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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 206/02 
 
Urteil vom 7. Februar 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
R.________, 1949, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Christina Ammann, Bahnhofstrasse 12, 8610 Uster 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 28. Mai 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversicherte R.________ (geb. 1949) erlitt am 19. September 1997 eine Luxationsfraktur des rechten Zeigefingers mit Extensorensehnenruptur. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 20. Juli 2000 sprach sie R.________ eine Rente für einen Invaliditätsgrad von 33 1/3 % sowie eine Entschädigung für eine Integritätseinbusse von 20 % zu. Diese Verfügung bestätigte die SUVA mit Einspracheentscheid vom 8. März 2001. 
B. 
Die gegen die Rentenhöhe erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Mai 2002 insofern gut, als es R.________ eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbseinbusse von 55 % zusprach. 
C. 
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
 
R.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen und um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersuchen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 8. März 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar. 
2. 
Wird der Versicherte infolge eines Unfalles invalid, so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG in der vorliegend anwendbaren Fassung). Als invalid gilt, wer voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist (Art. 18 Abs. 2 Satz 1 UVG). Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 UVG). 
3. 
Zu prüfen ist der Invaliditätsgrad. Dabei ist das hypothetische Valideneinkommen im Betrag von Fr. 58'000.- nicht streitig. In Übereinstimmung mit der Vor-instanz, auf deren Erwägungen insoweit verwiesen wird, ist auf die ärztlichen Berichte der Rehabilitationsklinik X.________ und nicht auf das Privatgutachten des Dr. med. I.________, Facharzt FMH für Neurologie, vom 28. Juni 2001 abzustellen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien drehen sich um die Frage, wie die Akten der Rehabilitationsklinik X.________ zu würdigen sind, und welches hypothetische Invalideneinkommen dem Beschwerdegegner noch zuzumuten ist. 
3.1 Gemäss Abschlussbericht der berufsorientierten Ergotherapie an der Rehabilitationsklinik vom 30. März 2000 kann der Versicherte leichte industrielle Tätigkeiten oder eine Anstellung im Dienstleistungsbereich versehen. Er habe jedoch Mühe, an einem Arbeitsplatz mit hoher Kadenz mitzuhalten. Die Arbeitsgeschwindigkeit bei einer Ganztagespräsenz sei, bezogen auf eine leichte Arbeit, um 40 % vermindert. Laut Austrittsbericht vom 12. April 2000 sei die Einsatzfähigkeit der ganzen rechten oberen Extremität deutlich eingeschränkt. Zumutbar seien leichte Arbeiten mit Lastenheben bis 5 kg, vereinzelt bis 10 kg. Die rechte Hand sei als Zudien- und Hilfshand einsetzbar. Feinmotorische Tätigkeiten seien nur eingeschränkt möglich. Überkopfarbeiten, Schläge oder Vibrationen auf die rechte Hand seien zu vermeiden. Es sei ein ganztägiger Einsatz zumutbar. Beim Austritt werde zunächst die vorbestehende Arbeitsunfähigkeit von 50 % weiterhin attestiert. Da die Angaben zur Arbeitsfähigkeit in diesen zwei Berichten voneinander abzuweichen schienen, holte die SUVA eine Erläuterung von Dr. med. T.________, FMH Orthopädische Chirurgie an der Rehabilitationsklinik X.________, vom 21. Februar 2001 ein. Demnach beziehe sich die 40 %ige Reduktion der Leistungsfähigkeit gemäss Bericht der Ergotherapie auf einen leichten Arbeitsplatz mit hoher Kadenz, die Einschätzung im Austrittsbericht hingegen auf eine Stelle, an welcher der Versicherte ganztags ohne Einschränkung arbeiten könne. 
3.2 Auf Grund dieser Angaben ist erstellt, dass dem Beschwerdegegner an sich ein ganztägiger Einsatz zuzumuten ist. Fraglich ist einzig, welche Leistung er dabei zu erbringen vermag. Die Passage über die Einschränkung von 40 % gemäss Bericht der Ergotherapie ist im Kontext mit dem gesamten Abschnitt des Berichts zu lesen. Daraus erhellt, dass sie sich lediglich auf Arbeiten mit hoher Kadenz bezieht. Ob und inwieweit der Versicherte an einem konkreten Arbeitsplatz eingeschränkt wird, hängt demnach davon ab, wie stark eine Tätigkeit die beeinträchtigte rechte Hand beansprucht. Je besser die betreffende Arbeit den dem Beschwerdegegner verbliebenen Möglichkeiten angepasst ist, desto weniger fällt seine Leistung im Vergleich zu gesunden Arbeitskollegen ab; je höher umgekehrt die Kadenz an einem Arbeitsplatz ist, desto eher zeigt sich seine Benachteiligung. Bei hoher Kadenz kann das Leistungsvermögen im schlechtesten Fall bis zu 40 % hinter demjenigen eines Gesunden zurückbleiben. Demzufolge kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, welche die genannte Einschränkung bei sämtlichen in Frage kommenden Tätigkeiten in Anschlag stellte. Solches ginge nur an, wenn der Versicherte in allen zumutbaren Tätigkeiten, und nicht bloss in solchen mit hoher Kadenz, zu 40 % weniger leistungsfähig wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt existieren eine Vielzahl leichter Tätigkeiten, bei welchen die rechte Hand nicht mit hoher Kadenz belastet wird, beispielsweise bei Kontrollarbeiten. Vom Beschwerdegegner darf im Rahmen der ihm obliegenden Schadenminderungspflicht erwartet werden, dass er eine Arbeit ausübt, in welcher die Einschränkung in Bezug auf die Kadenz möglichst wenig ins Gewicht fällt. Daher rechtfertigt es sich nicht, beim hypothetischen Invalideneinkommen generell eine Leistungsfähigkeit von nur 60 % anzunehmen und die Löhne in allen Verweisungstätigkeiten gleichermassen um 40 % zu reduzieren. 
3.3 Nach dem Gesagten ist der von der Vorinstanz ermittelte Invaliditätsgrad von 55 % zu hoch. Dies erhellt im Übrigen auch aus einem Vergleich mit den Tabellenlöhnen gemäss den Schweizerischen Lohnstrukturerhebungen (LSE): Das von der Vorinstanz noch als zumutbar erachtete hypothetische Valideneinkommen liesse sich nur dadurch errechnen, dass in den Verweisungstätigkeiten eine leistungsbedingte Einschränkung von 40 % angenommen und zusätzlich der Maximalabzug von 25 % gewährt würde. Dies geht jedoch zu weit, nachdem das Leistungsvermögen von 60 % bei hoher Kadenz bereits dem für den Versicherten ungünstigsten Fall entspricht und sich somit keine darüber hinausgehende Reduktion rechtfertigt. In besser angepassten Arbeiten kann der Beschwerdegegner mehr leisten. Daher ist der von der SUVA ermittelte Invaliditätsgrad von 33 1/3 % zu bestätigen, da dieser den gesundheitlichen Einschränkungen des Versicherten angemessen Rechnung trägt: er geht von einer vollen Leistungsfähigkeit in einer den Leiden des Versicherten angepassten Tätigkeiten aus, berücksichtigt aber mit einem Abzug von 10 % eine allfällige behinderungsbedingte Minderleistung. Hiezu kann auf die zutreffenden Erwägungen im Einspracheentscheid verwiesen werden. 
4. 
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Der unterliegende Beschwerdegegner hat die unentgeltliche Verbeiständung beantragt. Diese kann gewährt werden, wenn unter anderem die Bedürftigkeit der antragstellenden Person ausgewiesen ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a). 
4.1 Die Bedürftigkeit als eine der Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung, wie sie Art. 108 Abs. 1 lit. f UVG zu Grunde liegt, ist gleich zu verstehen wie der Begriff der Bedürftigkeit im Sinne von Art. 152 Abs. 1 OG (RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 154, 1996 Nr. U 254 S. 208 Erw. 2; SVR 1998 UV Nr. 11 S. 31 Erw. 4b). Als bedürftig gilt danach eine Person, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, derer sie zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und ihre Familie bedarf, wobei die Einkommens- und die Vermögensverhältnisse in Betracht zu ziehen sind (BGE 127 I 205 Erw. 3b, 125 IV 164 Erw. 4a, 124 I 98 Erw. 3b) und das Einkommen beider Ehegatten zu berücksichtigen ist (BGE 115 Ia 195 Erw. 3a, 108 Ia 10 Erw. 3; RKUV 1996 Nr. U 254 S. 209 Erw. 2). Die Grenze für die Annahme von Bedürftigkeit im Sinne der Regeln über die unentgeltliche Rechtspflege liegt höher als diejenige des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Bei der Prüfung der prozessualen Bedürftigkeit geht es um die Frage, ob und inwieweit einer Partei zugemutet werden kann, zur Wahrung ihrer Interessen neue Verpflichtungen einzugehen oder entsprechende Verfügungen treffen zu müssen. Wohl dürfen von der das Gesuch stellenden Person gewisse Opfer verlangt werden; sie soll aber nicht gezwungen werden, sich in eine Notlage zu begeben und die für den Prozess notwendigen Mittel dadurch zu beschaffen, dass sie anderen dringenden Verpflichtungen nicht nachkommt. Für die Annahme der prozessualen Bedürftigkeit genügt es, dass die gesuchstellende Person nicht über mehr Mittel verfügt, als zur Bestreitung eines normalen, bescheidenen Familienunterhalts nötig sind. Dabei sind die gesamten finanziellen Verhältnisse ausschlaggebend (RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 155 Erw. 2, 1996 Nr. U 254 S. 208 Erw. 2; vgl. auch BGE 124 I 2 Erw. 2a). 
4.2 Der Beschwerdegegner gibt an, monatlich über ein Einkommen von Fr. 4780.- zu verfügen. Diesem Betrag stehen, soweit belegt, Ausgaben für den Mietzins in der Höhe von Fr. 1560.- sowie Krankenkassenprämien für sich und seine Ehefrau von total Fr. 494.80 (inbegriffen Fr. 52.- für Zusatzversicherungen) gegenüber. Auch wenn zusätzlich der Notbedarf und ein prozessualer Zuschlag in Rechnung gestellt werden, ist auf der andern Seite zu berücksichtigen, dass er gemäss Angaben des Gemeindesteueramtes Y.________ vom 13. August 2002 im Jahr 2001 ein Vermögen von Fr. 41'000.- versteuerte, das nach Angabe in der Vernehmlassung vom 29. August 2002 noch vorhanden ist. Unter diesen Umständen ist die Bedürftigkeit des Beschwerdegegners nicht ausgewiesen, weshalb ihm die unentgeltliche Verbeiständung letztinstanzlich nicht gewährt werden kann. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Mai 2002 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 7. Februar 2003 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: