Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_31/2023  
 
 
Urteil vom 7. Februar 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Migrationsamt des Kantons Schaffhausen, 
Mühlentalstrasse 105, 8200 Schaffhausen, 
2. Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, 
Beckenstube 7, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Niederlassungsbewilligung EU/EFTA (Verwarnung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des 
Kantons Schaffhausen vom 9. Dezember 2022 
(60/2022/24). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der 1974 geborene deutsche Staatsangehörige A.________ reiste am 17. Dezember 2002 in die Schweiz ein. Er erhielt zunächst eine Kurzaufenthaltsbewilligung EU/EFTA und später eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Seit Mai 2011 ist er im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA.  
Mit Verfügung vom 29. September 2021 verlängerte das Migrationsamt des Kantons Schaffhausen die Niederlassungsbewilligung von A.________ und sprach gleichzeitig wegen erheblichem, selbstverschuldetem Sozialhilfebezug eine Verwarnung aus, mit welcher ihm der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung angedroht wurde, falls er sich nicht baldmöglichst von der Sozialhilfe löse und einer existenzsichernden Arbeitstätigkeit nachgehe. 
 
1.2. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen mit Beschluss vom 12. April 2022 und das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 9. Dezember 2022 ab.  
 
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde vom 20. Januar 2023 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt, es sei die Verwarnung aufzuheben und es sei das Migrationsamt zu verpflichten, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Zudem sei die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Prozessual ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege in dem Sinne, dass er von der Bezahlung der Gerichtskosten befreit wird.  
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 42 BGG haben Rechtsschriften an das Bundesgericht die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Die Begründung hat sachbezogen zu sein; die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 mit Hinweisen).  
In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich des Willkürverbots, und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 143 I 321 E. 6.1; 142 I 99 E. 1.7.2). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 148 I 104 E. 1.5; 143 I 1 E. 1.4; 134 II 349 E. 3). 
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung bzw. die Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG) und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (BGE 140 III 264 E. 2.3). Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 I 58 E. 4.1.2; 136 I 184 E. 1.2). Dies bedeutet, dass die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, klar und substanziiert aufzeigen muss, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (vgl. BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen).  
 
3.  
Vorab ist festzuhalten, dass die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers gemäss dem angefochtenen Entscheid und der aktenkundigen Verfügung des Migrationsamts vom 29. September 2021 verlängert wurde. Auf den Antrag, es sei das Migrationsamt zu verpflichten, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen, ist bereits mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG). 
Ebenfalls nicht einzutreten ist auf den Antrag, es sei die Sache dem EuGH vorzulegen, zumal dieses nicht berufen ist, für die Schweiz über die Auslegung des FZA (SR 0.142.112.681) verbindlich zu bestimmen (vgl. BGE 136 II 5 E. 3.4). 
 
4.  
 
4.1. Vorliegend hat die Vorinstanz erwogen, dass der Beschwerdeführer, der seit 2014 Sozialhilfeleistungen bezieht (Stand September 2021: Fr. 200'000.--), den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG (SR 142.20) grundsätzlich erfülle.  
Sie hat sodann festgehalten, dass der Beschwerdeführer zwar seit dem 1. September 2007 eine 100%-ige Invalidenrente bezogen habe, diese jedoch mit rechtskräftigem Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 28. Juli 2015 wieder aufgehoben worden sei, da eine allfällig früher vorhanden gewesene depressive Störung remittiert sei. Gestützt auf die Ergebnisse des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens sowie auf die Aktenlage und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer eingereichten Arztberichte ist das Obergericht zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer vollumfänglich arbeitsfähig sei, jedoch keine Bemühungen um eine Wiedereingeliederung in den Arbeitsmarkt unternommen habe. Daher trage er eine erhebliche Mitverantwortung an seiner Sozialhilfeabhängigkeit. Schliesslich hat die Vorinstanz festgehalten, dass der Beschwerdeführer, der nach Aufhebung seiner Invalidenrente keine Arbeitstätigkeit aufgenommen habe, seinen freizügigkeitsrechtlichen Status als Arbeitnehmer (Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA) verloren habe, sodass er aus dem FZA kein Aufenthaltsrecht ableiten könne. 
In Anbetracht der gesamten Umstände hat das Obergericht erwogen, dass die gegen den Beschwerdeführer - unter Androhung des Widerrufs seiner Niederlassungsbewilligung - ausgesprochene Verwarnung verhältnismässig sei (Art. 96 Abs. 2 AIG). 
 
4.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme arbeitsunfähig und wirft der Vorinstanz "falsche Tatsachenbehauptungen" vor.  
Die gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit stellen Tatsachen dar (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2), die das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft (vgl. E. 2.2 hiervor). Der Beschwerdeführer, der sich auf blosse Hinweise auf Berichte seiner behandelnden Ärzte beschränkt, vermag nicht substanziiert darzutun, inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und die - unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten ärztlichen Gutachten vorgenommene - Beweiswürdigung (vgl. E. 4.1 hiervor) hinsichtlich seiner Arbeitsfähigkeit offensichtlich unhaltbar bzw. willkürlich sein sollen. 
Soweit er den Entscheid des Obergerichts vom 28. Juli 2015, mit welchem seine IV-Rente aufgehoben wurde, beanstandet und als "inhaltlich falsch" bezeichnet, verkennt er, dass dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. E. 4.1 hiervor) und im vorliegenden Verfahren nicht mehr infrage gestellt werden kann. 
 
4.3. Ebenfalls nur unter dem Aspekt der Willkür prüft das Bundesgericht die Rüge unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung (BGE 147 IV 534 E. 2.5.1). Die Behauptungen des Beschwerdeführers, wonach die Vorinstanz durch die Abweisung seines Antrags auf Zeugeneinvernahme seines behandelnden Arztes ihre "vorgefasste Entscheidung" manifestiert und sein rechtliches Gehör verletzt habe, genügen den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Willkür- bzw. Verfassungsrügen nicht (vgl. E. 2.1 hiervor).  
 
4.4. Nicht ersichtlich ist ferner, welche Ansprüche der Beschwerdeführer aus Art. 4 Anhang I FZA ableiten will, zumal diese Bestimmung eine dauernde Arbeitsunfähigkeit voraussetzt (vgl. dazu BGE 146 II 89), die bei ihm gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) nicht vorliegt.  
 
4.5. Im Übrigen beklagt sich der Beschwerdeführer darüber, dass das Sozialamt seine Gesundheitsdaten an die Migrationsbehörden weitergeleitet habe und wirft diesem strafrechtlich relevantes Verhalten vor. Dabei setzt er sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen, wonach der Beizug der Sozialhilfeakten gestützt auf Art. 97 AIG i.V.m. Art. 8 des kantonalen Gesetzes vom 7. März 1994 über den Schutz von Personendaten (Kantonales Datenschutzgesetz, SHR 174.100) erfolgt und somit rechtmässig sei, nicht sachbezogen auseinander und zeigt nicht auf, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt oder das kantonale Recht willkürlich angewendet haben soll (E. 2.1 hiervor).  
 
4.6. Schliesslich bemängelt der Beschwerdeführer, der vorinstanzliche Entscheid sei nicht von allen mitwirkenden Richtern unterzeichnet worden. Dabei nennt er weder Bestimmungen des kantonalen Rechts, die solches verlangen würden, noch legt er substanziiert dar, inwiefern das Obergericht dadurch Recht verletzt haben soll.  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde enthält offensichtlich keine hinreichende Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.  
 
5.2. Angesichts der von der Vorinstanz festgestellten Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers wird auf die Erhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Damit wird das Gesuch des nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Februar 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov