Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_462/2021
Urteil vom 7. Februar 2022
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas,
Gerichtsschreiber Gross.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwälte
Prof. Dr. Felix Dasser und Okan Uzun,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthew Reiter und Rechtsanwältin Dr. Sibylle Kuntschen, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit,
Beschwerde gegen den Endschiedsspruch des Schiedsgerichts mit Sitz in Basel vom 15. Juli 2021 (Nr. 100020-2017).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine türkische Gesellschaft, die im Handel mit chemischen Produkten verschiedener Anbieter für die Textilverarbeitung tätig ist bzw. war. B.________ (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist eine türkische Tochtergesellschaft der amerikanischen B.________-Gruppe mit weltweit über 250 Tochtergesellschaften, die unter anderem Farben und Chemikalien für die Textilindustrie herstellt.
A.b. Die Klägerin war über viele Jahre nicht-exklusive Vertreiberin für Produkte der Beklagten in der Türkei. Der Hauptteil der Verkäufe der Beklagten lief über sie. 2014 war die Klägerin im Gespräch mit einem japanischen Farbproduzenten über eine Zusammenarbeit inklusive der Produktion von Textilfarben in der Türkei und anderen Ländern. Die Beklagte betrachtete dies als mögliche Gefahr und ging deshalb auf die Klägerin zu und schlug ihr ein Joint Venture vor. Am 27. April 2015 schlossen die Parteien ein Joint Venture Agreement (nachfolgend: JVA) ab. Sie einigten sich, eine gemeinsame Tochtergesellschaft, C.________, zu gründen. Diese wurde am 30 Juni 2016 im Handelsregister eingetragen. Ihr Geschäftsbereich wurde in Ziffer 2.1 des JVA wie folgt umschrieben:
"The Company is to own and carry on the Business in the Territory and the Shareholders must procure that the Company does not carry on any other business apart from the Business, unless otherwise approved by the Shareholders. Within the scope of the Business:
(a) The Company will formulate, market and sell the following textile dyes and chemicals in the Territory (JV Products) :
- (i) X.________® P liquid;
- (ii) Y.________® liquid;
- (iii) Z.________® liquid;
- (iv) FDC textile chemicals (FDC Chemicals);
- (v) purchase-for-resale textile chemicals and/or dyes, (PFRs) as agreed by B.________ and A.________, from time to time; and
- (vi) any additional products to be decided by the Board (including inks).
The Company will formulate the textile dyes products at the U.________ Facility and textile chemical products at the V.________ Facility. The Company will market and sell the JV Products under B.________'s brand under a non-exclusive trademark license granted pursuant to a Licensing Agreement.
Notwithstanding the above, and for the avoidance of doubt, the focus of the Company shall be on FDC Chemicals, X.________®, Y.________® and Z.________®.
(...)
(...)
(c) The Company will be appointed as the exclusive agent for the B.________ Direct Sales business in the Territory with a commission of 7.5 % against net sales. The percentage of the commission will be adjusted from time to time having regard to the cost to serve and the value of the B.________ Direct Sales (...) ".
A.c. Das JVA enthält in Ziffer 25 folgende Schiedsklausel:
"Any dispute will be submitted to arbitration in accordance with the Swiss Rules of International Arbitration of the Swiss Chambers' Arbitration. The arbitration will be held in Basel, Switzerland. The arbitral tribunal shall consist of 3 arbitrators. The arbitration shall be conducted in English."
A.d. Das Joint Venture entwickelte sich nicht wie erwartet. Im September 2017 kündigte die Klägerin das JVA wegen Vertragsbruchs der Beklagten und verlangte Schadenersatz. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, es sei vielmehr die Klägerin gewesen, die ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten habe.
B.
B.a. Am 25. Oktober 2017 leitete die Klägerin ein Schiedsverfahren nach den Swiss Rules of International Arbitration (2012) der Swiss Chambers' Arbitration Institution (nachfolgend: Gerichtshof) gegen die Beklagte und B.________ Singapur ein. Sie beantragte im Wesentlichen, es sei kostenfällig festzustellen, dass die Beklagten ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt hätten und die Klägerin das JVA rechtsgültig beendet habe. Die Beklagten seien zu verpflichten, der Klägerin wegen Vertragsverletzung einen (vorläufig) geschätzten Schadenersatz von USD 21'000'000 (später erhöht auf USD 22'140'000) zu bezahlen.
B.b. Am 27. Februar 2018 wurden die beiden Co-Schiedsrichter durch den Gerichtshof bestimmt und am 23. Mai 2018 die Vorsitzende. Keine der Parteien erhob Einwände gegen die Mitglieder des Schiedsgerichts.
B.c. B.________ Singapur bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Mit Entscheid vom 21. Juni 2019 verneinte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit in Bezug auf B.________ Singapur und bestätigte sie hinsichtlich der Beklagten. Die Parteien fochten diesen Entscheid nicht an.
B.d. Mit Klageantwort und Widerklage vom 25. September 2019 beantragte die Beklagte im Wesentlichen, die Klagebegehren seien kostenfällig abzuweisen. Es sei widerklageweise festzustellen, dass das JVA zwischen den Parteien beendet worden sei und die Klägerin dessen Art. 2.3 (a) verletzt habe. Gestützt darauf sei die Klägerin zu verpflichten, der Beklagten USD 960'000.-- nebst Zins zu bezahlen (später eventualiter erhöht auf USD 1'660'000.-- bzw. 2'570'000.--). Die Klägerin trug auf Abweisung der Widerklage an.
B.e. Es folgten weitere Eingaben der Parteien. Vom 19. bis zum 24. Oktober 2020 fand die Beweisverhandlung in der Sache (Evidentiary Hearing) statt, die online (remotely) durchgeführt wurde.
B.f. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 bestätigte das Schiedsgericht den Parteien, ihre Kostennoten erhalten zu haben und ergänzte, es werde das Verfahren zu gegebener Zeit abschliessen.
B.g. Am 13. April 2021 wies die Klägerin auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage hin und erkundigte sich, wann die Parteien mit dem Entscheid rechnen könnten. Das Schiedsgericht antwortete, es sei sich des Zeitplans bewusst, es arbeite am Entscheid und gehe davon aus, dass das Verfahren bis zum Sommer abgeschlossen werden könne.
B.h. Mit Schreiben vom 22. Juni 2021 schloss das Schiedsgericht das Verfahren entsprechend Art. 29 der Swiss Rules.
B.i. Mit Endschiedsspruch (Final Award) vom 15. Juli 2021 wies das Schiedsgericht sowohl Klage wie Widerklage ab und verpflichtete die Klägerin, der Beklagten eine Parteientschädigung von USD 1'115'443.40 zu bezahlen. Das Schiedsurteil erging als Mehrheitsentscheid.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14. September 2021 beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es seien unter Kostenfolge die Ziffern 1, 2, 5 und 6 des Endschiedsspruchs aufzuheben und die Befangenheit von lic. iur. D.________ (nachfolgend: die Vorsitzende) und von Prof. Dr. E.________ (nachfolgend: Schiedsrichter E.________) (Ziff. 1) - eventualiter (nur) der Vorsitzenden (Ziff. 2) - festzustellen und die Sache an das Schiedsgericht in Neubesetzung ohne die Beteiligung der Vorsitzenden und Schiedsrichter E.________ (Ziff. 1) - eventualiter ohne die Beteiligung der Vorsitzenden (Ziff. 2) - zur Neuentscheidung zurückzuweisen. Eventualiter seien die Ziffern 1, 2, 5 und 6 des Endschiedsspruchs aufzuheben und die Sache zur Neuentscheidung an das Schiedsgericht zurückzuweisen (Ziff. 3). Die Beschwerdegegnerin trägt auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde an. Mit Eingabe vom 8. November 2021 wies das Schiedsgericht - und die Vorsitzende spezifisch in Bezug auf die gegen sie erhobenen Befangenheitsvorwürfe - diese zurück.
Die Parteien replizierten und duplizierten unaufgefordert. Auch die Vorsitzende liess sich mit Eingabe vom 9. Dezember 2021 noch einmal vernehmen.
Erwägungen:
1.
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache abgefasst (hier in Englisch), bedient sich das Bundesgericht praxisgemäss der von den Parteien verwendeten Amtssprache (BGE 142 III 521 E. 1). In der Beschwerde wird die deutsche Sprache verwendet, weshalb der Entscheid in Deutsch ergeht.
2.
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG).
2.1. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Basel. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin haben ihren Sitz ausserhalb der Schweiz (Art. 176 Abs. 1 IPRG). Da die Parteien die Geltung des 12. Kapitels des IPRG nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, gelangen die Bestimmungen dieses Kapitels zur Anwendung (Art. 176 Abs. 2 IPRG). In der Sache ist türkisches Recht anwendbar.
2.2. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind (BGE 134 III 186 E. 5; 128 III 50 E. 1a; 127 III 279 E. 1a). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134 III 565 E. 3.1; 119 II 380 E. 3b).
2.3. Die Beschwerde in Zivilsachen im Sinne von Art. 77 Abs. 1 BGG ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur, d.h. sie kann nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 107 Abs. 2 BGG ausschliesst, soweit dieser dem Bundesgericht erlaubt, in der Sache selbst zu entscheiden). Soweit der Streit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder dessen Zusammensetzung betrifft, gilt davon eine dahingehende Ausnahme, dass das Bundesgericht selber die Zuständigkeit oder die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellen bzw. über die Ablehnung des betreffenden Schiedsrichters befinden kann (BGE 136 III 605 E. 3.3.4 mit Hinweisen).
2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde liegt, als auch jene über den Ablauf des schiedsgerichtlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt, zu dem namentlich die Anträge der Parteien, ihre Tatsachenbehauptungen, rechtlichen Erörterungen, Prozesserklärungen und Beweisvorbringen, der Inhalt einer Zeugenaussage, einer Expertise oder die Feststellungen anlässlich eines Augenscheins gehören (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Allerdings kann das Bundesgericht die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids überprüfen, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden (BGE 138 III 29 E. 2.2.1; 134 III 565 E. 3.1; 133 III 139 E. 5; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im schiedsgerichtlichen Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (vgl. BGE 115 II 484 E. 2a; 111 II 471 E. 1c; je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 140 III 86 E. 2).
3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine vorschriftswidrige Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG). Den Hauptantrag auf Abberufung der Vorsitzenden sowie von Schiedsrichter E.________ begründet sie mit derart gravierenden Fehlern in der Begründung des Entscheids, dass objektive Zweifel an der Unbefangenheit dieser Schiedsrichter geweckt würden.
3.1.
3.1.1. Wie ein staatlicher Richter hat auch ein Schiedsrichter hinreichende Gewähr hinsichtlich seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu bieten. Fehlt es einem Schiedsgericht an Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit, ist es als vorschriftswidrig zusammengesetzt bzw. der betroffene Einzelschiedsrichter als vorschriftswidrig ernannt im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG zu betrachten. Zur Beurteilung, ob ein Schiedsrichter diesen Anforderungen genügt, ist auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze abzustellen, die für staatliche Gerichte entwickelt worden sind, ohne jedoch bei der Beurteilung des Einzelfalls die Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit - namentlich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - aus den Augen zu verlieren (BGE 147 III 379 E. 2.3.1; 142 III 521 E. 3.1.1; 136 III 605 E. 3.2.1; 129 III 445 E. 3.3.3).
3.1.2. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 142 III 732 E. 4.2.2; 140 III 221 E. 4.1; 139 III 120 E. 3.2.1, 433 E. 2.1.2).
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 147 III 379 E. 2.3.1; 89 E. 4.1; 144 I 159 E. 4.3; 142 III 521 E. 3.1.1; 140 III 221 E. 4.1; 139 III 433 E. 2.1.2).
3.2. Das Bundesgericht legt der Beurteilung einer angeblichen Voreingenommenheit eines Schiedsrichters einen strengen Massstab zugrunde. Prozessuale Fehler oder ein falscher materieller Entscheid genügen nicht, um den Anschein der Befangenheit zu begründen. Anders verhält es sich nur, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Richterpflichten darstellen und auf eine Absicht der Benachteiligung einer Prozesspartei schliessen lassen (BGE 125 I 119 E. 3e; 116 Ia 135 E. 3a; 115 Ia 400 E. 3b; Urteile 4A_604/2020 vom 18. Mai 2021 E. 5.3; 4A_236/2017 vom 24. November 2017 E. 3.3; 4A_704/2015 vom 16. Februar 2017 E. 3.1; 4A_606/2013 vom 2. September 2014 E. 5.3). Diese letzte Ausnahme darf nicht verallgemeinert werden, ansonsten das System der Rügegründe gegen Entscheide in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit völlig umgestossen würde. Sie kann nicht dazu dienen, tatsächliche Feststellungen oder rechtliche Würdigungen im angefochtenen Entscheid zu kritisieren oder einer Partei, die sich nicht mit Erfolg auf die Gründe gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. b bis e IPRG berufen kann, zu ermöglichen, die Aufhebung eines Entscheids gestützt auf Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG zu erreichen (zit. Urteile 4A_704/2015 E. 3.1 und 4A_606/2013 E. 5.3).
3.2.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich nicht auf prozessuales Fehlverhalten. Vielmehr rügt sie Fehler in der materiellen Begründung. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet, scheitern verschiedene ihrer Vorwürfe bereits daran, dass die entsprechenden Ausführungen im Schiedsentscheid auch vom dritten, von ihr nominierten Schiedsrichter, Prof. F.________ (nachfolgend: Schiedsrichter F.________), mitgetragen wurden, dem die Beschwerdeführerin keine Voreingenommenheit vorwirft. So verhält es sich betreffend die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte angeblich willkürliche Unterscheidung zwischen gleichwertigen Produktgruppen (den Liquid Dyes bzw. den FDC Chemicals) und den - für den Entscheid des Schiedsgerichts aufgrund seiner eigenen Feststellungen ohnehin nicht entscheidrelevanten - Ausführungen zu den angeblich gefälschten "Meeting Minutes", der sog. "Verniedlichung der Folgen [des Scheiterns des Joint Ventures] für die Parteien" und der fehlenden weiteren Abklärung durch das Schiedsgericht anlässlich der Beweisverhandlung. Schiedsrichter F.________ hielt in seiner Dissenting Opinion vielmehr ausdrücklich fest: "Apart from the issues I shall refer to in this Dissenting Opinion, I declare concurrence with the other articles in the Award, which are unaddressed herein" (Rz. 1).
3.2.2. In diesem Sinn nicht einverstanden erklärte er sich mit der Auslegung der Mehrheit zu Ziffer 2.1 (c) JVA, wonach die Nicht-Anpassung der Agentur-Kommission von 7,5 % keine Vertragsverletzung seitens der Beschwerdegegnerin darstelle und insbesondere der Verneinung eines Schadenersatzanspruchs, nachdem das Schiedsgericht festgestellt hatte, dass die Beschwerdegegnerin ihre vertragliche Verpflichtung hinsichtlich der Produktion von "Liquid Dyes" verletzt hat und die Beschwerdeführerin daher zur Kündigung des JVA berechtigt gewesen ist.
Die Beschwerdeführerin begründete ihren Schadenersatzanspruch mit entgangenem Gewinn - konkret dem Wertverlust - auf den von ihr gehaltenen Aktien an C.________ als Folge der verfrühten Vertragsbeendigung; zur Bestimmung des hypothetischen Werts der Aktien könne auf die im ersten Businessplan enthaltenen Prognosen ("projections") abgestellt werden. Das Schiedsgericht erachtete den von der Beschwerdeführerin zu erbringenden Nachweis eines Schadens von USD 21 Mio. als nicht erbracht. Dies einerseits, weil ein Businessplan nach allgemeinem Verständnis keine bindende Wirkung habe und überdies weitere wirtschaftliche Faktoren eine Rolle für den Wertverlust gespielt haben könnten. Sodann setze die Begründung der Beschwerdeführerin voraus, dass sie ihren Aktienanteil an C.________ an einen Dritten hätte verkaufen können und wollen; es sei jedoch unmöglich zu bestimmen, zu welchem Wert dies geschehen wäre. Eine abstrakte Bewertung der Aktien, ohne dass ein Käufermarkt bestehe und ohne dass die Beschwerdeführerin gewillt und in der Lage sei, zu verkaufen, erlaube es nicht, einen möglichen Schaden zu bestimmen. Die Anforderungen an den Nachweis des entgangenen Gewinns, wie er vom Bundesgericht umschrieben werde - nämlich dass es sich um einen üblichen oder sonstwie in Aussicht gestellten Gewinn handle ("the profit must be customary or otherwise certain in prospect") - seien daher nicht erfüllt. Zudem habe die Beschwerdeführerin den Kausalzusammenhang nicht substanziiert und nachgewiesen.
Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, das Schiedsgericht gehe mit dieser Begründung von einem falschen Schadenbegriff aus und verneine damit schlicht die Existenz von Buchverlusten. Ausserdem habe es jeden Hinweis auf die Möglichkeit der Schadenschätzung unterlassen, die nach türkischem Recht analog Art. 42 Abs. 2 OR bestehe. Die abweichende Auffassung von Schiedsrichter F.________ in seiner Dissenting Opinion konzentriert sich ebenfalls auf den Schadenbegriff und die unterlassene Schadenschätzung. Bereits dies belegt, dass die Vorbringen der Beschwerdeführerin bloss appellatorische Kritik sind, weil sie der Beurteilung des Schadenersatzanspruchs im Ergebnis nicht folgen kann. Sie legt damit nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die angeblichen Fehler im Schiedsentscheid derart krass sein sollen, dass daraus auf eine Absicht der Benachteiligung einer Prozesspartei geschlossen werden könnte.
4.
Die Befangenheit der Vorsitzenden begründet die Beschwerdeführerin mit deren Wechsel von ihrer früheren Kanzlei in die Anwaltskanzlei G.________ AG (G.________), zu deren Klienten auch die B.________-Gruppe als "key client" in den beiden Bereichen Litigation und Arbitration gehöre.
4.1. Im Einzelnen macht sie geltend, am 1. September 2021 habe G.________ per E-Mail eine Mitteilung versandt, wonach die Vorsitzende gleichentags als Partnerin in die Kanzlei eingetreten sei. Es sei aber davon auszugehen, dass der Wechsel schon lange vorher festgelegt worden sei. So habe die Vorsitzende in mindestens einem anderen Schiedsfall bereits am 18. Juni 2021 den Beteiligten unter der Auflage der Verschwiegenheit den Wechsel angekündigt; dies mit dem ausdrücklichen Hinweis "[b]itte Konflikte vermeiden". An der nachfolgenden Case Management Conference vom 28. Juni 2021 in diesem anderen Schiedsfall habe die Vorsitzende zu Protokoll gegeben, sie habe ihrerseits keine Konflikte festgestellt. Die Vorsitzende habe also spätestens in diesem Zeitpunkt Einblick in die Klientenliste von G.________ gehabt. Damit sei erstellt, dass die Vorsitzende spätestens am 18. Juni 2021 bei G.________ unter Vertrag gewesen sei; sehr wahrscheinlich schon früher, da solche Verträge notorisch eine lange Vorbereitungszeit hätten. Die Vorsitzende hätte spätestens im Juni diese Information offenlegen müssen. Nachdem sie im erwähnten andern Verfahren den Wechsel mitgeteilt habe, sei davon auszugehen, dass die Mitteilung vorliegend bewusst nicht erfolgt sei, um einen Rücktritt kurz vor Beendigung des Schiedsverfahrens zu vermeiden. Allein diese bewusste Verletzung der Offenlegungspflicht lasse die Vorsitzende als befangen erscheinen. Unabhängig davon müsse der Vorsitzenden die Beziehung zwischen G.________ und der B.________-Gruppe schon länger bekannt gewesen sein. Deren Zusammenarbeit bestehe seit 2004 und der verantwortliche Unternehmensjurist von B.________ in W.________ sei ein ehemaliger Mitarbeiter von G.________. Dieser und die Vorsitzende hätten zwischen 2007 und 2009 beide bei G.________ gearbeitet. Ohnehin müsse der Vorsitzenden aufgrund ihrer früheren fünfjährigen Tätigkeit bei G.________ bekannt gewesen sein, dass die B.________-Gruppe Klientin von G.________ sei.
4.2. Das Bundesgericht hatte sich wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen ein nebenamtlicher Richter (oder Schiedsrichter) wegen seiner hauptamtlichen Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit einer Prozesspartei besonders verbunden war. Nach ständiger Rechtsprechung erscheint ein als Richter amtender Anwalt als befangen, wenn zu einer Partei ein noch offenes Mandat besteht oder er für eine Partei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig geworden ist, dass zwischen ihnen eine Art Dauerbeziehung besteht. Das gilt unabhängig davon, ob das Mandat in einem Sachzusammenhang mit dem zu beurteilenden Streitgegenstand steht oder nicht (BGE 147 III 89 E. 4.2.2 mit Hinweisen; Urteil 4A_404/2021 vom 24. Januar 2022 E. 5.2.2.2).
Ein Anschein der Befangenheit ergibt sich nach der Rechtsprechung auch daraus, dass nicht der nebenamtliche Richter (oder Schiedsrichter) selbst, sondern ein anderer Anwalt seiner Kanzlei ein Mandat mit einer Prozesspartei unterhält bzw. kurz zuvor oder im Sinn eines Dauerverhältnisses mehrmals unterhalten hat. Der Mandant erwartet nicht nur von seinem Ansprechpartner innerhalb der Anwaltskanzlei, sondern von deren Gesamtheit, Solidarität. Die einheitliche Betrachtung entspricht auch dem anwaltlichen Berufsrecht, das im Hinblick auf einen Interessenskonflikt alle in einer Kanzleigemeinschaft zusammengefassten Anwälte wie einen Anwalt behandelt (BGE 147 III 89 E. 4.2.3; 140 III 221 E. 4.3.2; 139 III 433 E. 2.1.5; zit. Urteil 4A_404/2021 E. 5.2.2.2).
4.3. Die Beschwerdeführerin vermag mit ihren Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass es der Vorsitzenden an der erforderlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefehlt hätte. Nicht entscheidend ist zwar der Einwand der Vorsitzenden, wonach die gesamte Entschädigung aus der vorliegenden Schiedsrichtertätigkeit ihrer früheren Anwaltskanzlei zugeflossen sei. Denn entgegen der Beschwerdegegnerin kann eine Befangenheit bzw. ein Anschein der Befangenheit auch bestehen, wenn aufgrund der Umstände der Eindruck entsteht, ein Schiedsrichter könne im Hinblick auf seine künftige Tätigkeit eine Partei bevorzugen, die ein wichtiger (Dauer-) Klient ("key client") der neuen Kanzlei ist bzw. mit einer solchen eng verbunden ist und von dem er künftig profitieren kann. Aufgrund der Umstände ist solches aber vorliegend zu verneinen.
4.3.1. Das Schiedsgericht legte in seiner Stellungnahme zur Beschwerde dar, dass es am 28. Januar und 5. Februar 2021 per Video-Konferenz beraten und am 5. Februar 2021 abschliessend entschieden habe ("came to a final conclusion"). Am 8. Februar 2021 habe die Vorsitzende mit der Begründung des so getroffenen Entscheids begonnen. Diese Feststellung und die weiteren detaillierten Ausführungen zum Begründungsprozess wurden von allen drei Schiedsrichtern mit der Unterzeichnung der Stellungnahme bestätigt. Massgeblicher Zeitpunkt ist der 5. Februar 2021, an dem der Entscheid gefällt wurde. Die Vorsitzende führte in ihrer persönlichen Vernehmlassung aus, im Herbst 2020 habe sie hinsichtlich eines Wechsels Kontakt mit verschiedenen möglichen Anwaltskanzleien gehabt. In diesem Zeitpunkt habe sich aber noch nichts herauskristallisiert. Erst am 26. Februar 2021 habe ein Treffen mit G.________ stattgefunden, bei dem beide Seiten ihr Interesse bekundet hätten, Verhandlungen aufzunehmen ("initiating discussions") hinsichtlich eines möglichen Kanzleieintritts. Im März 2021 hätten beide Parteien gewisse Informationen ausgetauscht betreffend mögliche Interessenskonflikte. Am 16. April 2021 habe sie eine Offerte von G.________ erhalten und am 28. April 2021 seien die Verträge unterzeichnet worden. Entgegen der Beschwerdeführerin bestehen keine Anhaltspunkte, an diesen Angaben zu zweifeln. Vor dem ersten Treffen der Vorsitzenden mit G.________ am 26. Februar 2021 war demnach offen, ob überhaupt künftig ein Interessenskonflikt entstehen könnte. Damit kann die Tatsache, dass die B.________-Gruppe ein "key client" von G.________ ist, auch keinen Einfluss auf die Entscheidfällung Ende Januar/Anfang Februar 2021 gehabt haben.
4.3.2. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, auf das Datum vom 5. Februar 2021 komme es nicht an. Darauf abzustellen, würde klarem Recht widersprechen, denn die Pflicht zur Unabhängigkeit bestehe bis zur Entscheidfällung. Massgebend sei der formelle Schiedsspruch. Entsprechend heisse es auch in Art. 179 Abs. 6 IPRG in der am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung, die Offenlegungspflicht bestehe während des ganzen Verfahrens. Das Gleiche gelte auch unter dem vorliegend anwendbaren Art. 9 der Swiss Rules. Ein interner Schiedsspruch bleibe, dies sei notorisch, zumindest solange vorläufig, bis die Schiedsrichter die gesamte Begründung vor sich hätten und damit
en pleine connaissance de cause entscheiden könnten. Die streckenweise fragwürdige Begründung des Entscheids lege nahe, dass die Vorsitzende bei der Begründung realisiert habe, dass eine vollständige Abweisung der Schadenersatzklage nicht haltbar sei. Hätte sie als unbefangene Vorsitzende während der intensiven Arbeit an der Begründung des Schiedsspruchs zwischen Februar und Juni 2021 ihre Meinung geändert, hätte dies höchstwahrscheinlich zu einem andern Ergebnis geführt. Daher sei der Vertragsschluss mit G.________ in diesem Zeitraum erheblich.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf einen in ASA Bulletin 3/1992, S. 390 publizierten Entscheid des Bundesgerichts vom 11. Mai 1992. Dabei handelt es sich um das Urteil 4P.23/1991 vom 25. Mai 1992. In diesem Verfahren hatte das Schiedsgericht (mit Mehrheitsentscheid) dem schriftlichen Entscheidentwurf zugestimmt und diesen unterzeichnet, ohne jedoch vorweg die gemäss der Schiedsgerichtsordnung der internationalen Handelskammer erforderliche Zustimmung des Gerichtshofs betreffend die Form einzuholen, weshalb die Unterzeichnung nicht gültig war. Die Beschwerdeführerin leitete den Befangenheitsvorwurf aus dem Verhalten der Mehrheitsschiedsrichter im Zeitraum zwischen der Entscheidfindung und der rechtsgültigen Unterzeichnung des Urteils ab, bei welchem es namentlich um Auseinandersetzungen um die Formulierung der Dissenting Opinion des Minderheitsschiedsrichters ging. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Pflicht zur Unabhängigkeit bis zum Abschluss des Verfahrens ("le moment où la sentence finale est rendue") gelte. Es verneinte aber eine Befangenheit und hielt fest, mit ihrer ersten (ungültigen) Unterzeichnung hätten die Schiedsrichter bestätigt, dass sie die Beratung als beendet betrachtet hätten. Die anschliessenden Auseinandersetzungen hätten ein prozessuales Problem betroffen, das keinen Einfluss auf den Entscheid gehabt habe (zit. Urteil 4P.23/1991 E. 2 und 2d). Aus diesem Entscheid kann die Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten - im Gegenteil. Der Entscheid zeigt klar auf, dass auch bei zeitlichem Auseinanderfallen zwischen Entscheidfindung und -begründung allein massgebend ist, ob ein Einfluss auf den Entscheid noch möglich ist. Das konnte im zitierten Entscheid insofern noch klarer ausgeschlossen werden, als bei der abschliessenden Beratung bereits der schriftliche Urteilsentwurf vorlag. Es ist der Beschwerdeführerin insofern zuzustimmen als die Art einer schriftlichen Begründung den Entscheid beeinflussen kann. Vorliegend scheitert ihr Einwand aber daran, dass die drei Schiedsrichter mit ihrer Unterzeichnung der Vernehmlassung im vorliegenden Verfahren bestätigten, dass sie bereits am 5. Februar 2021 zu einer abschliessenden Beurteilung ("final conclusion") gekommen sind.
4.3.3. Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin mit der Replik auf eine
bewusste Verletzung der Offenlegungspflicht gemäss Art. 179 Abs. 6 IPRG und Art. 9 der Swiss Rules durch die Vorsitzende. Diese habe bewusst eine mögliche Ablehnung als Schiedsrichterin verhindern wollen. Eine solche bewusste Verletzung erwecke schon allein den Anschein der Befangenheit. Sie stützt sich dabei auf das Urteil 4A_162/2010 vom 22. Juni 2010 E. 2.3. Daraus ergibt sich indessen nichts dergleichen. Vielmehr resultierte die Befangenheit aus der Tatsache, dass der Schiedsrichter bzw. sein Unternehmen einer Partei ein Darlehen gewährt hatte. Dass er dies nicht offengelegt hatte, kam noch hinzu. Denn die Offenlegungspflicht besteht betreffend Tatsachen, die berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des Schiedsrichters wecken können, wie die Beschwerdeführerin selber anführt (Urteil 4P.188/2001 vom 15. Oktober 2001 E. 2f. Statt vieler: GORDON-VRBA/VOCK, in: Arbitration in Switzerland, the Practitioner's Guide, Manuel Arroyo [Hrsg.], 2018, N. 22 ff. zu Art. 9 Swiss Rules; PETER/LEGLER/RUSCH, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2020, N. 68 zu Art. 179 IPRG; BOOG/STARK-TRABER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2014, Bd. 3, N. 22 zu Art. 363 ZPO [der eine gleichlautende Formulierung zur Offenlegungspflicht enthält]; GABRIEL/BUHR, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2014, Bd. 3, N. 45 f. zu Art. 367 ZPO). Vorliegend durfte die Vorsitzende, wie oben dargelegt, davon ausgehen, dass sie den erst nach der "final conclusion" vom 5. Februar 2021 vereinbarten Kanzleiwechsel nicht mitteilen musste.
Ein Ausstandsgrund gegenüber der Vorsitzenden ist somit zu verneinen. Bei diesem Ergebnis kann schliesslich auch offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin die Befangenheit verspätet geltend gemacht und damit verwirkt hat, wie die Beschwerdegegnerin einwendet.
5.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes
ne infra petita (Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG).
Das Schiedsgericht stellte fest, die Beschwerdeführerin habe auch eine Feststellungsklage erhoben. Es verstand diese als Eventualklage für den Fall, dass das Schiedsgericht von einer einfachen Gesellschaft zwischen den Parteien ausgehe und für die Beurteilung der Kündigung des JVA entsprechend auf diese Rechtsgrundlagen abstellen würde. Nachdem Letzteres nicht der Fall sei, fehle es an einem Rechtsschutzinteresse ("no legal interest") zur Beurteilung der Feststellungsklage, weshalb es auf diese nicht eintrat ("dismissed without prejudice").
Die Beschwerdeführerin moniert, für sie sei die verlangte Feststellung auf jeden Fall wichtig gewesen - auch im Hinblick auf den Kostenspruch. Wenn es nur um eine einfache Gesellschaft gegangen wäre, wäre die Erhebung einer Gestaltungsklage wohl naheliegender gewesen. Die enge Auslegung ihrer Argumentation zur Feststellungsklage sei deshalb unzutreffend. Das Schiedsgericht hätte die Feststellungsklage in der Sache behandeln oder zumindest im Laufe des Verfahrens nachfragen müssen, ob sich das Rechtsbegehren wirklich nur auf den Fall der Anwendung der Bestimmungen der einfachen Gesellschaft auf die Kündigung beziehe.
Gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG kann der Entscheid angefochten werden, wenn das Schiedsgericht ein Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat. Unter "Rechtsbegehren" ("chefs de la demande", "determinate conclusioni", "claims ") sind die Begehren oder Anträge der Parteien zu verstehen. Gemeint ist hier ein
unvollständiges Urteil, d.h. die Annahme, dass das Schiedsgericht über einen der ihm von den Parteien unterbreiteten Anträge nicht entschieden hat (BGE 128 III 234 E. 4a; Urteil 4A_198/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen). Das Schiedsgericht ist in Ziffer 1 des Schiedsspruchs unmissverständlich auf die Feststellungsklage nicht eingetreten. Damit erweist sich die Rüge - mangels eines unbeurteilten Rechtsbegehrens - ohne Weiteres als unbegründet.
6.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Schiedsgericht sodann in zweierlei Hinsicht das rechtliche Gehör (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG) verletzt.
6.1. Einerseits habe das Schiedsgericht in Rz. 390 als Argument für die Möglichkeit alternativer Schadenursachen auf den Putsch gegen Präsident Erdogan und dessen wirtschaftliche Folgen verwiesen. Dieser entscheidrelevante Sachverhalt sei von den Parteien nicht vorgebracht worden. Sofern das Schiedsgericht überhaupt auf allfällige eigene Kenntnisse hätte abstellen dürfen, hätte es die Parteien einladen müssen, dazu Stellung zu nehmen, andernfalls es den Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Dadurch, dass es auf einen Sachverhalt abgestellt habe, der von den Parteien nicht vorgebracht worden sei, habe es auch den verfahrensrechtlichen ordre public verletzt, nämlich den Verhandlungsgrundsatz.
Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs darf nicht dazu missbraucht werden, indirekt eine inhaltliche Prüfung des angefochtenen Schiedsurteils vornehmen zu lassen (BGE 142 III 360 E. 4.1.2 mit Hinweis). Für das Schiedsgericht war massgebend, dass zur Begründung des Schadenersatzes nicht auf den ursprünglichen Businessplan abgestellt werden konnte. Es begründete dies namentlich damit, dass Businesspläne üblicherweise nicht klare verbindliche finanzielle Ziele definierten. Die von der Beschwerdeführerin gerügte Passage beginnt zwar mit einem Hinweis auf den Putsch in der Türkei. Das Schiedsgericht stellt aber nicht auf diese Tatsache ab, vielmehr begründet es auch an dieser Stelle, weshalb der ursprüngliche Businessplan keine verlässliche Grundlage für eine Schadenersatzberechnung dargestellt habe. Es führte nämlich aus, gemäss den Angaben der Beschwerdeführerin habe ein von der Beschwerdegegnerin in der gleichen Zeit getroffener Geschäftsentscheid deren Haltung gegenüber dem Joint Venture in dem Sinn beeinflusst, dass diese sich auf Kosteneinsparungen konzentriert habe. Dies habe zu erheblicher Verunsicherung und Entlassungen geführt, welche die Entwicklung von C.________ wohl ebenfalls beeinflusst habe. Ein weiteres Beispiel sei der Entscheid der Parteien, entgegen dem ursprünglichen Businessplan die JV Liquid Dyes nicht in U.________, sondern alle JV Produkte in V.________ herzustellen. Zusammengefasst sei der ursprüngliche Businessplan in verschiedener Hinsicht geändert und diskutiert worden, was die Schwierigkeit zeige, klare Voraussagen zu machen und insgesamt bilde er daher keine genügende Grundlage für die Beurteilung des Schadenersatzes. Es trifft somit nicht zu, dass das Schiedsgericht den Putsch als alternative Schadenursache gewürdigt hat; vielmehr waren es die geschäftlichen Entscheide, welche im Rahmen des - auch durch den Putsch geschaffenen - wirtschaftlichen Umfelds im Jahr 2016 getroffen wurden. Damit fällt der Vorwurf sowohl einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wie auch des verfahrensrechtlichen ordre public zum Vornherein in sich zusammen.
6.2. Das Schiedsgericht hat sodann nach Auffassung der Beschwerdeführerin durch eine überraschende Rechtsanwendung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe das Vorliegen von entgangenem Gewinn verneint mit dem Argument, Schadenersatz bei Wertverlusten von Aktien setze voraus, dass es für diese Aktien einen "buyer's market" gebe und der Geschädigte die Aktien verkaufen wolle. Einen entsprechenden Rechtsgrundsatz im türkischen Recht habe das Schiedsgericht aber nicht dargelegt.
Auch mit dieser Begründung versucht die Beschwerdeführerin über den Vorwurf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch überraschende Rechtsanwendung (vgl. dazu BGE 130 III 35 E. 5 mit Hinweisen) eine unzulässige inhaltliche Überprüfung des Entscheids zu bewirken. Das Schiedsgericht hat mit dem Ausdruck "buyer's market" lediglich die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten und vom Schiedsgericht in Rz. 358 und 360 wiedergegebenen Argumente zusammengefasst, weshalb der Wertverlust der C.________-Aktien nicht gleichgesetzt werden könne mit einem entgangenen Gewinn für die Beschwerdeführerin. Damit fällt der Vorwurf einer überraschenden Rechtsanwendung ins Leere.
7.
Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundsatzes
pacta sunt servanda, womit der Entscheid gegen den materiellen ordre public (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG) verstosse.
7.1. Der Grundsatz
pacta sunt servanda in dem restriktiven Sinn, der ihm vom Bundesgericht im Rahmen von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG zugemessen wird, ist nur dann verletzt, wenn das Schiedsgericht zwar die Existenz eines Vertrages bejaht, diesen aber nicht anwendet, oder umgekehrt - die Existenz eines Vertrages verneint, aber trotzdem vertragliche Verpflichtungen daraus ableitet. Demgegenüber unterliegt die Auslegung eines Vertrages und die daraus abgeleiteten Folgen nicht dem Prinzip
pacta sunt servanda. Das Bundesgericht hat wiederholt betont, dass praktisch die Gesamtheit der sich aus der Vertragsverletzung ergebenden Rechtsstreitigkeiten vom Schutzbereich des Grundsatzes
pacta sunt servanda ausgeschlossen sei (Urteile 4A_453/2021 vom 2. Dezember 2021 E. 5.4.1; 4A_70/2020 vom 18. Juni 2020 E. 7.3.1; 4A_318/2017 vom 28. August 2017 E. 4.2; je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin sieht die Verletzung des Grundsatzes
pacta sunt servanda darin, dass das Schiedsgericht mit Bezug auf eine Anpassung der Agenturkommission bei geänderten Umständen zwar eine vertragliche Verhandlungspflicht bejaht, sich dann aber geweigert habe, ihre Verletzung auch nur zu prüfen. Dem ist nicht zu folgen. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht ausführt, hat das Schiedsgericht in Randziffer 302 f. des Entscheids dargelegt, dass und weshalb es eine Vertragsverletzung im Hinblick auf die Agenturkommission verneint.
8.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 55'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 75'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Basel schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Februar 2022
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Gross