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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_25/2018  
 
 
Urteil vom 7. Februar 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Chaix, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokatin Elisabeth Joller, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts Basel-Stadt, Präsidentin, vom 19. Dezember 2017 (SB.2017.28). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führte eine Strafuntersuchung gegen den algerischen Staatsangehörigen A.________. Dieser befand sich seit dem 12. März 2016 in Untersuchungshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug. 
Am 14. Dezember 2016 sprach das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt A.________ schuldig der versuchten schweren Körperverletzung, der Drohung, des rechtswidrigen Aufenthalts, der mehrfachen Missachtung der Ausgrenzung, der Hinderung einer Amtshandlung sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes und verurteilte ihn zu 21 Monaten Freiheitsstrafe, unter Einrechnung der Untersuchungshaft und des vorläufigen Strafvollzugs, sowie zu einer Geldstrafe und einer Busse; dies teilweise als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Das Strafgericht schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf und ordnete eine stationäre psychiatrische Behandlung an. 
Dagegen erhoben A.________ Berufung und die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. 
Am 5. Oktober 2017 bewilligte die Präsidentin des Appellationsgerichts A.________ den vorläufigen Massnahmenvollzug. 
Am 7. Dezember 2017 verurteilte das Appellationsgericht A.________ wegen der gleichen Delikte wie das Strafgericht ebenfalls zu 21 Monaten Freiheitsstrafe, unter Einrechnung der Untersuchungshaft und des vorläufigen Strafvollzugs. Auch das Appellationsgericht schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf und ordnete eine stationäre psychiatrische Behandlung an. Es erachtete es als erwiesen, dass A.________ am 30./31. Dezember 2015 jemanden mit einem vorgehaltenen Messer bedroht und am 12. März 2016 jemandem ohne Vorwarnung mit einem Messer eine erhebliche Schnittwunde zugefügt hatte. 
 
B.   
Am 13. Dezember 2017 ersuchte A.________ um Entlassung aus dem vorläufigen Massnahmenvollzug. 
Am 19. Dezember 2017 wies die Appellationsgerichtspräsidentin das Gesuch ab und ordnete gestützt auf BGE 143 IV 160 E. 2.3 (S. 163 ff.) bis zur Feststellung der Rechtskraft des Urteils Sicherheitshaft an. Die Appellationsgerichtspräsidentin bejahte nebst dem dringenden Tatverdacht Flucht- und Wiederholungsgefahr. Die Haft beurteilte sie als verhältnismässig. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung der Appellationsgerichtspräsidentin vom 19. Dezember 2017 aufzuheben und ihn unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
 
D.   
Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
Die Appellationsgerichtspräsidentin beantragt unter Hinweis auf ihre Verfügung vom 19. Dezember 2017 die Abweisung der Beschwerde. 
A.________ hat dazu keine Stellung genommen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Sachurteilsvoraussetzungen gemäss Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Sicherheitshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und unter anderem Fluchtgefahr (lit. a) oder Wiederholungsgefahr (lit. c) besteht.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er macht geltend, es bestehe keine Fluchtgefahr.  
Die Vorinstanz bejaht nicht nur Flucht-, sondern überdies Wiederholungsgefahr. Dass es an Letzterer fehle, macht der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend. Er ist mehrfach und einschlägig vorbestraft. Dass er am 30./31. Dezember 2015 ein Taschenmesser geöffnet und am 12. März 2016 das Opfer mit einem solchen verletzt hat, stellt er nicht in Abrede. Dr. med. Karen Fürstenau verfasste am 29. November 2016 ein psychiatrisches Gutachten über ihn. Sie kommt zum Schluss, das Risiko für ein erneutes gewalttätiges Verhalten sei hoch (S. 35 und 38). Am 14. November 2017 erstattete Dr. med. Michael Schlichting ein Obergutachten. Auch er hält dafür, beim Beschwerdeführer bestehe ein hohes Risiko für erneute störungsbedingte Straftaten. Die Kriminalprognose auch für erneute Gewalthandlungen müsse als ausgesprochen ungünstig eingeschätzt werden (S. 59 und S. 63/64). Angesichts dessen hat die Vorinstanz Wiederholungsgefahr ohne Bundesrechtsverletzung bejaht. Da ein einziger Haftgrund für die Inhaftierung genügt, kann offen bleiben, ob zusätzlich Fluchtgefahr gegeben sei. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, seine weitere Inhaftierung sei unverhältnismässig.  
 
3.2. Zwar ist einzuräumen, dass die ihm auferlegte Freiheitsstrafe von 21 Monaten unter Einrechnung des bereits erlittenen strafprozessualen Freiheitsentzugs am 12. Dezember 2017 verbüsst war. Dies ist hier jedoch nicht entscheidend. Aufgrund des appellationsgerichtlichen Urteils, welches das strafgerichtliche bestätigte, muss der Beschwerdeführer ernsthaft mit einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) rechnen. In einem derartigen Fall ist nach der Rechtsprechung der Freiheitsentzug verhältnismässig, wenn der gesamte Vollzug der Massnahme deutlich länger dauern könnte als die bisherige strafprozessuale Haft (BGE 126 I 172 E. 5e S. 178).  
 
3.3. Gemäss Art. 59 Abs. 4 StGB beträgt der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen oder Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen.  
Nach der Diagnose von Dr. Schlichting litt der Beschwerdeführer zu den Tatzeiten an einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Zudem habe der Beschwerdeführer einen schädlichen Gebrauch von Alkohol und Kokain betrieben. Die psychotische Grunderkrankung (mit instabilem Verlauf und fluktuierender psychopathologischer Symptomatik) sei klinisch als mittelschwer einzuschätzen und entspreche aus forensisch-psychiatrischer Sicht einer psychischen Störung von erheblicher Schwere (S. 62). Mit raschen Erfolgen der Therapie des Beschwerdeführers darf angesichts dieses gutachterlichen Befunds nicht gerechnet werden, zumal der Beschwerdeführer die Notwendigkeit seiner Behandlung nicht einsieht und Schwierigkeiten der sprachlichen Verständigung mit ihm dazukommen. Der Vollzug der Massnahme könnte daher deutlich länger dauern als die bisher erstandene Haft. Der Beschwerdeführer stellt das auch nicht substanziiert in Abrede. 
 
3.4. Er bringt vielmehr vor, die weitere Aufrechterhaltung der Haft sei unzweckmässig und damit unverhältnismässig, weil er keine realistische Aussicht auf einen Therapieplatz habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Frau Dr. Fürstenau führt aus, der Beschwerdeführer spreche etwas französisch und weniger gut deutsch. Angesichts der Diagnose einer schweren psychischen Störung sollte die Massnahme in einer psychiatrischen Klinik vollzogen werden, z.B. der UPK Basel. Günstig wäre selbstverständlich ein französischsprachiger Arzt oder Therapeut. Gegebenenfalls müsste man einen Dolmetscher beiziehen (S. 35/36). Für die festgestellte psychische Störung sowie den schädlichen Gebrauch psychotroper Substanzen gebe es Behandlungskonzepte (S. 38). Dr. Schlichting legt dar, sowohl für die beim Beschwerdeführer festgestellte paranoide Schizophrenie als auch für seine Neigung zum schädlichen Substanzgebrauch existierten erprobte und effiziente psychiatrische und suchttherapeutische Behandlungsverfahren (S. 64). Weshalb diese dem Beschwerdeführer in der Schweiz nirgends geboten werden können sollten, ist nicht erkennbar. Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, wird die Vollzugsbehörde, falls die Unterbringung in einer deutschschweizerischen Klinik wegen der mangelhaften Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers nicht möglich sein sollte, die Suche nach einem geeigneten Therapieplatz auf die französischsprachige Schweiz auszudehnen haben. Erst wenn sich als sicher erweisen sollte, dass dem Beschwerdeführer trotz intensiver Suche nach einem Therapieplatz die nötige Behandlung in der Schweiz nirgends geboten werden kann, wäre seine weitere Belassung in Haft als unverhältnismässig anzusehen. So verhält es sich nicht. Falls es - wie der Beschwerdeführer vorbringt - zutreffen sollte, dass die UPK Basel seine Aufnahme abgelehnt hat, bedeutet das noch nicht, dass in der ganzen Schweiz für ihn kein geeigneter Therapieplatz gefunden werden kann.  
 
3.5. Die Beschwerde ist demnach auch im vorliegenden Punkt unbegründet.  
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer ersucht sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gemäss Art. 64 BGG. Von seiner Bedürftigkeit ist auszugehen. Da die Haft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird deshalb bewilligt. Es werden keine Gerichtskosten erhoben und der Anwältin des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Der Vertreterin des Beschwerdeführers, Advokatin Elisabeth Joller, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Februar 2018 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri