Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_139/2022
Urteil vom 6. Oktober 2022
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichter Maillard, Abrecht,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Silvana Ebneter,
Beschwerdeführerin,
gegen
Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen, Geltenwilenstrasse 16, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Januar 2022 (AVI 2020/43).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1995, bezog nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses beim Restaurant B.________ aus wirtschaftlichen Gründen ab 1. Januar 2019 Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 21. Februar 2020 und Einspracheentscheid vom 10. August 2020 forderte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St. Gallen (AWA), Arbeitslosenkasse, die bis 31. Januar 2020 ausgerichteten Beträge von insgesamt Fr. 22'321.15 zurück mit der Begründung, dass eine Arbeitslosigkeit nicht ausgewiesen, sondern vielmehr davon auszugehen sei, A.________ sei nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin im Restaurant B.________ beschäftigt gewesen.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. Januar 2022 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheides.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ; BGE 145 V 57 E. 4).
1.3. Die Beschwerde hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich die Beschwerde grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen (BGE 137 II 313 E. 1.3 mit Hinweisen). Vorliegend geht es indessen materiell um die Rückforderung von bereits ausgerichteten Leistungen der Arbeitslosenkasse. Es ist daher auf die Beschwerde einzutreten, auch wenn das Rechtsbegehren allein auf Aufhebung des vorinstanzlichen Gerichtsentscheides lautet.
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der Arbeitslosenkasse verfügte Rückforderung der in den Monaten Januar bis Juli 2019, Dezember 2019 und Januar 2020 ausgerichteten Arbeitslosenentschädigung bestätigte. Zur Frage steht dabei der Beweis der Arbeitslosigkeit.
3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die prozessuale Revision rechtskräftiger Verfügungen nach Entdeckung neuer Tatsachen (Art. 53 Abs. 1 ATSG) sowie über die Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts im Sozialversicherungsprozess nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 mit Hinweisen) sowie zum erhöhten Beweiswert der sogenannten "Aussagen der ersten Stunde" (BGE 143 V 168 E. 5.2.2 mit Hinweisen). Zu ergänzen ist, dass der Entscheid im Falle der Beweislosigkeit zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte (BGE 138 V 218 E. 6; Urteile 8C_282/2020 vom 3. September 2020 E. 6.1; 8C_307/2016 vom 17. August 2016 E. 5.3).
4.
4.1. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hatte die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenversicherung eine Kündigung ihrer Arbeitgeberin, der (damaligen) Betreiberin des Restaurants B.________, per 31. Dezember 2018 vorgewiesen, was mit deren Bescheinigung vom 17. Dezember 2018 übereingestimmt habe. Am 6. Februar 2020 sei die Beschwerdegegnerin, so das kantonale Gericht weiter, vom Arbeitsinspektorat darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Beschwerdeführerin anlässlich einer Kontrolle in jenem Restaurant angetroffen worden sei. Sie habe unterschriftlich bestätigt, seit zwei bis drei Jahren dort beschäftigt zu sein und keine Arbeitslosenversicherung zu beziehen. Die Beschwerdeführerin habe in der Folge geltend gemacht, sie habe die Fragen wegen mangelhafter Deutschkenntnisse falsch verstanden. Indessen lebe sie seit 2016 in der Schweiz, habe anlässlich ihrer Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung angegeben, über gute mündliche und schriftliche Deutschkenntnisse zu verfügen, und ein Einstufungstest habe ein Sprachniveau B2 fürs Sprechen und B1 fürs Hören ergeben. Sie habe im Übrigen gemäss Protokolleintrag des Arbeitsinspektors versichert, alle Fragen verstanden und wahrheitsgetreue Angaben gemacht zu haben. Zudem habe sie es anlässlich dieser Kontrolle unterlassen darauf hinzuweisen, dass sie erst wieder seit zwei Tagen, nach mehr als einem Jahr Arbeitslosigkeit, am gleichen Ort wie früher, nunmehr beim neuen Besitzer, tätig sei, wie sie später geltend gemacht habe. Das Arbeitsinspektorat habe im Restaurant B.________ im Januar 2020 dreimal einen Augenschein vorgenommen und die Beschwerdeführerin jedes Mal dort angetroffen, wobei nicht der Eindruck entstanden sei, dass sie, wie später behauptet, lediglich geschnuppert habe. Die Angaben in einem auf den 1. Februar 2020 datierten Arbeitsvertrag, den die Beschwerdeführerin am 7. Februar 2020 eingereicht habe, stimmten hinsichtlich des Lohns nicht überein mit den auf dem Formular zuhanden des Arbeitsinspektorats eingetragenen. Es seien zudem auch weitere Falschangaben gegenüber der Arbeitslosenkasse ausgewiesen. Schliesslich könne nicht nur für Januar 2020, sondern bereits für das Jahr 2019 nicht von einer Arbeitslosigkeit ausgegangen werden. Das kantonale Gericht zog in diesem Zusammenhang neben der bereits erwähnten Angabe der Beschäftigung seit zwei bis drei Jahren in Betracht, dass sich die Beschwerdeführerin nach einer ersten Aufforderung zu einem zwölfwöchigen (OKP-) Kurs im Frühjahr 2019 kurzfristig krank gemeldet und nach einer neuerlichen Einladung am Tag des Kursbeginns im Juli 2019 mitgeteilt habe, am Vorabend einen Unfall erlitten zu haben. Beide Kursanweisungen seien in der Folge aufgehoben worden.
4.2. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie des Willkürverbots und der Begründungspflicht geltend. Insbesondere hätten die frühere Arbeitgeberin, welche das Geschäft erst per 31. Dezember 2019 aufgegeben habe, sowie deren Angestellte befragt werden müssen. Sie hätten bestätigen können, dass das Arbeitsverhältnis nach der Kündigung per 31. Dezember 2018 nicht weitergeführt worden sei. Des Weiteren wird sinngemäss im Wesentlichen geltend gemacht, lediglich Verwechslungen und Missverständnisse hätten zur Annahme geführt, dass sie ab Januar 2020 beim neuen Inhaber des Restaurants B.________ gearbeitet habe.
4.3. Inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig sein sollten, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun. Das kantonale Gericht stellte bezüglich seiner Annahme, die Beschwerdeführerin sei bereits im Jahr 2019, auch nach der Kündigung per 31. Dezember 2018, weiterhin im Restaurant B.________ beschäftigt gewesen, vorab auf die Angaben der Beschwerdeführerin auf dem Formular des Arbeitsinspektorats vom 3. Februar 2020 ab. Dort beantwortete sie die Frage nach dem Beginn der Anstellung mit "2-3 Jahre". Inwiefern es dabei sprachlich bedingt zu einem Missverständnis gekommen sein könnte, ist nicht erkennbar, zumal die Beschwerdeführerin gemäss Protokoll auf Rückfrage hin ausdrücklich bestätigte, dass sie alle Fragen verstanden habe. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie bei dieser Gelegenheit unerwähnt gelassen haben sollte, dass sie erst wieder seit 1. Februar 2020 im Restaurant B.________ beschäftigt sei. Dass das kantonale Gericht auf die beantragte Zeugenbefragung verzichtete, ist nicht zu beanstanden, denn es konnte nicht erwartet werden, dass die frühere Geschäftsinhaberin und die Arbeitskollegen etwas anderes aussagen würden als die Beschwerdeführerin.
An diesem Beweisergebnis können auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den dokumentierten Ereignissen im Dezember 2019 nichts ändern. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie angeblich von ihrer RAV-Beraterin eines Morgens mit einem T-Shirt mit dem Aufdruck des Restaurants B.________ gesehen worden sei und danach um die Mittagszeit im Restaurant deren Anruf entgegengenommen haben solle, könne nicht zutreffen, weil die betreffende Bushaltestelle nicht auf dem Arbeitsweg liege; zudem arbeite auch ihre Schwester im Restaurant, die ihr zum Verwechseln ähnlich sehe und auch die gleiche Stimme habe. Diese Einwände lassen die von der Vorinstanz gezogenen Schlussfolgerungen nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen. Gleiches gilt hinsichtlich der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe zu Beginn des Jahres 2020 lediglich einige Tage im Restaurant geschnuppert, was die Vorinstanz mit eingehender Begründung entkräftete. Dass die Vorinstanz schliesslich bereits für das Jahr 2019 darauf schloss, die Arbeitslosigkeit sei nicht zu beweisen, lässt sich nicht beanstanden. Entgegen der Beschwerdeführerin gründete diese Schlussfolgerung nicht auf der Annahme, die Krankheit beziehungsweise der Unfall seien vorgetäuscht gewesen, sondern darauf, dass ohne Präsenz am zweimal angeordneten jeweils dreimonatigen Kurs auch die entsprechende zeitliche Verfügbarkeit zufolge der Arbeitslosigkeit nicht unter Beweis gestellt werden konnte. Inwiefern das kantonale Gericht bei der gegebenen Beweislosigkeit Bundesrecht verletzt haben sollte, indem es die rückwirkende Ablehnung eines Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung und Rückforderung der ausgerichteten Beträge bestätigte, ist nicht erkennbar.
5.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt.
6. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Oktober 2022
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo