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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_388/2022  
 
 
Urteil vom 6. März 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch 
Rechtsanwältin Nicole Allemann, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung / Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 5. April 2022 (VWBES.2021.261). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 8. September 2020 heirateten der in der Schweiz niedergelassene B.________ (geb. 1966) und A.________ (geb. 1981) in U.________, Serbien. A.________ reiste am 13. September 2020 in die Schweiz ein. Am 16. September 2020 ersuchte B.________ beim Migrationsamt des Kantons Solothurn um Familiennachzug für A.________. Das Migrationsamt erteilte am 14. Dezember 2020 die Einreiseermächtigung und sicherte die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zu. 
Am 22. Januar 2021 ersuchte das Migrationsamt die Kantonspolizei Solothurn, bei B.________ und A.________ Abklärungen wegen Verdachts auf Scheinehe durchzuführen und eine Wohnüberprüfung vorzunehmen. Der Vollzugsbericht der Kantonspolizei vom 12. Februar 2021 ging am 3. März 2021 beim Migrationsamt ein. Mit Mutationsmeldung vom 11. Februar 2021 teilte die Einwohnergemeinde W.________ dem Migrationsamt den Wegzug von A.________ sowie die Trennung von B.________ per 31. Januar 2021 mit. Mit Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde V.________ vom 12. Februar 2021 wurde ihr Zuzug per 1. Februar 2021 mitgeteilt. A.________ leitete am 5. Februar 2021 ein Eheschutzverfahren ein. 
 
B.  
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief das Migrationsamt namens des Departements des Innern des Kantons Solothurn am 24. Juni 2021 die Zusicherung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an A.________ und erteilte ihr keine Aufenthaltsbewilligung. Zudem wies es sie unter Fristansetzung bis zum 30. September 2021 aus der Schweiz weg. Es würden zahlreiche Indizien vorliegen, die einzig den Schluss zulassen würden, dass eine Scheinehe vorliege und A.________ bereits zu Beginn der Ehe der Ehewille gefehlt habe. A.________ habe sich somit rechtsmissbräuchlich verhalten. Aber auch wenn sie sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten hätte, sei ihr keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, da die Ehegemeinschaft in der Schweiz nur rund vier Monate gedauert habe. Auch bestünde kein Anspruch wegen wichtigen persönlichen Gründen. 
Gegen die Verfügung vom 24. Juni 2021 erhob A.________ am 8. Juli 2021 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. A.________ machte im Wesentlichen geltend, keine Scheinehe geführt zu haben. Die Familiengemeinschaft sei aufgrund von physischer sowie psychischer häuslicher Gewalt aufgelöst worden. Mit Urteil vom 5. April 2022 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab und ordnete an, dass A.________ die Schweiz innert zwei Monaten seit Rechtskraft dieses Urteils zu verlassen habe. Es erwog im Wesentlichen, dass die Indizien für den Nachweis einer Scheinehe nicht genügen würden. Ebenso liege kein nachehelicher Härtefall vor, weshalb A.________ keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. Mai 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 5. April 2022. Das Migrationsamt sei anzuweisen, ihr die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen und die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangt A.________ für das bundesgerichtliche Verfahren die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Verbeiständung durch Rechtsanwältin Nicole Allemann. 
Während die Vorinstanz und das Migrationsamt beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde, lässt sich das Staatssekretariat für Migration nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin ist bereits im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt gewesen und dort mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen. Ausserdem ist sie durch das angefochtene Urteil in ihren schutzwürdigen Interessen besonders berührt. Sie ist somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). 
Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da sich die Beschwerdeführerin in vertretbarer Weise auf einen in Art. 50 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) geregelten, nachehelichen Bewilligungsanspruch beruft (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Ob die Voraussetzungen des Bewilligungsanspruchs vorliegen, ist indes nicht Gegenstand der Eintretensfrage, sondern der materiellen Beurteilung (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1; 136 II 177 E. 1.1). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5; 133 II 249 E. 1.4.1). Der Verletzung von Grundrechten geht das Bundesgericht nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2). Diese qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit nach Art. 106 Abs. 2 BGG verlangt, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4; 133 II 249 E. 1.4.2). Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG
 
3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es nach ihrem Zuzug in die Schweiz im September 2020 regelmässig zu Auseinandersetzungen und Streit im ehelichen Haushalt gekommen sei. Ihr Ehemann habe viel getrunken und sei danach aggressiv und unberechenbar geworden. Zu einem ersten handgreiflichen Vorfall sei es am 30. November 2020 gekommen. Am 3. Januar 2021 habe sich eine weitere verbale Auseinandersetzung im Auto ereignet, woraufhin er sie geschlagen habe. Am 19. Januar 2021 habe der Ehemann sie erneut in alkoholisiertem Zustand geschlagen. Sie habe die Polizei alarmiert und ihr Ehemann sei polizeilich aus der Wohnung gewiesen worden. Am 23. Januar 2021 habe der Ehemann sie beschimpft und drei Mal heftig zugeschlagen. Sie habe danach erneut die Polizei alarmiert und Strafanzeige erstattet. Daraufhin habe sie bei einer Freundin übernachtet und lebe seit dem 1. Februar 2021 in ihrer eigenen Wohnung.  
Vor diesem Hintergrund, so die Beschwerdeführerin weiter, sei nicht nur erstellt, dass ihr Ehemann mehrmals physische Gewalt gegen sie ausgeübt habe, sondern, dass auch ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der ehelichen Gewalt und der Trennung bestünde. Die vorinstanzliche Würdigung des erstellten Sachverhalts, wonach die dokumentierte Gewalt nicht die Anforderungen eines Härtefalls erfülle, sei rechtswidrig. Es könne von der Beschwerdeführerin nicht erwartet werden, dass sie sich der konkreten Gefahr künftiger Körperverletzungen aussetze, um sicherzustellen, dass die erlittene eheliche Gewalt in ihrer Intensität oder Konstanz das Ausmass annehme, welches das Bundesgericht für einen Härtefall verlange. Der Umstand, dass sie sich nach relativ kurzer Zeit der häuslichen Gewalt entzogen habe, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Die vorinstanzliche Anwendung von Art. 50 AIG stehe im Übrigen im Widerspruch zum Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention; SR 0.311.35). 
 
3.2. Gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG besteht nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 43 AIG weiter, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde oder die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat oder die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (vgl. Art. 50 Abs. 2 AIG). Die eheliche oder häusliche Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG kann physischer oder psychischer Natur sein. Jede Form häuslicher Gewalt ist ernst zu nehmen (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1).  
 
3.2.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedeutet häusliche Gewalt die systematische Misshandlung mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben, und nicht eine einmalige Ohrfeige oder eine verbale Beschimpfung im Verlauf eines eskalierenden Streits (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1; 136 II 1 E. 5.4). Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet indes einen nachehelichen Härtefall und ein weiteres Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Die anhaltende, erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen, dass von der betroffenen Person bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen die Ehe aufrechterhält und in einer ihre Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.2; Urteil 2C_352/2022 vom 23. November 2022 E. 4.2). Häusliche Gewalt physischer oder psychischer Natur muss somit von einer gewissen Konstanz und Intensität sein (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1 i.f.; Urteil 2C_115/2022 vom 9. Juni 2022 E. 3.2).  
 
3.2.2. Bei der Beurteilung der wichtigen persönlichen Gründe sind jeweils sämtliche Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hat der Aufenthalt nur kürzere Zeit gedauert und wurden keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft, lässt sich ein Anspruch auf weiteren Verbleib nicht begründen, wenn die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt. Entscheidend ist, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung als stark gefährdet zu gelten hat und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre. Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der konkreten Umstände eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der gestützt auf Art. 42 AIG oder Art. 43 AIG abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sind (vgl. BGE 139 II 393 E. 6; 138 II 229 E. 3.1; 137 II 345 E. 3.2.3; Urteil 2C_549/2022 vom 15. September 2022 E. 3.1).  
 
3.3. Die vorinstanzliche Sachverhaltsermittlung wird von der Beschwerdeführerin in den für den Ausgang der vorliegenden Angelegenheit massgebenden Punkten nicht bestritten und ist in diesem Umfang für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz anerkennt grundsätzlich, dass vier Vorfälle für die Beurteilung des geltend gemachten Härtefalls berücksichtigt werden könnten. Allerdings sei nur ein Vorfall der Gewaltanwendung dokumentiert. Die Vorinstanz stellt fest, gemäss dem Bericht der Hausarztpraxis in X.________ vom 27. Januar 2021 habe die behandelnde Ärztin als Lokalbefund einen losen sowie defekten Zahn, eine leichte Schwellung über dem Jochbogen sowie ein Hämatom am linken Oberarm und ein minimes Hämatom am linken Oberschenkel festgestellt. Diese Verletzungen, so die Vorinstanz, würden eindeutig auf eine Gewaltanwendung hindeuten. Der von der Beschwerdeführerin geschilderte Vorfall vom 23. Januar 2021 werde durch diesen Befund bestätigt. Für die drei weiteren behaupteten Vorfälle würden sich jedoch keine Beweise finden. Diese würden lediglich auf den Aussagen der Beschwerdeführerin beruhen, während ihr Ehemann diese bestreite (vgl. E. 5.3.1 des angefochtenen Urteils).  
 
3.4. Nach Auffassung der Vorinstanz vermag der ausführlich dokumentierte Vorfall mit Blick auf die gesamten Umstände keinen eigenständigen Aufenthaltsanspruch zu begründen. Selbst wenn von den vier Übergriffen ausgegangen würde, vermöchte die häusliche Gewalt nicht die Anforderungen an einen nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG zu erfüllen (vgl. E. 5.3.2 des angefochtenen Urteils).  
 
3.4.1. Der vorinstanzlichen Auffassung ist zu folgen: Zwar darf die dokumentierte häusliche Gewalt keinesfalls verharmlost werden. Jedoch begründet die Feststellung von häuslicher Gewalt allein vorliegend nicht ohne Weiteres einen nachehelichen Härtefall. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass bei der Beurteilung der wichtigen persönlichen Gründe sämtliche Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der gesamten Umstände eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben voraus, die mit der Lebenssituation nach dem Dahinfallen der Anwesenheitsberechtigung verbunden sein muss. Wurden keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft und war der Aufenthalt im Land nur von kürzerer Dauer, besteht praxisgemäss kein Anspruch auf einen weiteren Verbleib, wenn die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt (vgl. E. 3.2.2 hiervor).  
 
3.4.2. Entscheidend ist somit, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung der Beschwerdeführerin als stark gefährdet zu gelten hat. Dies ist zu verneinen: Die Beschwerdeführerin hat vor ihrem Zuzug in die Schweiz als Ärztin in ihrem Heimatland gearbeitet. Sie lebt erst seit dem September 2020 in der Schweiz. Weniger als vier Monate später trennte sie sich von ihrem Ehemann. Weitere gefestigte soziale oder andere familiäre Beziehungen in der Schweiz macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Angesichts der relativ kurzen Aufenthaltsdauer sind die Konsequenzen der Aufenthaltsbeendigung für das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin somit gering. Es fehlt an deren erforderlichen Intensität. Auch die erneute Integration in Serbien dürfte ihr ohne Weiteres gelingen. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz einen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG verneint.  
 
3.4.3. Nichts anderes ergibt sich aus der Rüge der Verletzung der Istanbul-Konvention. Die Regelung in Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG ist Ausfluss aus den entsprechenden verfassungs- und konventionsrechtlichen Schutzpflichten (vgl. Urteil 2C_1016/2021 vom 12. Oktober 2022 E. 4.1). Die Auslegung von Art. 50 AIG und dessen Anwendung in der vorliegenden Angelegenheit tragen den Schutzpflichten bereits Rechnung.  
 
3.5. Der Beschwerdeführerin wurde die Aufenthaltsbewilligung noch nicht formell erteilt, sondern im Rahmen der Ermächtigung zur Visumserteilung am 14. Dezember 2020 lediglich zugesichert (vgl. E. 3 des angefochtenen Urteils; vgl. auch Bst. A hiervor). Das Migrationsamt widerrief mit Verfügung vom 24. Juni 2021 diese Zusicherung (vgl. Bst. B hiervor). Auch der Widerruf einer Zusicherung hat dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu genügen (vgl. Art. 96 AIG; Art. 5 Abs. 2 BV). In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend, die vorinstanzliche Anwendung von Art. 50 AIG sei unverhältnismässig. Die Vorinstanz kommt zutreffend zum Schluss, dass keine überwiegenden privaten Interessen für einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz vorlägen. Die Beschwerdeführerin lebt erst seit dem 13. September 2020 in der Schweiz. Über die Ehe hinaus sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen in der Schweiz erstellt. Bis zu ihrem Umzug hat sie in Serbien als Ärztin gearbeitet. Die Ausreise ist ihr ohne Weiteres zumutbar.  
 
4.  
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Vorinstanz habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da Letztere ihren Antrag um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor dem Migrationsamt nicht behandelt habe, genügen ihre Ausführungen in der Beschwerde nicht den Anforderungen an die Begründung von Grundrechtsverletzungen (vgl. E.2 hiervor; Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
5.  
Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist. Die Beschwerdeführerin beantragt für das bundesgerichtliche Verfahren die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Verbeiständung durch Rechtsanwältin Nicole Allemann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen, da das Rechtsmittel aufgrund der erstellten Gewaltanwendung nicht als geradezu aussichtslos bezeichnet werden kann und die weiteren Voraussetzungen gegeben sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Der Beschwerdeführerin wird Rechtsanwältin Nicole Allemann als unentgeltliche Rechtsbeiständin beigegeben und dieser aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. März 2023 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger