Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_63/2023
Urteil vom 7. Februar 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
Stockwerkeigentümergemeinschaft A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Hadorn,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. B.________,
2. D.C.________ und E.C.________,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Markus
Holenstein,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Anfechtung von Stockwerkeigentümerbeschlüssen,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 7. Dezember 2022 (LB220023-O/U).
Sachverhalt:
A.
An der F.________strasse uu-zz in U.________ steht eine in 18 Stockwerkeinheiten aufgeteilte Überbauung mit dem Namen "A.________", deren modulare Struktur eine individuelle Gestaltung der Wohnungen erlaubt, so dass für das Gebäude als solches wie auch für die einzelnen Wohn- bzw. Stockwerkeinheiten von "Wohnbaukasten" (WBK) gesprochen wird. Die einzelnen Module werden dabei durch sog. "Links" verbunden, welche den Eingangsbereich der angrenzenden Wohnungen bilden.
Die Beschwerdeführerin ist die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, die Beschwerdegegner sind Stockwerkeigentümer. Sie standen und stehen sich als Parteien seit zehn Jahren in zahlreichen Verfahren gegenüber, die immer wieder bis vor Bundesgericht führten und führen.
B.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Anfechtung der an der Versammlung vom 27. März 2017 gefassten Stockwerkeigentümerbeschlüsse Nr. 3 (Genehmigung Jahresrechnung 2016) und Nr. 7 i.V.m. Nr. 8.5 (Passepartout). Gemäss den sich in der Minderheit befindenden Beschwerdegegnern lag der Jahresrechnung 2016 ein falscher Nebenkostenverteilschlüssel zugrunde.
Mit Urteil vom 22. März 2022 hob das Bezirksgericht Horgen den Beschluss Nr. 3 auf, während es auf die Klage betreffend die Anfechtung des Beschlusses Nr. 7 nicht eintrat. Die hiergegen erhobene Berufung der Stockwerkeigentümergemeinschaft wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 7. Dezember 2022 ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 24. Januar 2023 verlangt die Stockwerkeigentümergemeinschaft die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Abweisung der Anfechtungsklage. Es wurden keine Vernehmlassungen, aber die kantonalen Akten eingeholt.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anfechtung von Stockwerkeigentümerbeschlüssen und damit eine vermögensrechtliche Zivilsache (BGE 140 III 571 E. 1.1), wobei der Streitwert gemäss den unbeanstandeten Feststellungen des Obergerichtes Fr. 50'000.-- beträgt; die Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG ).
2.
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4; 149 III 81 E. 1.3).
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4).
3.
In den Jahren 2012 und 2013 standen sich die Parteien in Anfechtungsprozessen betreffend Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlungen vom 11. November 2011 und 30. März 2012 gegenüber; dabei ging es u.a. um die Verteilung der laufenden Kosten, welche neu nach Wohnflächen statt nach Wertquoten erfolgen sollte. Die Beschwerdegegner fochten die entsprechenden Beschlüsse an. Am 24. April 2013 schlossen die Parteien im Anfechtungsprozess einen gerichtlichen Vergleich, in dessen Ziff. 4 sie im Detail eine (noch vorzunehmende) Neuberechnung der Wohnungsflächen und im Übrigen den Klagerückzug durch die Beschwerdegegner vereinbarten. Am 24. März 2014 genehmigte die Stockwerkeigentümerversammlung die Jahresrechnung 2013, welche auf einem nach Wohnflächen berechneten Nebenkostenverteilschlüssel beruhte. Die Beschwerdegegner fochten diesen Beschluss wieder an und das Bezirksgericht hob ihn mit Urteil vom 2. Dezember 2019 auf, weil die Wohnflächenberechnung gesetzes- und vergleichswidrig vorgenommen worden war; den von der Beschwerdeführerin bis vor Bundesgericht erhobenen Rechtsmitteln war kein Erfolg beschieden (vgl. Urteil 5A_89/2021 vom 29. August 2022).
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Jahresrechnung 2016, welcher der gleiche Nebenkostenverteilschlüssel zugrunde lag, der im Urteil vom 2. Dezember 2019 als gesetzes- und vergleichswidrig angesehen wurde. Das Bezirksgericht erachtete diese Tatsache als gerichtsnotorisch und hielt fest, dass eine korrekte Wochflächenberechnung für die Beschwerdegegner Minderkosten von 5,85% bzw. 12,5% zur Folge haben würde; dies beruhe auf einer unterschiedlichen Anrechnung bzw. Nichtanrechnung von Räumen und gehe über blosse technische Ungenauigkeiten der Berechnung hinaus. Als Folge hob es die angefochtenen Beschlüsse mit Urteil vom 22. März 2022 auf.
Das Obergericht hat im Berufungsurteil erwogen, dass kaum eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils erfolge und die teilweise schwer verständliche Berufungsschrift den Begründungsanforderungen in verschiedener Hinsicht nicht genüge. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, das Bezirksgericht hätte den Inhalt seines eigenen Urteils vom 2. Dezember 2019 nicht als gerichtsnotorisch ansehen dürfen, sondern sich auf die Prüfung der tatsächlichen Behauptungen der Beschwerdegegner beschränken müssen, gehe die Rüge fehl. Nach der vom Bezirksgericht zitierten Lehre gelte eine Tatsache, die dem Gericht aus eigener richterlicher Tätigkeit, insbesondere aus früheren Verfahren bekannt sei, als gerichtsnotorisch im Sinn von Art. 151 ZPO und für gerichtsnotorische Tatsachen bedürfe es nach herrschender Lehre über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht nur keines Beweises, sondern sie müssten von den Parteien nicht einmal behauptet werden. Mit diesen bezirksgerichtlichen Erwägungen setze sich die Beschwerdeführerin gar nicht erst auseinander; ohnehin würden die Ausführungen des Bezirksgerichts aber in allen Teilen zutreffen.
4.
Vor Bundesgericht macht die Beschwerdeführerin geltend, die Beschwerdegegner seien ihrer Behauptungslast im Sinn von Art. 55 Abs. 1 und Art. 221 Abs. 1 lit. d ZPO nicht nachgekommen und die kantonalen Gerichte hätten das fehlende Klagefundament nicht gestützt auf Art. 151 ZPO ergänzen dürfen, da im Bereich der Verhandlungsmaxime auch gerichtsnotorische Tatsachen von den Parteien zu behaupten seien. Im Übrigen sei ihr im bezirksgerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit geboten worden, zu den aus dem früheren Verfahren übernommenen Tatsachen Stellung zu nehmen, weshalb ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei.
Was die Gehörsrüge - von welcher im angefochtenen Entscheid nirgends die Rede ist - anbelangt, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, dass und an welcher Stelle sie diese bereits im Berufungsverfahren erhoben hätte. Der Begriff der Letztinstanzlichkeit im Sinn von Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG bedeutet jedoch, dass der kantonale Instanzenzug nicht nur formell durchlaufen werden soll, sondern dass die Rügen, die dem Bundesgericht unterbreitet werden, soweit möglich schon der Vorinstanz vorgebracht werden müssen (BGE 134 III 524 E. 1.3; 143 III 290 E. 1.1; 146 III 203 E. 3.3.4). Dies gilt insbesondere für Verfassungsrügen, weil diese unter Art. 106 Abs. 2 BGG fallen und in diesem Bereich das Recht anders als bei Art. 106 Abs. 1 BGG nicht von Amtes wegen angewandt wird.
Fehl geht ferner der (ohnehin nicht näher substanziierte) Vorwurf, das Obergericht habe im Zusammenhang mit dem Vorwurf der ungenügenden Beschwerdeschrift die Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs verletzt: Eine Verletzung der Begründungspflicht würde vorliegen, wenn nicht im Sinn der entscheidwesentlichen Gesichtspunkte wenigstens kurz die Überlegungen genannt worden wären, von denen sich das Obergericht hat leiten lassen und auf welche sich sein Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 142 III 433 E. 4.3.2; 143 III 65 E. 5.2). Diesen Anforderungen ist das Obergericht jedoch nachgekommen; es hat in der gebotenen Kürze auf nachvollziehbare Weise dargelegt, inwiefern die Berufungsbegründung keine sachbezogene Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Kernerwägung enthielt.
In der Sache selbst wiederholt die Beschwerdeführerin einfach ihren Standpunkt, die Beschwerdegegner hätten alle Tatsachen behaupten müssen und das Bezirksgericht habe nicht fehlende Behauptungen durch Gerichtsnotorietät ersetzen dürfen. Eine eigentliche Auseinandersetzung mit den obergerichtlichen Erwägungen und insbesondere mit den im angefochtenen Entscheid angeführten Hinweisen auf die Lehre (BAUMGARTNER, in: Kurzkommentar ZPO, 3. Aufl. 2021, N. 10 zu Art. 151 ZPO; HASENBÖHLER, in: Zürcher Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, N. 3c zu Art. 151 ZPO; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2019, § 10 Rz. 23 und § 18 Rz. 10; GULDENER, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 161) für die Aussage, im Zusammenhang mit gerichtsnotorischen Tatsachen sei keine ausdrückliche Parteibehauptung erforderlich, findet nicht statt. Ohnehin treffen die Erwägungen des Obergerichtes materiell zu: Sie stimmen mit der konstanten bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein (BGE 112 II 172 E. I.2c; 130 III 113 E. 3.4; 135 III 88 E. 4.1; zuletzt Urteile 5A_96/2023 vom 14. Juli 2023 E. 5.5.2.1; 5A_891/2021 vom 28. Januar 2022 E. 2.3.3) und für die herrschende Lehre können nebst den bereits vom Obergericht genannten Zitaten zahlreiche weitere angeführt werden (beispielsweise MEIER, Die Behauptungs-, Bestreitungs- und Substantiierungslast im ordentlichen und vereinfachten Verfahren nach dem Verhandlungsgrundsatz der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2015, S. 27 Rz. 40; SARBACH, Gedanken zur Verhandlungsmaxime, in: ZBJV 2000, S. 705; BRÖNNIMANN, in: Berner Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Band 2, 1. Aufl. 2012, N. 8 zu Art. 151 ZPO; SUTTER-SOMM/SCHRANK, in: Zürcher Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, N. 38 zu Art. 55 ZPO; GEHRI, in: Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 9 zu Art. 55 ZPO; LEU, in: Dike-Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Band 1, 2. Aufl. 2016, N. 9 zu Art. 151 ZPO; GASSER/RICKLI, Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 151 ZPO; SCHWEIZER, in: Commentaire Romand, 2. Aufl. 2010, N. 3 zu Art. 151 ZPO; CHABLOZ/CAPT, in: Petit commentaire CPC, 1. Aufl. 2021, N. 15 zu Art. 151 ZPO; TREZZINI, in: Commentario pratico al Codice di diritto processuale civile svizzero, 2. Aufl. 2017, N. 5 zu Art. 151 ZPO; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2017, Rz. 330; SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, § 25 Rz. 18; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. 1984, S. 122; HOHL, Procédure civile, Band I, 2. Aufl. 2016, Rz. 1615).
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind, ist der Gegenpartei kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, mitgeteilt.
Lausanne, 7. Februar 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli