Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.160/2006 /blb
Urteil vom 6. Dezember 2006
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________,
Kläger und Berufungskläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn,
gegen
1. Y.________,
2. Z.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Alex de Capitani.
Gegenstand
Nachbarrecht,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 9. Mai 2006.
Sachverhalt:
A.
Die Parteien sind Nachbarn im Quartier "L.________" oberhalb des Dorfes D.________. Das Gelände fällt im Bereich ihrer Grundstücke erheblich ab. Weiter unten verringert sich die Neigung, es folgen die Ebene und dann der Greifensee. Der Kläger ist Eigentümer des oberen Grundstücks Nr. xxxx, den Beklagten gehört das untere Grundstück Nr. yyyy, das die ehemaligen Parzellen Nrn. ssss und tttt umfasst.
Am Tag des Erwerbs der Parzelle Nr. ssss, am 30. April 1979, schlossen die Beklagten mit dem Kläger einen umfangreichen Vertrag u.a. über Weg- und Leitungsrechte, insbesondere aber auch über eine Bepflanzungsbeschränkung mit folgendem Wortlaut:
- Bepflanzungsbeschränkung gemäss Plan ad acta. Die Pflanzen dürfen die Kote 475 m ü.M. nicht übersteigen. Pflanzen, die über diese Limite hinauswachsen, müssen auch später als 5 Jahre nach der Pflanzung auf diese Höhe gekappt oder entfernt werden."
Am 25. Mai 1981 kauften die Beklagten zusätzlich die an die Parzelle Nr. ssss anschliessende Parzelle Nr. tttt. Am 4. Juli 2001 legten sie die beiden Grundstücke zur neuen Nr. yyyy zusammen.
B.
Mit Klage vom 6. August 2002 verlangte X.________ im Wesentlichen, dass entsprechend der Bepflanzungsbeschränkung die auf der Parzelle Nr. ssss stehenden Bäume ganz und diejenigen auf der Parzelle Nr. tttt insofern zurückzuscheiden seien, als sie in den Bereich der Beschränkung auf der Parzelle Nr. ssss hineinragen, sowie dass die Pflanzen an der Westgrenze der Parzelle Nr. ssss in einem bestimmten Abstand zurückzuversetzen seien.
Mit Urteil vom 3. Oktober 2005 hiess das Bezirksgericht Uster die Klage teilweise gut, wies sie aber namentlich mit Bezug auf das Begehren ab, auch die auf der Parzelle Nr. tttt stehenden Bäume seien zurückzuschneiden, soweit sie in den Bereich der Beschränkung auf dem Grundstück Nr. ssss hineinragen.
Die diesbezügliche kantonale Berufung von X.________ wies das Obergericht in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 ab.
C.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat X.________ am 15. Juli 2006 eidgenössische Berufung eingelegt mit dem Begehren um dessen Aufhebung und um Verpflichtung der Beklagten, die auf der Parzelle Nr. tttt stehenden zwei Wacholderbäume, die Himalaya-Zeder und die Föhre, soweit sie in den Bereich der Bepflanzungsbeschränkung auf dem Grundstück Nr. ssss hineinragen, so zurückzuschneiden, dass sie eine Maximalhöhe von 475 m.ü.M. nicht überschreiten. Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Vorweg ist zu bemerken, dass auf S. 7 Mitte des obergerichtlichen Urteils offensichtlich nicht der Text des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages vom 30. April 1979, sondern die mit erstinstanzlichem Rechtsbegehren Ziff. 2 verlangte Grundbucheintragung wiedergegeben ist. Dieses offensichtliche Versehen kann gestützt auf Art. 63 Abs. 2 OG - wie in der Berufungsschrift verlangt - korrigiert werden (im vorstehenden Sachverhalt unter lit. A ist der richtige Wortlaut gemäss Vertrag act. 25/2 wiedergegeben).
2.
Bei vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten ist die Berufung von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen nur zulässig, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 8000.-- beträgt (vgl. Art. 46 OG).
Als vermögensrechtlich gelten Streitigkeiten über Rechte, die zum Vermögen einer Person gehören oder mit einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis eng verbunden sind (vgl. BGE 108 II 77 E. 1a S. 78). Dies trifft auch auf nachbarrechtliche Klagen zu (z.B. BGE 52 II 292 E. 1 betr. Immissionsschutz). Soweit diese nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme gehen, setzt das Bundesgericht den Streitwert von Amtes wegen nach freiem Ermessen fest (Art. 36 Abs. 2 OG). Es richtet sich dabei in erster Linie nach der Vermögenseinbusse, die der Kläger erleidet; subsidiär kann auch auf das finanzielle Interesse des Beklagten an der Abweisung abgestellt werden (BGE 95 II 14 E. 1 S. 17). Ist der Umfang einer Dienstbarkeit streitig, so bestimmt sich die erwähnte Vermögenseinbusse des Klägers nach dem Wert der umstrittenen Ausdehnung (Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band I, Bern 1990, S. 284 Mitte).
Der Kläger führt aus, bei einem Verkehrswert von Fr. 1,6 Mio. entspreche ein Betrag von Fr. 8'000.-- einem halben Prozent. Tatsächlich kann die (vorhandene oder eben beeinträchtigte) Aussicht den Verkehrswert einer Liegenschaft erheblich beeinflussen. Vorliegend ist jedenfalls davon auszugehen, dass der erforderliche Streitwert erreicht wird.
3.
Rechtskräftig beurteilt ist, dass die auf der ehemaligen Parzelle Nr. ssss stehenden Bäume gemäss der Bepflanzungsbeschränkung unter Schnitt zu halten sind. Unbestritten ist sodann, dass so oder anders nicht die ganzen eine Höhe von 475 m.ü.M. übersteigenden Wipfel der auf der ehemaligen Parzelle Nr. tttt stehenden Bäume zu entfernen sind. Der Kläger fordert jedoch, dass diese insoweit auf die fragliche Höhe zurückzuschneiden sind, als die Äste auf die Parzelle Nr. ssss bzw. auf das Gebiet der Bepflanzungsbeschränkung hinüberragen.
3.1 Das Obergericht hat dieses Ansinnen abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, aus dem kantonalen Nachbarrecht ergäben sich hierfür keine Rechtsansprüche. Ebenso wenig stehe ein direkt aus Art. 679/684 ZGB fliessender Anspruch zur Diskussion. Es hat sodann festgehalten, der wirkliche Parteiwille bei Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages lasse sich nicht mehr feststellen, weshalb dieser nach dem Vertrauensprinzip auszulegen sei.
Mit Blick auf die Vertragsauslegung nach Vertrauensprinzip hat das Obergericht erwogen, bei unbefangener Lesart lege der Titel "Bepflanzungsbeschränkung" nahe, dass sich die Abmachung auf Pflanzen beziehe, welche auf der vertraglich definierten Fläche wüchsen, zumal seinerzeit das angrenzende Land, auf dem die heute streitigen Bäume stünden, noch nicht Eigentum der Beklagten gewesen sei. Dass die Beklagten berechtigt und/oder verpflichtet gewesen wären, vom damaligen Eigentümer der Parzelle Nr. tttt das Kappen überragender Äste zu verlangen, lasse sich unter das Thema "Bepflanzungsbeschränkung zulasten Nr. ssss" vernünftigerweise nicht einordnen. Zum gleichen Resultat führe die Analyse der Wendung, dass "diese Beschränkung ... auch für Pflanzen [gelte], die vor mehr als 5 Jahren angepflanzt [worden seien]" - auch das weise auf Bäume hin, die von den Beklagten gepflanzt worden seien.
3.2 Soweit der Kläger geltend macht, es gehe ihm nicht um das Weitegefühl, sondern um die Sicht (auf den Greifensee), welche durch die fraglichen Bäume erheblich beeinträchtigt werde, wendet er sich in unzulässiger Weise (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG) gegen die für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlichen obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 63 Abs. 2 OG), wonach die Seesicht durch das Kappen der seitlichen Äste der streitigen Bäume nur unwesentlich verbessert würde und vom klägerischen Sitzplatz aus nicht die Bäume, sondern wenn schon die relativ nahe stehenden Nachbargebäude beengend wirkten.
3.3 Vom Bundesgericht im Berufungsverfahren frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip (BGE 129 III 118 E. 2.5 S. 123; 130 III 686 E. 4.3.1 S. 689), nach welchem eine Willenserklärung so auszulegen ist, wie sie von der anderen Partei nach den gesamten Umständen in guten Treuen verstanden werden durfte und musste (BGE 126 III 59 E. 5b S. 68; 130 III 417 E. 3.2 S. 424).
Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, ob bei einer objektivierten Auslegung die Bepflanzungsbeschränkung so zu verstehen ist, dass die auf dem bezeichneten Gebiet wachsenden Bäume nicht höher als 475 m.ü.M. sein dürfen (Standpunkt der Beklagten), oder ob auf der betreffenden Fläche unabhängig davon, wo der Baum steht, kein "Baum- bzw. Laubmaterial" höher ragen darf (klägerische Ansicht). In diesem Zusammenhang ist entgegen den Ausführungen des Klägers (namentlich auf S. 11) aber nicht massgeblich, wie er selbst den Vertrag verstanden hat, sondern wie die Beklagten, an die er Forderungen aus dem Dienstbarkeitsvertrag stellt, diesen nach Treu und Glauben verstehen durften und mussten.
Diesbezüglich kann auf die in allen Teilen zutreffenden, in E. 3.1 zusammengefasst wiedergegebenen obergerichtlichen Ausführungen verwiesen werden. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern mit diesen Bundesrecht verletzt worden sein soll. Nur einzelne Äste der auf der Parzelle Nr. tttt wachsenden Bäume abzuschneiden, nämlich die auf die Parzelle Nr. ssss hinüberragenden, was nach den kantonalen Sachverhaltsfeststellungen zu einer merkwürdigen Verstümmelung der betroffenen Bäume führen würde, kann nicht einer sich am Massstab einer vernünftigen Drittperson orientierten objektivierten Vertragsauslegung entsprechen. Im Übrigen laufen die klägerischen Ausführungen darauf hinaus, den Beklagten eine vertragliche Kapppflicht gegenüber den Nachbarn - d.h. die Verpflichtung, das (im Übrigen an verschiedene Voraussetzungen geknüpfte) Kapprecht gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB auszuüben - aufzuerlegen, stand doch die Parzelle Nr. tttt bei Vertragsschluss noch nicht im Eigentum der Beklagten. Eine solche Verpflichtung lässt sich dem rein bilateral abgefassten, keine Drittpersonen oder -parzellen nennenden Vertrag jedoch nicht andeutungsweise entnehmen, und entsprechend durften und mussten sich die Beklagten bei der Unterzeichnung des Vertrages nach dem Vertrauensprinzip auch mit keiner entsprechenden Verpflichtung konfrontiert sehen.
3.4 Sind aber die auf der ehemaligen Parzelle Nr. tttt wachsenden Bäume bei objektivierter Vertragsauslegung von der Bepflanzungsbeschränkung nicht erfasst, werden die Vorbringen im Zusammenhang mit der Frage, wie weit die Äste tatsächlich auf die Parzelle Nr. ssss ragen bzw. inwiefern der Gutachter solche Feststellungen getroffen hat, ebenso gegenstandslos wie die Ausführungen zum Vorwurf des Rechtsmissbrauchs.
4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist folglich dem Kläger aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Dezember 2006
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: