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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_406/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 6. September 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Luzern 
vom 5. April 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1958 geborene A.________, Mutter von vier 1981, 1985, 1987 und 1989 geborenen Kindern, meldete sich erstmals am 27. November 2006 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle Luzern klärte insbesondere die medizinische und beruflich-erwerbliche Situation ab und verneinte mit Verfügung vom 7. September 2010 einen Rentenanspruch, nachdem sie die beruflichen Eingliederungsmassnahmen als abgeschlossen erachtete. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) mit Entscheid vom 3. Oktober 2011 ab, was das Bundesgericht mit Urteil 8C_827/2011 vom 3. Februar 2012 bestätigte. 
Mit erneuter Anmeldung zum Leistungsbezug am 3. November 2015 machte A.________ eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands geltend. Die Verwaltung trat auf das Leistungsbegehren nicht ein (Verfügung vom 9. Dezember 2016). 
 
B.   
Das Kantonsgericht Luzern wies die dagegen geführte Beschwerde mit Entscheid vom 5. April 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrads verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 3 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen).  
 
2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstands wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (Urteile I 724/99 vom 5. Oktober 2001 E. 1c/aa, nicht publiziert in BGE 127 V 294, aber in SVR 2002 IV Nr. 10; 8C_325/2016 vom 31. August 2016 E. 2.1).  
 
2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_341/2011 vom 27. Juni 2011 E. 2.3 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie das Nichteintreten der IV-Stelle auf die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin bestätigte.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Vorinstanz stellte fest, die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt der Verfügung vom 7. September 2010 aus rheumatologischer Sicht des Dr. med. B.________, FMH Rheumatologie und Innere Medizin, für eine leichte, wechselbelastende Beschäftigung ohne Zurücklegen längerer Gehstrecken, ohne andauerndes Stehen und ohne repetitive Überkopfarbeit oder sonstige Zwangshaltungen der Wirbelsäule als vollständig arbeitsfähig erachtet worden (Bericht vom 7. März 2008). In einer körperlich angepassten Tätigkeit habe sie dannzumal auch der psychiatrische Gutachter Dr. med. C.________ als uneingeschränkt arbeitsfähig gesehen (Gutachten vom 15. August 2007).  
 
3.2.2. Eine gesundheitliche Verschlechterung werde nun einzig hinsichtlich der langjährigen Rückenproblematik geltend gemacht. Der Vergleich der gesundheitlichen Situation bei Erlass der Verfügung vom 7. September 2010 mit jener im Zeitpunkt der Neuanmeldung zeige keine neuen Diagnosen, Befunde oder Funktionseinschränkungen. Das Rückenleiden in Form einer degenerativen Diskopathie L5/S1 mit spondylarthrotischer Antelisthesis L5 I sei zwischenzeitlich infolge unzureichender Ergebnisse einer Infiltrationstherapie operativ angegangen worden (Operationsbericht vom 13. Januar 2016). Im Anschluss an die Rehabilitationsphase habe die RAD-Ärztin Frau Dr. med. D.________, FMH Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin, im Protokolleintrag vom 31. August 2016 darauf hingewiesen, die Schätzung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Neurochirurgie, Neuro- und Wirbelsäulenzentrum Klinik F.________, beruhe auf den rein subjektiven Beschwerdeangaben und nicht auf funktionellen Einschränkungen (Bericht vom 14. Juli 2016). Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei diese nicht nachvollziehbar; die Operation sei erfolgreich und komplikationslos verlaufen und die Prognosen seien gut. Es bestünden keine objektivierten Funktionseinschränkungen oder radikulären Ausfälle. Es seien ihr daher weiterhin sämtliche früheren Tätigkeiten in den Bereichen Verkauf, Dekoration und Büro nach Abschluss der Rehabilitationsphase zumutbar. Gestützt hierauf schloss die Vorinstanz, dass nach der maximal acht Monate dauernden Rehabilitationszeit von einer vollen Leistungsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit auszugehen sei. Eine objektive Verschlechterung des Gesundheitszustands mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit sei nicht glaubhaft gemacht worden.  
 
4.  
 
4.1. Diese Sachverhaltsfeststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig. Nicht stichhaltig ist der Einwand, neu habe Dr. med. E.________ eine degenerative Diskopathie C5/6, C6/7 festgestellt, was die Vorinstanz nicht erkannt habe. Aus den Darlegungen des Dr. med. E.________ ergibt sich nicht, dass die von ihm aufgeführten Bandscheibenveränderungen einen neuen Befund mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit darstellen. Auch der Verfügung vom 7. September 2010 lag aufgrund der Feststellungen des Dr. med. B.________ ein chronisches rezidivierendes Schmerzsyndrom im Nacken-Schulter-Bereich vor. Dr. med. E.________ umschrieb dies als chronisches rezidivierendes cervikovertebragenes und cervikozephales Beschwerdebild. Dass die Vorinstanz hierin keine anspruchsrelevante gesundheitliche Verschlechterung sah, ist nicht bundesrechtswidrig. Dies trifft ebenso auf die Feststellung zu, in Übereinstimmung mit der RAD-Ärztin Frau Dr. med. D.________ sei von einer nachoperativen Rehabilitationsphase von acht Monaten mit gutem Heilungsverlauf und einer anschliessend vollständigen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Dr. med. E.________ habe sich in seinem Bericht vom 14. Juli 2016 einzig auf die subjektiven Schmerzangaben der Versicherten gestützt, um seine Einschätzung, aufgrund der Gesamtsituation an der Hals- und Lendenwirbelsäule sei die Versicherte "vorerst noch zu 100 % im Krankenstand", zu begründen. Objektiv feststellbare Beeinträchtigungen, die eine wesentliche Verschlechterung des Zustands glaubhaft machen würden, liegen mit diesen Angaben nicht vor. Das kantonale Gericht hat die Beweise pflichtgemäss und keineswegs willkürlich gewürdigt, indem es hinsichtlich der Frage, ob sich seit der letzten Verfügung vom 7. September 2010 eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands eingestellt hat, der abschlägigen Antwort der RAD-Ärztin gefolgt ist. Mit der Rüge, Frau Dr. med. D.________ verfüge als Allgemein- und Arbeitsmedizinerin über keinen entsprechenden Facharzttitel, um die Beschwerden an der Wirbelsäule zu beurteilen, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die RAD-Ärztin keinen Untersuchungsbericht im Sinne von Art. 49 Abs. 2 IVV erstellte. Eines spezifischen Facharzttitels bedurfte sie deshalb vorliegend nicht, um den bestehenden medizinischen Sachverhalt zu würdigen (zur Aufgabe des RAD vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2bis IVG; Art. 49 IVV; BGE 135 V 254 E. 3.3.2 S. 257; SVR 2011 IV Nr. 2 S. 7, 9C_904/2009 E. 2.2). Die Vorinstanz ist daher nicht in Willkür verfallen, wenn sie davon ausging, für die geltend gemachte Verschlechterung der Rückenproblematik sei kein medizinisches Korrelat aufgezeigt worden, weshalb die Beschwerdeführerin insgesamt keine relevante Veränderung glaubhaft habe vorbringen können.  
 
4.2. Veränderte tatsächliche Verhältnisse begründete die Beschwerdeführerin ferner mit einem Statuswechsel von Teilerwerbstätigkeit mit Aufgabenbereich (Haushalt) zu Vollerwerbstätigkeit (100 %). Hierzu erkannte die Vorinstanz, ein solcher sei ebenfalls nicht glaubhaft dargelegt worden. Die vier Kinder der Versicherten seien bereits im Zeitpunkt der Verfügung vom 7. September 2010 erwachsen gewesen, weshalb die Begründung einer nunmehr weggefallenen Betreuungspflicht nicht überzeuge. Auch seit Einstellung der Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehemanns im Jahr 2015 seien keinerlei Anstrengungen erkennbar, um im Erwerbsleben wieder Fuss zu fassen, obwohl sie gemäss dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesgerichts vom 3. Februar 2012 E. 4 zumindest im Umfang von 50 % in einer leidensadaptierten Tätigkeit arbeitsfähig sei. Eine Vollerwerbstätigkeit sei nicht glaubhaft.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz im Hinblick auf die Statusfrage willkürlich sein soll. Konkrete Hinweise, die die erstmals im Rahmen des Vorbescheidverfahrens am 20. April 2016 vorgebrachte Behauptung einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall stützten, finden sich in den Akten keine. Die Begründung einer Vollerwerbstätigkeit erschöpfte sich im Hinweis, die Kinder seien erwachsen und bedurften keiner Betreuung mehr und sie erhalte seit 2015 keine Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehegatten mehr. Hinreichend substanzielle Anhaltspunkte für eine anspruchsrelevante Veränderung hinsichtlich der Statusfrage liegen damit nicht vor. Somit war die IV-Stelle auch nicht verpflichtet gewesen, anlässlich der Neuanmeldung eine weitere diesbezügliche Abklärung vorzunehmen, zumal die Versicherte die Neuanmeldung einzig mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands begründete. Die Feststellung des kantonalen Gerichts, dass bezüglich des für die Methodenwahl der Invaliditätsbemessung relevanten Sachverhalts verglichen mit den im Jahre 2010 herrschenden Verhältnissen keine wesentliche, eine Neubeurteilung der Statusfrage rechtfertigende Änderung glaubhaft gemacht worden sei, ist daher nicht zu beanstanden. Soweit die Beschwerdebegehren mit den letztinstanzlich neu eingereichten (mehrheitlich undatierten) Unterlagen (Umzugsprotokoll und Arbeitsbestätigungen) begründet werden sollen, handelt es sich dabei um unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG), weshalb sie unbeachtlich sind. Der angefochtene Entscheid hält vor Bundesrecht stand.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. September 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla