Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_578/2022  
 
 
Urteil vom 6. April 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
UWP Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge, Dornacherstrasse 230, Postfach, 4018 Basel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 11. Mai 2022 (BV.2021.23). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1959 geborene A.________ war zuletzt mit einem Pensum von 80 % beim Kunstverein B.________ erwerbstätig und damit bei der UWP Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge berufsvorsorgeersichert. Daneben ging er einer - nicht BVG-versicherten - Tätigkeit als selbstständiger Akupresseur nach. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2019 sprach die IV-Stelle Basel-Landschaft dem Versicherten ab dem 1. Juni 2018 bei einem Invaliditätsgrad von 85 % eine ganze Rente und ab dem 1. Dezember 2018 bei einem Invaliditätsgrad von 61 % eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu. 
Am 19. Mai 2020 anerkannte die UWP Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge ihre grundsätzliche Leistungspflicht, ermittelte einen massgebenden Invaliditätsgrad von 84 % ab dem 26. Juni 2018 und von 57 % ab dem 1. September 2018 und richtete - infolge Rentenaufschubs wegen des Bezugs von Krankentaggeld - mit Wirkung ab dem 26. Juni 2019 die entsprechenden Rentenleistungen aus. 
 
B.  
Am 17. November 2021 erhob A.________ vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Klage gegen die UWP Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge mit dem Begehren, diese sei zu verpflichten, Leistungen aufgrund eines ab dem 26. Juni 2017 ausgewiesenen Invaliditätsgrads von mindestens 66 % auszurichten, zuzüglich 5 % Verzugszins ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung. Das angerufene Gericht hiess die Klage mit Urteil vom 11. Mai 2022 teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, ab 26. Juni 2019 eine Dreiviertelsrente der beruflichen Vorsoge zuzüglich Verzugszins von 5 % ab 17. November 2021 auszurichten. Im Übrigen trat es auf die Klage nicht ein. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die UWP Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge, die Klage sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils abzuweisen. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner ab 26. Juni 2019 Anspruch auf eine Invalidenrente der Beschwerdeführerin hat. Streitig und prüfen ist einzig, wie die durch die IV-Stelle grundsätzlich verbindlich festgestellten Vergleichseinkommen aufgrund des Umstandes, dass der Versicherte bei der Beschwerdeführerin nur für ein 80 %-Pensum berufsvorsorgeversichert war, umzurechnen sind. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535), wobei zur Frage der Abstufung der Invalidenrente der beruflichen Vorsorge nach Invaliditätsgrad das BVG um einen Art. 24a BVG ergänzt wurde. Für Rentenbezügerinnen und -bezüger, deren Rentenanspruch vor Inkrafttreten dieser Änderung entstanden ist und die bei Inkrafttreten dieser Änderung das 55. Altersjahr vollendet haben, gilt indessen nach Ziff. b der Übergangsbestimmungen zu dieser Änderung das bisherige Recht.  
Da vorliegend die Höhe des Rentenanspruchs ab 26. Juni 2019 streitig ist und der Versicherte am 1. Januar 2022 das 55. Altersjahr bereits vollendet hatte, findet auf vorliegende Streitigkeit ausschliesslich das alte Recht Anwendung. 
 
3.2. Anspruch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge haben nach Art. 23 lit. a BVG unter anderem Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 40 Prozent invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren.  
Bei teilzeitlich erwerbstätigen Versicherten ist in der beruflichen Vorsorge stets der Invaliditätsgrad im Erwerbsbereich massgebend, und zwar lediglich im Rahmen (und Umfang) der Versicherungsdeckung, wie sie nach dem konkreten Beschäftigungsumfang zur Zeit des Eintritts der berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Eine Aufrechnung der Teilzeittätigkeit auf eine (hypothetische) Vollzeittätigkeit erfolgt - auch nach Inkrafttreten der neuen Fassung des Art. 27 bis IVV per 1. Januar 2018 - nicht (BGE 144 V 63 E. 6.2, 6.3.2 und 7 mit Hinweisen; Urteil 9C_569/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 3.4). Die Ermittlung des berufsvorsorgerechtlich relevanten Invaliditätsgrads ist in diesen Konstellationen regelmässig dergestalt vorzunehmen, dass die Vorsorgeeinrichtung das von der Invalidenversicherung festgesetzte Valideneinkommen, an welches sie grundsätzlich gebunden ist, auf das ausgeübte Teilzeitpensum herunterrechnet und gestützt darauf (sowie auf die übrigen prinzipiell verbindlichen Parameter) eine neuerliche Einkommensvergleichsrechnung durchführt (BGE 144 V 63 E. 6.3.2; Urteil 9C_569/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 3.4). 
 
4.  
 
4.1. Die IV-Stelle ermittelte für die vorliegend interessierende Zeit ab dem 1. September 2018 ein Valideneinkommen von Fr. 73'472.- und ein Invalideneinkommen von Fr. 28'505.-. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, gestützt auf BGE 144 V 63 sei das Valideneinkommen herabzusetzen; zu Gunsten des Beschwerdegegners ging sie indessen nicht von einem Einkommen in der Höhe von 80 % des von der IV-Stelle ermittelten Valideneinkommen (Fr. 58'777.60), sondern von einem höheren Validenlohn (Fr. 66'450.80) aus. Die Massgeblichkeit dieses Valideneinkommens war sowohl im vor- wie auch im letztinstanzlichen Verfahren unbestritten.  
Umstritten ist demgegenüber, ob neben dem Validen- auch das Invalideneinkommen dem Beschäftigungsgrad anzupassen ist. Während die Vorinstanz dies unter Hinweis auf BGE 129 V 132 und BGE 136 V 390 bejahte, macht die Beschwerdeführerin geltend, eine solche Herabsetzung verstosse gegen die in BGE 144 V 63 festgesetzten Grundsätze der Invaliditätsbemessung Teilzeitbeschäftigter. 
 
4.2. Werden sowohl das Validen- als auch das Invalideneinkommen um den gleichen Prozentsatz gekürzt, so führt dies zum gleichen Invaliditätsgrad, wie wenn auf eine Kürzung der Vergleichseinkommen gänzlich verzichtet wird und somit das Valideneinkommen der teilerwerbstätigen Person aufgrund einer hypothetischen Vollzeiterwerbstätigekit berechnet wird. Eine solche Vorgehensweise widerspricht dem vom Bundesgericht wiederholt bestätigten Grundsatz, dass der vorsorgerechtlich relevante Invaliditätsgrad auf Grund eines Valideneinkommens entsprechend dem Grad der Teilerwerbstätigkeit und nicht im Verhältnis zu einer (hypothetischen) Vollzeiterwerbstätigkeit zu bemessen ist (BGE 144 V 63 E. 6.2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 9C_751/2019 vom 3. Juni 2020 E. 5.3). Dabei hat das Bundesgericht ausdrücklich in Kauf genommen, das Valideneinkommen in der beruflichen Vorsorge anders als im Unfallversicherungsrecht zu bestimmen. Hinreichende Gründe, diese feststehende Praxis erneut zu überprüfen, sind keine ersichtlich (zu den Voraussetzungen einer Praxisänderung: BGE 141 II 297 E. 5.5.1). Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, bezieht sich die von der Vorinstanz angeführte - ältere - Rechtsprechung nicht auf die vorliegende Situation, in der eine gesundheitlich beeinträchtigte Person lediglich für ein Teilzeitpensum der beruflichen Vorsorge untersteht und somit auch nur für ein herabgesetztes Pensum versichert ist.  
 
4.3. In Anwendung in BGE 144 V 63 festgesetzten Grundsätze der Invaliditätsbemessung Teilzeitbeschäftigter ist demnach vorliegend lediglich das Validen-, nicht aber das Invalideneinkommen herabzusetzen. Damit besteht kein Anspruch auf höhere als die von der Beschwerdeführerin zugestandenen Leistungen. Die Beschwerde erweist sich damit als offensichtlich begründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG gutzuheissen ist. Das kantonale Urteil ist aufzuheben und die Klage - mit welcher die Ausrichtung höherer Leistungen beantragt wird (vgl. zur Auslegung von Rechtsbegehren auch BGE 123 IV 125 E. 1; Urteil 9C_8/2022 vom 6. März 2023 E. 1.1) - abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 11. Mai 2022 aufgehoben. Die Klage des Beschwerdegegners vom 17. November 2021 wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner aufrlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. April 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold