Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_1121/2022
Urteil vom 6. Dezember 2022
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Frey Krieger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Nichtanhandnahme; Verfahrenskosten,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 18. August 2022 (BK 22 308).
Erwägungen:
1.
Nach einer gegen den Beschwerdeführer und andere Personen am 1. Juni 2022 wegen diverser Vermögensdelikte erhobenen Strafanzeige erliess die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland die Nichtanhandnahme des Verfahrens und verfügte, dass die Verfahrenskosten vom Kanton Bern getragen und keine Entschädigungen ausgerichtet werden. Auf eine dagegen vom Beschwerdeführer per 15. Juli 2022 erhobene Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Verfügung vom 18. August 2022 nicht ein. Die auf Fr. 500.-- festgesetzten Verfahrenskosten auferlegte es dem Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Anweisung der Vorinstanz, auf seine Beschwerde vom 15. Juli 2022 einzutreten. Die vorinstanzlichen Verfahrenskosten seien den an der Verfügung vom 18. August 2022 Mitwirkenden persönlich aufzuerlegen; eventualiter seien diese der Staatskasse zu übertragen. Gleichzeitig ersucht der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung in Bezug auf die zweitinstanzliche Kostenregelung. Mit Verfügung vom 28. Oktober 2022 ist auf das Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht eingetreten worden.
2.
Die Vorinstanz tritt auf die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Begründung nicht ein, dass dieser nicht im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO beschwerdelegitimiert sei. Ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides liege nur vor, wenn die beschwerdeführende Person selbst in ihren eigenen Rechten unmittelbar und direkt betroffen sei, mithin die angefochtene hoheitliche Verfahrenshandlung einen direkten, sofort ersichtlichen Einfluss auf die eigene Rechtsstellung der beschwerdeführenden Person habe. Eine blosse Reflexwirkung genüge nicht. Dementsprechend sei nicht beschwerdelegitimiert, wer sich gegen die Kosten- und Entschädigungsregelung zulasten anderer Verfahrensbeteiligter wende respektive sei der Beschwerdeführer dadurch, dass die Kosten dem Kanton Bern auferlegt worden seien, nicht unmittelbar und direkt in seinen eigenen Rechten betroffen. Auch als Staatsbürger sei dies nicht der Fall, umso weniger, als sein steuerrechtlicher Wohnsitz nicht im Kanton Bern zu sein scheine.
3.
Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann eine Partei die Verletzung ihrer Rechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Seine Rüge, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht die Legitimation zur Anfechtung der staatsanwaltschaftlichen Nichtanhandnahmeverfügung abgesprochen, ist zulässig, da formeller Natur. Auf die Beschwerde in Strafsachen ist demnach - unter dem Vorbehalt der hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) - einzutreten.
4.
4.1. Verfahrensgegenstand ist einzig die vorinstanzliche Nichteintretensverfügung (Art. 80 Abs. 1 BGG). Es geht daher vor Bundesgericht nur um die Frage, ob die Vorinstanz ein rechtlich geschütztes Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung oder Änderung des Entscheides zu Unrecht verneint, indem sie keine unmittelbare Verletzung seiner Rechte im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO erkennt.
4.2. Nach Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Ein rechtlich geschütztes Interesse liegt nur vor, wenn der Beschwerdeführer selbst in seinen eigenen Rechten unmittelbar und direkt betroffen ist. Eine blosse Reflexwirkung genügt nicht, ebenso wenig ein bloss tatsächliches Interesse. Der Beschwerdeführer muss dartun, dass der angefochtene Entscheid eine Norm verletzt, deren Ziel es ist, seine Interessen zu schützen und die ihm auf diese Weise ein subjektives Recht einräumt (BGE 145 IV 161 E. 3.1; Urteile 6B_942/2016 vom 7. September 2017 E. 2.3, nicht publ. in: BGE 143 IV 313; 1B_440/2021 vom 17. Februar 2022 E. 4.3).
5.
Der Beschwerdeführer erachtet sich aus verschiedenen Gründen legitimiert, die Kostenauflage in Frage zu stellen. Er sei als eine von 25 Personen mit gravierenden, rechtswidrigen und persönlichkeits- bzw. ehrverletzenden Vorwürfen "eingedeckt" worden. Selbst wenn die Strafverfahren nicht an die die Hand genommen worden seien, "bleibe immer etwas hängen". Bereits aus diesen Gründen seien alle 25 ver-zeigten Personen zur Beschwerde legitimiert. Auch die Kostenregelung betreffe ihn konkret und materiell und habe er ein rechtserhebliches Interesse an deren korrekten und adäquaten Erledigung. Wer grundlos und mutwillig Strafanzeigen einreiche, habe die finanziellen Folgen zu verantworten bzw. seien die aus einem mutwilligen Verhalten resultierenden Kosten nicht der Allgemeinheit zu "überbürden". Nicht nur als von der Verfügung vom 27. Juni 2022 direkt Betroffener, sondern auch direkt als Steuerzahler und Staatsbürger habe er ein Recht darauf, dass die durch unsinnige und krass persönlichkeitsverletzende Anzeigen verursachten Kosten vom Verursacher und nicht vom Staat getragen würden. Es gelte, solches Tun nicht durch Kostenbefreiung zu belohnen und müsse er es sich nicht gefallen lassen, dass der Staat durch eine solche Verfahrenserledigung Persönlichkeitsverletzungen Vorschub leiste. Schliesslich ergebe sich seine Legitimation auch aus seinem steuerrechtlichen "Bern-Bezug".
Zusammenfassend verletze die Vorinstanz Verfassungs- und Bundesrecht. Die Nichtbehandlung seiner Beschwerde stelle eine Rechtsverweigerung dar. Durch die gesetzesverletzende Inaktivität und den in Bezug auf seinen Steuerwohnsitz nicht verifizierten Sachverhalt verfalle die Vorinstanz in Willkür. Das Ignorieren des Verursacherprinzips verletze die Strafprozessordnung.
6.
Die Kritik des Beschwerdeführers an der angefochtenen Verfügung erweist sich als unbegründet. Mit seinen Vorbringen vermischt er die Frage der Legitimation gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO mit jener, ob und unter welchen Voraussetzungen vom in Art. 423 StPO statuierten Grundsatz der Kostentragungspflicht durch Bund oder Kanton, der das Verfahren geführt hat, abgewichen werden kann. Ersteres setzt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides - vorliegend des Kostenentscheides der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland - voraus. Zweiteres kann der Beschwerdeführer nur aufwerfen, insoweit er durch den fraglichen Kostenentscheid selbst in seinen eigenen Rechten unmittelbar und direkt betroffen ist, was die Vorinstanz zu Recht verneint. Mithin ist der Beschwerdeführer dadurch, dass mit der Nichtanhandnahmeverfügung vom 27. Juni 2022 die Verfahrenskosten in Anwendung von Art. 423 Abs. 1 StPO dem Kanton Bern auferlegt worden sind, offensichtlich nicht
unmittelbar in seinen Rechten betroffen; auch als Staatsbürger und Steuerzahler ist er hiervon lediglich und höchstens indirekt betroffen, und zwar unabhängig von seinem steuerrechtlichen Wohnsitz. Dasselbe gilt, wenn er eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte geltend macht. Mithin ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Rechte durch den staatsanwaltschaftlichen Kostenentscheid unmittelbar tangiert sein könnten. Auch aus der Anrufung gleich gelagerter Interessen anderer (beanzeigter) Personen und damit anderen Rechtssubjekten zustehender oder die Allgemeinheit betreffender Interessen kann der Beschwerdeführer in Ermangelung persönlicher Interessen keine Beschwerdelegitimation herleiten (BGE 145 IV 161 E. 3.1; 131 IV 191 E. 1.2.1).
Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 42 Abs. 2 BGG schliesslich geltend macht, es handle sich bei der aufgeworfenen Thematik um eine grundsätzliche und damit vom Bundesgericht profund zu behandelnde Frage, lässt er damit einerseits ausser acht, dass die Vorinstanz seine Beschwerdeberechtigung verneint und demnach die von ihm aufgeworfene (materiellrechtliche) Frage nicht zu beantworten hatte. Damit kann diese nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sein, dessen Anfechtungsobjekt einzig die vorinstanzliche Nichteintretensverfügung vom 18. August 2022 ist, die den Streitgegenstand auf die Eintretensfrage beschränkt (vgl. oben E. 4.1). Andererseits und zumindest sinngemäss beruft sich der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation auf Eintretensvoraussetzungen, die u.a die Beschwerde in Zivilsachen (vgl. Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) und die Beschwerde in gewissen öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 83 lit. f Ziff. 2 und Art. 85 Abs. 2 BGG ) betreffen und für die Beschwerde in Strafsachen nicht zur Anwendung gelangen.
Zusammenfassend ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche Nichteintretensverfügung bundes- oder verfassungswidrig sein könnte. Diese ist samt der Art. 428 Abs. 1 StPO folgenden Kostenregelung nicht zu beanstanden.
7.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der verhältnismässig geringe Aufwand ist bei der Bemessung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Dezember 2022
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger