Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_303/2020  
 
 
Urteil vom 6. August 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 12. März 2020 (IV.2019.00396). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1976 geborene A.________, gelernte Modeberaterin, war zuletzt bis Ende September 2016 zu 80 % als Bademeisterin und zu ca. 10-20 % als Schwimmlehrerin tätig. Im April 2017 meldete sie sich unter Verweis auf eine geplante Rückenoperation, Osteochondrose sowie Knieprobleme zum dritten Mal bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Tätigkeit als Schwimmlehrerin nahm sie nach erfolgter Operation im Umfang von ca. 20 % wieder auf. Die IV-Stelle traf medizinische und erwerbliche Abklärungen und holte insbesondere ein polydisziplinäres Gutachten der Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) in den Disziplinen Allgemeine Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie und Psychiatrie ein (Expertise vom 22. Oktober 2018). Gestützt darauf lehnte sie am 30. April 2019 einen Rentenanspruch ab (Invaliditätsgrad: 20 %). 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. März 2020 teilweise gut. Es änderte die Verfügung der IV-Stelle vom 30. April 2019 insoweit ab, als es feststellte, die Beschwerdeführerin habe vom 1. Oktober 2017 bis 30. Juni 2018 Anspruch auf eine ganze Rente. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C.   
Die Versicherte führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, es seien der vorinstanzliche Entscheid vom 12. März 2020 im Umfang der Beschwerdeabweisung und der ihr auferlegten Gerichtskosten sowie die Verfügung der IV-Stelle vom 30. April 2019 vollumfänglich aufzuheben. Die Verwaltung sei zu verpflichten, ihr zusätzlich zur vorinstanzlich zugesprochenen befristeten ganzen Rente ab 1. Juli 2018 eine unbefristete Viertelsrente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 145 V 57 E. 4 S. 61 f.).  
 
1.2. Die Bestimmung der beiden für den Einkommensvergleich erforderlichen hypothetischen Vergleichseinkommen stellt sich als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letzteres betrifft etwa die Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebliche Tabelle ist und ob ein behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter Leidensabzug vorzunehmen sei. Frei überprüfbare Rechtsfrage ist ausserdem die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG; statt vieler: Urteil 9C_156/2020 vom 9. Juli 2020 E. 1.2 mit Hinweis).  
 
2.   
Strittig ist einzig der durch die Vorinstanz vorgenommene Einkommensvergleich. Die diesbezüglich massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG; BGE 130 V 343 E. 3.4.2 S. 349; 128 V 29 E. 1 S. 30 zur allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs; BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; 135 V 58 E. 3.1 S. 59; 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f. zur Ermittlung des Valideneinkommens) hat die Vorinstanz zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. 
 
3.   
Die Vorinstanz stellte fest, gemäss - beweiswertigem - ABI-Gutachten sei die Versicherte nach einer Rückenoperation im Juli 2017 zunächst während der neunmonatigen Rekonvaleszenz vollständig arbeitsunfähig gewesen. Seither bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 90 % in körperlich leichten Tätigkeiten. Als optimal angepasst erachteten die Gutachter körperlich leichte, wechselbelastende Tätigkeiten ohne Heben oder Tragen von Lasten über zehn Kilogramm und ohne kniende oder kauernde Positionen. Der Bemessung des Valideneinkommens legte das kantonale Gericht den bei der Sportanlage B.________ AG in der Funktion als Bademeisterin erzielten Lohn von Fr. 64'715.15 für den Zeitraum zwischen Mai 2015 und April 2016 zugrunde, den es an die Nominallohnentwicklung bis 2018 anpasste, was einen Validenlohn von Fr. 65'834.15 ergab. Es stellte fest, die danach ausgeübte Tätigkeit als Bademeisterin bei der Gemeinde C.________ sei saisonal nur jeweils von Mai bis September vorgesehen gewesen. Im Jahr 2016 habe die Versicherte damit gemäss Auszug aus dem individuellen Konto ein Einkommen von Fr. 29'150.- erzielt (inkl. 13. Monatslohn). Für das Invalideneinkommen ermittelte es einen Wert von Fr. 49'516.80 (basierend auf der vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebung, LSE 2016, Tabelle TA1, Total, Frauen, Kompetenzniveau 1, angepasst an die betriebsübliche Arbeitszeit, die Lohnentwicklung sowie die Arbeitsfähigkeit von 90 %). Es resultierte ein Invaliditätsgrad von (auf) gerundet 25 % ([Fr. 65'834.15./. Fr. 49'516.80] : Fr. 65'834.15 x 100). 
 
4.  
 
4.1. In tatsächlicher Hinsicht ist unbestritten, dass die Versicherte im Gesundheitsfall hauptberuflich als Bademeisterin in einem ganzjährigen 100 %-Pensum tätig wäre. Die Beschwerdeführerin macht indes geltend, ihr Valideneinkommen sei ausgehend vom Jahreslohn von Fr. 66'325.60 (13 x Fr. 5'101.95) in der zuletzt innegehabten       80 %-Stelle von Mai bis Ende September 2016 als stellvertretende Chefbademeisterin bei der Gemeinde C.________ zu ermitteln. Dieser sei auf ein 100 %-Pensum hochzurechnen und der Nominallohnentwicklung anzupassen, woraus ein Valideneinkommen für das Jahr 2018 von Fr. 83'617.65 resultiere. Indem die Vorinstanz abweichend hiervon das Valideneinkommen nach dem Jahresgehalt in der zuvor innegehabten 100 %-Stelle als Bademeisterin zwischen Mai 2015 und April 2016 bemessen habe, sei sie in Willkür verfallen.  
Mit der Vorinstanz geht es nicht an, den aus einer saisonalen Tätigkeit als stellvertretende Chefbademeisterin in einem Seebad während lediglich fünf Monaten und in einem 80 %-Pensum erzielten Lohn (oben E. 3) ohne Weiteres auf zwölf Monate und ein 100 %-Pensum hochzurechnen, entspricht dies doch in keiner Weise einem in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Einkommen, das nach empirischer Erfahrung die Vermutung für sich hätte, es wäre ohne Gesundheitsschaden weiterhin erzielt worden (zit. BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; vgl. ausserdem Urteil 8C_343/2016 vom 12. September 2016 E. 4,). Dass das kantonale Gericht angesichts dessen - zugunsten der Beschwerdeführerin - auf das im Zeitraum zwischen Mai 2015 und April 2016 erzielte Jahreseinkommen in einer ganzjährigen 100 %-Anstellung als Bademeisterin abstellte statt auf den tieferen von der Verwaltung ermittelten Tabellenwert (von Fr. 62'095.20 gemäss LSE 2016 Tabelle TA 1 Ziff. 77-82 'sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen', Kompetenzniveau 2, Frauen, angepasst an die betriebsübliche Arbeitszeit und die Lohnentwicklung bis 2018), ist bundesrechtskonform (E. 1.1 hiervor). 
 
4.2. Hinsichtlich des Invalideneinkommens rügt die Versicherte einzig, die Vorinstanz habe zu Unrecht keinen Tabellenlohnabzug gewährt und in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) die Gründe, die einen leidensbedingten Abzug rechtfertigen würden, nicht von sich aus untersucht. Das kantonale Gericht habe es versäumt, eine gesamthafte Schätzung aller Merkmale, die Einfluss auf das Invalideneinkommen hätten, vorzunehmen. Insbesondere habe es unberücksichtigt gelassen, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen nur noch körperlich leichte Verrichtungen unter Wechselbelastung und unter Vermeidung von wiederholtem Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm und wiederholter Einnahme kniender und kauernder Positionen möglich seien, was einen Abzug von 10 % rechtfertige.  
Rechtsprechungsgemäss umfasst der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 eine Vielzahl von körperlich leichten und wechselbelastenden Tätigkeiten (statt vieler: Urteil 9C_172/2019 vom 22. Juli 2019 E. 4.5). Welche Limitierungen der Leistungsfähigkeit - abgesehen vom bereits in der Arbeitsfähigkeitsschätzung berücksichtigten erhöhten Pausenbedarf - hier vorliegen sollten, die auch im Rahmen einer leichten, angepassten Tätigkeit eine Verwertung der Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg erlauben würden, zeigt die Versicherte weder auf noch ist es ersichtlich. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist dem Urteil 8C_319/2017 vom 6. September 2017 zugrunde liegenden nicht vergleichbar: Die dort am Recht stehende Versicherte konnte kaum Deutsch, hatte während 18 Jahren im selben Betrieb rein stehend ausschliesslich körperlich gearbeitet und war nach einem Unfall insbesondere auf eine mehrheitlich sitzende Tätigkeit limitiert sowie beim Gehen auf zwei Gehstöcke angewiesen. Dem trug das Bundesgericht mit einem Tabellenlohnabzug von 10 % Rechnung (a.a.O. E. 2 und 3.3.2). Schliesslich übersieht die Beschwerdeführerin, dass der von ihr als verletzt gerügte Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der Parteien begrenzt wird (Art. 61 lit. c ATSG; Urteil 9C_125/2020 vom 15. April 2020 E. 2.3). Es ist nicht Aufgabe des kantonalen Gerichts, von sich aus nach Gründen zu forschen, die einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen, wenn entsprechende Anhaltspunkte weder von der Versicherten dargetan noch aus den Akten ersichtlich sind. 
 
4.3. Die Beschwerde ist nach dem Gesagten unbegründet.  
 
5.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. August 2020 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald