteht kein Anspruch auf eine Invalidenrente (vgl. Art. 28 Abs. 2 IVG).
8.
Strittig ist schliesslich die Nichtgewährung der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren.
8.1. Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, dass eine anwaltliche Vertretung im Neuanmeldungsverfahren vor der IV-Stelle nicht erforderlich gewesen sei, wie dies von Art. 37 Abs. 4 ATSG jedoch verlangt werde. Primär sei es nicht um juristische Fragen, sondern um eine Würdigung der medizinischen Akten - vorab des ABI-Gutachtens - gegangen. In einem solchen Fall könnten die Interessen der versicherten Person durch sie selbst oder aber zumindest durch einen Sozialdienst wahrgenommen werden. Die Beschwerdeführerin werde seit Jahren vom Sozialdienst G._______ unterstützt, weshalb eine Vertretung der analphabetischen Beschwerdeführerin durch diesen genügt hätte. Gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. d des kantonalen Gesetzes vom 11. Juni 2011 über die öffentliche Sozialhilfe (SHG; BSG 860.1) seien die Gemeinwesen, insbesondere die Sozialdienste, denn auch zur Beratung und Betreuung ihrer Klienten verpflichtet. Mangels Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung seien die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (Bedürftigkeit, Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren [vgl. BGE 132 V 200 E. 4.1]) nicht zu prüfen; die IV-Stelle habe den Anspruch der Beschwerdeführerin auf unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren zu Recht verneint.
8.2. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass im Verfahren vor der IV-Stelle sehr wohl eine anwaltliche Vertretung erforderlich gewesen sei. Mit ihren Einwänden vermag sie jedoch nicht durchzudringen. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, ging es im Verwaltungsverfahren betreffend die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin im Wesentlichen um die rechtliche Würdigung der medizinischen Akten, namentlich zunächst der Berichte des behandelnden Dr. med. E.________ und später des Gutachtens der ABI sowie der beiden Berichte der Psychiatrischen Klinik F.________. Hierfür sind zwar in der Regel medizinische Kenntnisse und juristischer Sachverstand erforderlich, über die die versicherten Personen gemeinhin nicht verfügen. Gleichwohl kann allein deswegen nicht von einer komplexen Fragestellung gesprochen werden, die eine anwaltliche Vertretung gebieten würde. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, dass in praktisch allen Verwaltungsverfahren, in denen medizinische Unterlagen zur Diskussion stehen, der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung bejaht werden müsste, was der Konzeption von Art. 37 Abs. 4 ATSG als Ausnahmeregelung widerspräche (zum Ganzen vgl. Urteil 8C_149/2021 vom 18. Mai 2021 E. 5.2 mit Hinweisen). Es müssten demnach weitere Umstände hinzutreten, welche die Sache vorliegend als nicht (mehr) einfach und eine anwaltliche Vertretung als notwendig bzw. sachlich geboten erscheinen lassen. Dabei ist ein strenger Massstab anzulegen (BGE 132 V 200 E. 5.1.3).
Entgegen der Beschwerde ergeben sich solche Umstände nicht daraus, dass die IV-Stelle eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit Vorbescheid vom 21. April 2021 zunächst als nicht glaubhaft erachtete. Von schwierigen rechtlichen oder tatsächlichen Fragen, die ausnahmsweise den Beizug eines Anwalts erfordert hätten, kann vorliegend daher nicht gesprochen werden. In einem solchen Fall haben sich unterstützungsbedürftige Rechtsuchende mit dem Beizug von Fach- und Vertrauensleuten sozialer Institutionen bzw. unentgeltlicher Rechtsberatungen zu behelfen (vgl. vorne E. 3.2.3; SVR 2018 IV Nr. 32 S. 103, 9C_436/2017 E. 3.6.3 am Ende; SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.3.3). Weshalb eine gehörige Vertretung durch den Sozialdienst G._______, welcher die Beschwerdeführerin seit Jahren unterstützt, vorliegend objektiv ausser Betracht gefallen sein soll, wird in der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt. Die pauschale und unbelegt gebliebene Behauptung, der Sozialdienst habe ihr keine Unterstützung angeboten, weil er eine Neuanmeldung bei der Invalidenversicherung als unnötig erachtet habe, reicht hierfür nicht aus. War eine Vertretung durch den Sozialdienst G._______ somit nicht objektiv ausgeschlossen, zielt letztlich auch der Einwand der Beschwerdeführerin ins Leere, sie sei gesundheitlich bedingt nicht in der Lage gewesen, ihre rechtlichen Interessen im Verfahren alleine zu wahren.
8.3. Zusammenfassend ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Notwendigkeit einer anwaltlichen Verbeiständung im Vorbescheidverfahren verneinte. Die Beschwerde ist demnach unbegründet und abzuweisen.
9.
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 BGG) kann jedoch entsprochen werden. Es wird indes ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Advokatin Nicole Rufer-Hohl wird als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdeführerin bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indessen vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Februar 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Walther