Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_102/2025
Urteil vom 6. Juni 2025
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichter Donzallaz, Kradolfer,
Gerichtsschreiber Plattner.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Silas Kuratle,
gegen
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt,
Ambassadorenhof, Riedholzplatz 3, 4509 Solothurn.
Gegenstand
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. Januar 2025 (VWBES.2024.211).
Erwägungen:
1.
1.1. A.A.________ (geb. 1977) ist nordmazedonischer Staatsangehöriger. Am 7. April 1997 heiratete er im Heimatland die nordmazedonische Staatsangehörige B.A.________. Aus der Ehe gingen zwei Söhne, C.A.________ (geb. 1999) und D.A.________ (geb. 2002), hervor. Das Ehepaar liess sich am 10. Juni 2002 scheiden. Am 12. September 2005 heirateten sie ein zweites Mal und liessen sich am 28. November 2016 erneut scheiden. Die Söhne wurden unter die alleinige elterliche Obhut von A.A.________ gestellt.
1.2. Am 23. März 2017 reiste A.A.________ zusammen mit dem älteren Sohn C.A.________ in die Schweiz ein und heiratete am 30. März 2017 die schweizerische Staatsangehörige E.________ (geb. 1976). Nachdem sich der Verdacht einer Scheinehe nicht erhärtet hatte, erteilte die Migrationsbehörde des Kantons Thurgau A.A.________ im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung. Das Familiennachzugsgesuch zugunsten des jüngeren Sohns D.A.________ wurde am 13. März 2020 unter anderem aufgrund verpasster Fristen abgewiesen (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.3. Am 10. Juli 2020 reichten A.A.________ und seine Schweizer Ehefrau E.________ das gemeinsame Scheidungsbegehren ein. Am 1. August 2020 zog er in den Kanton Solothurn. Die Ehe mit E.________ wurde am 14. August 2020 geschieden.
1.4. Am 28. November 2023 heiratete A.A.________ in Nordmazedonien ein drittes Mal B.A.________ (Art. 105 Abs. 2 BGG). Am 20. Dezember 2023 ersuchte er um ihren Nachzug in die Schweiz.
1.5. Mit Verfügung vom 17. Juni 2024 widerrief das Migrationsamt im Namen des Departements des Innern des Kantons Solothurn die Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ wegen Vorliegens einer Scheinehe und wies ihn aus der Schweiz weg. Auf das Nachzugsgesuch zugunsten der Ehefrau trat es nicht ein. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies die von A.A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 15. Januar 2025 ab.
1.6. A.A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Februar 2025 an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. Januar 2025 sei aufzuheben. Die Sache sei an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen zwecks Durchführung einer öffentlichen Verhandlung mit Parteibefragung und neuer Entscheidung. Eventualiter sei auf den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers zu verzichten. In prozessualer Hinsicht beantragt er, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit Verfügung vom 12. Februar 2025 erkannte die Abteilungspräsidentin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt.
2.
Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht. Ob tatsächlich ein Aufenthaltsrecht besteht, ist eine materielle Frage und keine Eintretensfrage (BGE 147 I 268 E. 1.2.7). Der Beschwerdeführer kann sich in vertretbarer Weise auf einen sich aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG ergebenden Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung berufen. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist damit zulässig.
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG ), ist auf die Beschwerde einzutreten.
3.
3.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden ( Art. 95 lit. a und b BGG ). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungsobliegenheit ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 148 II 392 E. 1.4.1 mit Hinweis). Mit Blick auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1 mit Hinweisen). Das bedeutet, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen der Vorinstanz darzulegen ist, dass und inwiefern das angefochtene Urteil die angerufenen Grundrechte verletzt (BGE 150 II 346 E. 1.5.3 mit Hinweis).
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsermittlung ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" heisst "willkürlich" (Art. 9 BV; BGE 150 II 346 E. 1.6 mit Hinweis). Entsprechende Mängel sind in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweisen). Auf appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 148 II 392 E. 1.4.2; 145 I 26 E. 1.3 mit Hinweisen).
4.
Der Beschwerdeführer rügt vorab in formeller Hinsicht, die Vorinstanz habe Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt, indem sie entgegen seinem Antrag keine öffentliche Verhandlung mit Parteibefragung angesetzt habe.
4.1. Er macht vor Bundesgericht im Wesentlichen geltend, entgegen der Vorinstanz sei Art. 6 Ziff. 1 EMRK im vorliegenden Verfahren anwendbar. Er begründet dies einerseits damit, dass die Annahme einer Scheinehe im ausländerrechtlichen Verfahren unmittelbare Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche haben könne, weshalb eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorliege. So könne die Ehe als ungültig oder nichtig erklärt werden, was Auswirkungen auf Erb- oder Rentenansprüche haben könne. Andererseits könne die Feststellung einer Scheinehe für ihn und seine Schweizer Ex-Ehefrau zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, weshalb auch eine strafrechtliche Anklage im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorliege.
4.2. Die Verweigerung oder Nichtverlängerung einer ausländerrechtlichen Bewilligung fällt nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. Urteile des EGMR
Tatar gegen Schweiz vom 14. April 2015 [Nr. 65692/ 12], § 61;
Y.L. gegen Schweiz vom 26. September 2017 [Nr. 53110/ 16], § 34; BGE 150 I 174 E. 4.3; Urteile 2C_681/2023 vom 19. März 2025 E. 4.4.1 [zur Publikation vorgesehen]; 2C_169/2024 vom 4. Juni 2024 E. 4.4). Nach der Rechtsprechung kann indessen auch eine Streitsache, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fällt, von dieser Garantie erfasst sein, wenn sich der Ausgang der Streitsache unmittelbar auf privatrechtliche Rechte und Pflichten auswirkt (BGE 146 I 145 E. 6.1; 134 I 140 E. 5.2; 130 I 388 E. 5.1, E. 5.3; je mit Hinweisen; Urteil 8C_810/2023 vom 7. März 2024 E. 3.1).
4.3. In Anwendung dieser Rechtsprechung fällt das Widerrufsverfahren vorliegend nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Daran ändert nichts, dass dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Beim ausländerrechtlichen Bewilligungs- oder Widerrufsverfahren und einer allfälligen zivilgerichtlichen Ungültigerklärung der Ehe handelt es sich um separate, rechtlich voneinander unabhängige Verfahren. Das Ergebnis des ausländerrechtlichen Verfahrens hat keine direkten Rechtsfolgen für ein allfälliges zivilrechtliches Verfahren. Vielmehr hat das zuständige Zivilgericht gemäss dem dort anwendbaren Verfahrensrecht zu prüfen, ob eine Scheinehe vorliegt und diese zur Ungültigkeit der Ehe führt. Das Gericht ist dabei nicht an den ausländerrechtlichen Entscheid gebunden (vgl. SEBASTIAN KEMPE, Die Scheinehe im ausländer- und im zivilstandsrechtlichen Verwaltungsverfahren, 2020, Rz. 41 f.; vgl. auch HANSJÖRG SEILER, Parallele Straf-, Zivil- und Verwaltungs (justiz) verfahren: Schnittmengen und Reibungsflächen in der Praxis des Bundesgerichts, ZBl 125/2024, S. 74). Hinzu kommt in der vorliegenden Konstellation, dass der Beschwerdeführer und seine Schweizer Ex-Ehefrau bereits geschieden sind; die Ungültigkeit der Ehe würde daher nicht mehr von Amtes wegen verfolgt (Art. 106 Abs. 2 ZGB).
4.4. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Annahme einer Scheinehe im ausländerrechtlichen Verfahren könne zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, geht das Vorbringen ins Leere. Der ausländerrechtlichen Entscheidung liegen keine strafrechtlichen Anschuldigungen zugrunde. Damit fehlt es bereits an einer strafrechtlichen Anklage im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. zu den "Engel-Kriterien" BGE 140 II 384 E. 3.2.1; 135 I 313 E. 2.2.1; Urteil 6B_124/2021 vom 24. März 2021 E. 1.3.2). Im Übrigen wären die Strafbehörden in einem allfälligen späteren Strafverfahren nicht an die Beurteilung im ausländerrechtlichen Verfahren gebunden.
4.5. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist demnach auf das vorliegende Verfahren nicht anwendbar. Die Rüge des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verweigerung einer öffentlichen Verhandlung ist damit unbegründet.
5.
Streitgegenstand vor Bundesgericht bildet die Frage, ob die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers wegen Vorliegens einer Scheinehe zu Recht widerrufen wurde.
5.1. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zur ausländerrechtlichen Scheinehe korrekt wiedergegeben (Urteile 2C_106/2023 vom 19. Januar 2024 E. 3.2 und 2C_70/2023 vom 20. Dezember 2023 E. 6.2; vgl. BGE 127 II 49 E. 5a mit Hinweisen) und ebenso die Praxis zur Feststellung einer Scheinehe zutreffend zusammengefasst (BGE 128 II 145 E. 2.2; Urteile 2C_626/2022 vom 5. April 2024 E. 4.3; 2C_855/2020 vom 6. April 2021 E. 4.2; 2C_613/2019 vom 14. November 2019 E. 3.6.4; 2C_782/2018 vom 21. Januar 2019 E. 3.2.4). Darauf kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
5.2. Die Vorinstanz kam im Wesentlichen zum Schluss, dass gesamthaft betrachtet hinreichende Indizien dafür bestehen, dass die frühere Ehe des Beschwerdeführers nur eingegangen wurde, um ihm ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu vermitteln. Der Gegenbeweis sei ihm nicht gelungen. Sie nannte dazu zahlreiche Indizien. So stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer kaum Ausgaben an seinem Wohnort im Kanton Thurgau, aber viele Einkäufe, Bargeldbezüge, Restaurantbesuche und Freizeitaktivitäten an seinem Arbeitsort im Kanton Solothurn getätigt habe. Auch habe er nicht nachweisen können, dass er tatsächlich täglich vom Kanton Thurgau an seinen Arbeitsort im Kanton Solothurn gependelt sei. Seit Januar 2020 habe er bei seinem Sohn im Kanton Solothurn gewohnt, dessen Mietzins er bezahlt habe. Seine Schweizer Ex-Ehefrau habe während der Ehe mit dem Beschwerdeführer eine Beziehung mit einem anderen Mann geführt und habe bereits im Juni 2020 einen Mietvertrag mit dem neuen Partner unterzeichnet. Der Beschwerdeführer habe kein einziges gemeinsames Foto von sich und seiner ehemaligen Ehefrau einreichen können. Schliesslich spreche auch der zeitliche Ablauf der Eheschliessungen und Scheidungen für eine Scheinehe. Die Vorinstanz schloss aus den Indizien, der Beschwerdeführer habe seit spätestens 2018 aus bewilligungsrechtlichen Gründen an einer inhaltsleeren Ehe festgehalten.
5.3. Der Beschwerdeführer beschränkt sich in tatsächlicher Hinsicht weitgehend darauf, seine eigene Beweiswürdigung vorzutragen, was den Anforderungen an eine Sachverhaltsrüge (E. 3.2 hiervor) nicht genügt. Soweit er sich mit der Beweiswürdigung der Vorinstanz auseinandersetzt, zeigt er nicht auf, inwiefern diese offensichtlich unrichtig sein soll (zum Begriff der willkürlichen Beweiswürdigung: BGE 144 II 281 E. 3.6.2). Soweit er eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes rügt, kritisiert er im Kern ebenfalls die Beweiswürdigung der Vorinstanz, ohne Willkür darzulegen. Bei dieser Ausgangslage kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG), die sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überzeugend sind.
5.4. Im Ergebnis verletzt es kein Bundesrecht, dass die Vorinstanz auf eine Scheinehe und demnach auf einen Widerrufsgrund gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. a AIG geschlossen hat.
6.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 3 BGG abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 6. Juni 2025
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: P. Plattner