Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_368/2024
Urteil vom 6. September 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichter Hurni, Kölz,
Gerichtsschreiber Eschle.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter,
Beschwerdeführer,
gegen
Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern, Südbahnhofstrasse 14d, Postfach, 3001 Bern, vertreten durch Fürsprecher Markus D'Angelo, 3001 Bern,
Beschwerdegegner,
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern.
Gegenstand
Aufhebung der Verwahrung und Anordnung einer stationären Massnahme,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 18. Januar 2024 (BK 23 300).
Sachverhalt:
A.
Das damalige Kreisgericht VIII Bern-Laupen verurteilte A.________ am 21. November 2000 wegen mehrfach versuchter schwerer Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Beamte, Sachbeschädigung und mehrfacher Widerhandlung gegen das BetmG (SR 812.121) zu 24 Monaten Gefängnis, abzüglich 155 Tage Untersuchungshaft, unter Aufschub des Strafvollzugs zugunsten einer stationären Massnahme für Rauschgiftsüchtige nach Art. 44 Ziff. 1 und 6 aStGB.
Die damalige Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Amts für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern (heute Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern) stellte den Vollzug der Massnahme am 5. März 2002 wegen Unzweckmässigkeit ein. Daraufhin ordnete das Obergericht des Kantons Bern am 24. Oktober 2002 in Abänderung des Urteils vom 21. November 2000 die Verwahrung von A.________ nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 44 Ziff. 3 aStGB an.
Am 13. Dezember 2007 entschied das Obergericht, dass die im Urteil vom 24. Oktober 2002 angeordnete Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 44 Ziff. 3 aStGB als neurechtliche Verwahrung im Sinne von Art. 64 StGB weitergeführt wird.
B.
Am 23. Juni 2023 beschloss das Regionalgericht Bern-Mittelland die Umwandlung der Verwahrung nach Art. 64 StGB in eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB. Das Obergericht wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 18. Januar 2024 ab, soweit es darauf eintrat, und auferlegte ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestehend aus Gebühren von Fr. 3'000.-- und Auslagen von Fr. 2'987.--.
C.
A.________ führt mit Eingabe vom 25. März 2024 Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt in Ziff. 2, der Beschluss des Obergerichts vom 18. Januar 2024 sei aufzuheben, der Antrag auf Umwandlung in eine stationäre Massnahme abzuweisen und er somit umgehend in Freiheit zu versetzen. Eventualiter sei er bedingt zu entlassen, subeventualiter sei eine ambulante Massnahme anzuordnen. In Ziff. 3 begehrt er, es sei "festzustellen, dass die Umwandlung in eine stationäre Massnahme sowohl Art. 3 EMRK als auch Art. 5 Ziff. 1 Bst. a EMRK und Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK verletzt und dass das vorliegende Verfahren Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt hat". Sodann ersucht A.________ um eine Entschädigung von Fr. 300.-- pro Hafttag ab dem 23. Juni 2023 (Ziff. 4) und darum, dass die amtlichen und die ausseramtlichen Kosten des kantonalen Beschwerdeverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen seien (Ziff. 5). Nach seinem Eventualbegehren sei schliesslich der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache "zwecks Eintretens und Durchführung eines fairen Verfahren und eines Zweitgutachtens an die Erstinstanz, eventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen" (Ziff. 6). Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht A.________ um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Anfechtungsgegenstand ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 80 und Art. 90 BGG ), worin über die Aufhebung der Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB und die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 StGB) entschieden wurde. Es handelt sich um eine Angelegenheit im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG, gegen welche die Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich offen steht.
1.2.
1.2.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat.
1.2.2. Mit Eingabe vom 29. August 2024 erklärt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers "namens und im Auftrag meines Klienten
protestando Kosten- und Entschädigungsfolgen den Rückzug der Rechtsbegehren Ziff. 2 der Beschwerde vom 25. März 2024". Er führt aus, die stationäre therapeutische Massnahme werde jährlich überprüft, und er könne die in Ziff. 2 der Beschwerde erhobenen Rügen somit jeweils anlässlich der jährlichen Überprüfung erneut vorbringen.
1.2.3. Aus dem Schreiben des Beschwerdeführers ergibt sich
e contrario, dass er an seinen übrigen Begehren festhalten möchte. In Ziff. 3 verlangt er die Feststellung, dass die Umwandlung der Verwahrung in eine stationäre therapeutische Massnahme gegen verschiedene völkerrechtliche Bestimmungen verstosse. Nach einem allgemeinen prozessualen Rechtsgrundsatz sind Feststellungsbegehren indes subsidiär zu Leistungsbegehren (BGE 148 I 160 E. 1.6; 137 IV 87 E. 1). Darauf wies bereits die Vorinstanz hin. Sie trat auf das Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers nicht ein. Es hätte dem Beschwerdeführer offengestanden, die Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme vor Bundesgericht überprüfen zu lassen, wie er es in Ziff. 2 seiner Beschwerde verlangte. Nachdem er dem Bundesgericht über seinen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 29. August 2024 ausdrücklich mitteilen liess, sein entsprechendes Begehren zurückzuziehen, und er sich in seiner Beschwerde (und im Übrigen auch nicht im Schreiben vom 29. August 2024, was ohnehin verspätet wäre) nicht dazu äussert, weshalb er ein eigenständiges Rechtsschutzinteresse (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG) an der Feststellung einer Konventionsverletzung haben soll, ohne dass die Anordnung der Massnahme auf deren Rechtmässigkeit überprüft wird, kann auf das Feststellungsbegehren nicht eingetreten werden. Das gilt auch für das Ersuchen um eine Haftentschädigung (Ziff. 4), das von den anderen Begehren abhängt.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich in Ziff. 5 seiner Beschwerde gegen die Auferlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens und rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Er kritisiert, die Vorinstanz nenne keine gesetzliche Grundlage für die "Abgabe" von knapp Fr. 6'000.--, die sie ihm auferlege. Da es sich allenfalls um kantonales Recht handle, sei die Angabe der konkreten Bestimmungen unerlässlich.
2.2. Nach der bundesgerichtlichen Praxis zum Anspruch auf rechtliches Gehör Art. 29 Abs. 2 BV muss ein Kosten- und Entschädigungsentscheid unter Umständen gar nicht begründet werden oder kann eine äusserst knappe Begründung genügen. Dies gilt insbesondere, wenn es um Kosten geht, die nach Massgabe der einschlägigen kantonalen Bestimmungen pauschal, innerhalb eines gewissen Rahmentarifs, erhoben werden können, was eine gewisse Schematisierung erlaubt. In diesem Fall wird eine besondere Begründung nur verlangt, wenn der Rahmen über- oder unterschritten wird oder die Parteien besondere Umstände geltend machen (vgl. BGE 139 V 496 E. 5.1; Urteile 1B_328/2019 vom 17. Juli 2019 E. 4.1; 1B_153/2022 vom 23. September 2022 E. 4.2; je mit Hinweisen).
2.3. Zur Rüge, die Gerichtskosten des obergerichtlichen Verfahrens hätten ihm nicht in dieser Höhe auferlegt werden dürfen bzw. die Vorinstanz habe in diesem Zusammenhang sein rechtliches Gehör verletzt, ist der Beschwerdeführer legitimiert (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG).
Das Vorbringen erweist sich aber als offensichtlich unbegründet: Wie das Bundesgericht bereits in den Urteilen 1B_328/2019 vom 17. Juli 2019 E. 4 und 1B_153/2022 vom 23. September 2022 E. 4 erwog - die dortigen Beschwerdeführer waren vom selben Rechtsanwalt vertreten wie der hiesige Beschwerdeführer -, kommt die Vorinstanz mit dem Verweis auf Art. 428 Abs. 1 StPO ihrer im Rahmen der Kostenverlegung eingeschränkten Begründungspflicht auch vorliegend nach. Dem Urteil 1B_328/2019 vom 17. Juli 2019 ist zu entnehmen, dass im Kanton Bern Art. 28 Abs. 1 des Dekrets betreffend die Verfahrenskosten und die Verwaltungsgebühren der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft vom 24. März 2010 (BSG 161.12; Verfahrenskostendekret, VKD) die gesetzliche Grundlage für die Bemessung der Gerichtsgebühr im StPO-Beschwerdeverfahren (E. 4.2) bildet. In E. 4.1 hat sich das Bundesgericht mit der Rechtmässigkeit dieser Bestimmung auseinandergesetzt und darüber hinaus festgehalten, dass die in der amtlichen Gesetzessammlung enthaltene Bestimmung für den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer leicht ausfindig zu machen war (wortgleich Urteil 1B_153/2022 vom 23. September 2022 E. 4.1).
Eine Gehörsverletzung liegt deshalb auch im vorliegenden Fall mit demselben Rechtsvertreter nicht vor. Der Beschwerdeführer macht sodann zu Recht nicht geltend, dass die Vorinstanz den gesetzlichen Rahmen oder das ihr bei der Bemessung der Gerichtskosten für das aufwändige Beschwerdeverfahren zustehende Ermessen mit der Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- überschritten hätte (vgl. Urteil 1B_328/2019 vom 17. Juli 2019 E. 4.2).
2.4. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) durch die erste Instanz bei der Kostenfestsetzung, weil sich diese mit der entscheidenden Frage der persönlichen Zumutbarkeit des Freiheitsentzuges mit keinem Wort auseinandergesetzt habe. Seine Kritik entfernt sich damit aber vom Anfechtungsobjekt im bundesgerichtlichen Verfahren, dem Beschluss des Obergerichts vom 18. Januar 2024 (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ist nicht ersichtlich, dass er die Frage der erstinstanzlichen Begründungspflicht und Kostenverlegung bereits vor der Vorinstanz aufgeworfen, Begehren dazu gestellt (vgl. Art. 99 Abs. 2 BGG) oder sich die Vorinstanz damit zu Unrecht nicht auseinandergesetzt hätte. Da die Beschwerde insoweit den qualifizierten Anforderungen nicht genügt, die an die Begründung von Grundrechtsverletzungen gestellt werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ), kann auch darauf nicht eingetreten werden.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Begehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. September 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Der Gerichtsschreiber: Eschle