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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_136/2018  
 
 
Urteil vom 6. August 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 3. Januar 2018 (200 17 1074-1076 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 11. Dezember 2017 erhob A.________ Beschwerde gegen zwei Verfügungen der IV-Stelle Bern vom 8. November und 4. Dezember 2017, u.a betreffend Modalitäten einer rechtskräftig angeordneten Begutachtung sowie Rechtsverzögerungsbeschwerde, wobei er um unentgeltliche Rechtspflege und die Sistierung des Verfahrens bis zur Einigung mit seiner Rechtsschutzversicherung hinsichtlich deren Leistungspflicht ersuchte (formell nicht vereinigte Verfahren 200 17 1074, 1075 und 1076). 
 
B.   
Mit Verfügung vom 3. Januar 2018 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, sowohl das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege als auch den Antrag auf Sistierung des Verfahrens ab (Dispositiv-Ziffern 3 und 5). 
 
C.   
A.________ hat Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht mit den hauptsächlichen Rechtsbegehren, in Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 und 5 der Verfügung vom 3. Januar 2018 sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege für das vorinstanzliche Verfahren zu gewähren und dieses sei, wie beantragt, zu sistieren. Weiter hat er um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht und darum, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
Mit Verfügung vom 13. Februar 2018 ist das Verfahren bis zum Entscheid über das Revisionsgesuch von A.________ gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 7. Februar 2018 betreffend die Ablehnung von drei Verwaltungsrichtern ausgesetzt worden. 
 
Mit Entscheid vom 26. Februar 2018 ist das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, auf das Revisionsgesuch nicht eingetreten. Dagegen hat A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Mit Urteil 9C_288/2018 vom 12. Juni 2018 ist das Bundesgericht auf das Rechtsmittel nicht eingetreten. 
Mit Urteil 9C_239/2018 vom heutigen Tag hat das Bundesgericht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des A.________ gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 7. Februar 2018 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz habe vorgesehen, eine Beschwerdeantwort einzuholen, darauf jedoch "ohne Ankündigung" verzichtet und die angefochtene Verfügung erlassen, wodurch sein Recht auf Replik vereitelt worden sei. Darauf braucht mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens nicht eingegangen zu werden. 
 
2.   
 
2.1. Bei Dispositiv-Ziffer 3 und 5 der Verfügung vom 3. Januar 2018, womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sowie der Antrag auf Sistierung des Verfahrens (bis zur Einigung mit der Rechtsschutzversicherung hinsichtlich deren Leistungspflicht) abgewiesen wurden, handelt es sich um einen - selbständig eröffneten - Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (Urteile 8C_480/2016 vom 17. November 2016 E. 1.1 und 9C_217/2015 vom 24. April 2015 E. 1). Die Beschwerde ist somit nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Abs. 1 lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b), welcher Tatbestand hier indessen nicht in Betracht fällt.  
 
2.2. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist rechtlicher Natur, wobei die blosse Möglichkeit genügt, dass ein solcher besteht (BGE 137 V 314 E. 2.2.1 S. 317). Das setzt voraus, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann. Soweit der nicht wieder gutzumachende Nachteil nicht offenkundig ist, hat die Beschwerde führende Partei darzutun, dass ein solcher gegeben ist (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 81).  
 
2.3. Der (verneinte) Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist bundesrechtlicher Natur (Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 61 lit. f ATSG; Urteil 9C_622/2013 vom 29. Januar 2014 E. 1, in: SVR 2014 EL Nr. 8 S. 21). Demgegenüber ist die (abgelehnte) Sistierung des Verfahrens eine Frage des kantonalen Rechts (Art. 61 Ingress ATSG [hier i.V.m.      Art. 38 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege; VRPG [BSG 155.21]). Dieses darf nicht in bundesverfassungs- oder sonst bundesrechtswidriger Weise angewendet werden; insbesondere darf es nicht die richtige Handhabung von Bundesrecht vereiteln (Urteil 1C_88/2014 vom 10. Juni 2014 E. 3.1 mit Hinweis). Des Weitern sind im vorliegenden Fall unentgeltliche Rechtspflege und Sistierung des Verfahrens derart miteinander verbunden (E. 3.2 hiernach), dass letztere nicht als (blosse) vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG betrachtet werden kann (vgl. BGE 135 III 127 E. 1.4 S. 129). Diesbezüglich kann daher nicht nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden, und die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in Bezug auf die Anwendung von Bundesgesetzen ist nicht auf das Willkürverbot beschränkt (Urteil 9C_38/2017 vom 21. März 2017 E. 1.1 mit Hinweis).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat die Ablehnung der beantragten Verfahrenssistierung damit begründet, die Rechtsschutzversicherung des Beschwerdeführers habe mit Schreiben vom 1. November 2017 Kostengutsprache für die Verfahrenskosten gewährt. Sodann habe der Versicherte selber eine rechtsgenügliche Beschwerde eingereicht. Dies spricht gegen das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, was den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege betrifft (vgl. Urteile 8C_480/2016 vom 17. November 2016 E. 1.5 und 8C_530/2008 vom 25. September 2008 E. 2.3, in: SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49). Allerdings auferlegte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer wegen leichtsinniger Prozessführung gestützt auf Art. 61 lit. a ATSG und Art. 69 Abs. 1bis Satz 2 IVG den maximal zulässigen Betrag von Fr. 1'000.-. Es kommt dazu, dass unter dem Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten eine rechtsgenügliche Beschwerde nicht gleichgesetzt werden kann mit einer rechtskundig (optimal) begründeten Beschwerde.  
 
3.2. Zu beachten ist sodann Folgendes: Die sich stellenden Rechtsfragen können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Bei einer Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung, d.h. Finanzierung der Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Umgekehrt kann sich die Verneinung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Begehren (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135) für den Beschwerdeführer negativ auf das Rechtsverhältnis mit seiner Rechtsschutzversicherung auswirken. Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherungsvertrag bei gegebenen Voraussetzungen Anspruch darauf gibt,  im Vorfeldeines Prozesses eine Kostengutsprache zu erhalten, d.h. die Zusicherung, dass das Kostenrisiko übernommen wird. Zu den diesbezüglichen Vertragsbedingungen gehört in der Regel, dass der Rechtsstreit nicht als aussichtslos erscheint. Dabei ist der Begriff der Aussichtslosigkeit im technischen Sinne des Prozessrechts zu verstehen, d.h. wie bei der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (BGE 119 II 368 E. 4 S. 371 ff.). Es ist davon auszugehen oder kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass eine Rechtsschutzversicherung sich auf einen diesbezüglich abschlägigen Zwischenentscheid der Rechtsmittelinstanz berufen wird, um ihre Leistungspflicht zu verneinen, wie in der Beschwerde vorgebracht wird.  
 
3.3. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (E. 2.2) ist somit zu bejahen.  
 
4.   
 
4.1. Die private Prozesskostenfinanzierung hat Vorrang vor der staatlichen in Form der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. Urteil 1B_389/ 2015 vom 7. Januar 2016 E. 5.3, in: Pra 2016 Nr. 35 S. 318; vgl. auch BGE 135 I 1 E. 7 S. 2 ff., insbesondere E. 7.4.2 S. 5). Daraus ergibt sich folgender bundesrechtliche Grundsatz: Bestehen zwischen dem Rechtsuchenden und seiner Rechtsschutzversicherung Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde als eine Voraussetzung für die Übernahme des Prozesskostenrisikos, welche nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist beigelegt werden können, ist auf entsprechenden Antrag das Verfahren, soweit mit dem Beschleunigungsgebot vereinbar (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 61 lit. a ATSG; BGE 135 III 127 E. 3.4 S. 134; 126 V 244 E. 4a S. 249), zu sistieren, und es darf über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht vorab entschieden werden.  
 
4.2. Die Ablehnung der Sistierung des Verfahrens (bis zur Einigung mit der Rechtsschutzversicherung hinsichtlich deren Leistungspflicht) und die gleichzeitige Verneinung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren verletzt somit Bundesrecht. Dispositiv-Ziffer 3 und 5 der Verfügung vom 3. Januar 2018 verletzen somit Bundesrecht und sind daher aufzuheben. Die Vorinstanz wird den Verfahrensantrag nochmals zu beurteilen und darüber zu entscheiden haben. Richtschnur muss sein, dass innert vernünftiger mit dem Beschleunigungsgebot vereinbarer Frist Klarheit darüber besteht, ob die Rechtsschutzversicherung das Kostenrisiko übernimmt.  
 
5.   
Soweit der Beschwerdeführer den Erlass vorsorglicher Massnahmen im Sinne der Zusprechung eine vorläufigen Rente beantragt, genügen seine Vorbringen den diesbezüglichen Begründungsanforderungen offensichtlich nicht (Art. 98 und 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 192 E. 1.5 S. 196). 
 
6.   
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos. 
 
7.   
Auf einen Schriftenwechsel ist angesichts des Verfahrensausgangs, der einen formellen Hintergrund aufweist, und aus prozessökonomischen Gründen zu verzichten. Die Einholung einer Vernehmlassung zur Beschwerde käme einem Leerlauf gleich und würde nur weitere Kosten verursachen (Art. 102 Abs. 1 BGG; Urteil 9C_612/2017 vom 27. Dezember 2017 E. 2). 
 
8.   
Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 (unentgeltliche Rechtspflege), 4 (Kostenvorschuss) und 5 (Sistierung) der Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 3. Januar 2018 werden aufgehoben, und die Sache wird an dieses zurückgewiesen, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. August 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler