Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1417/2021  
 
 
Urteil vom 7. März 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Hurni, 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch 
Rechtsanwältin Dr. Susanne Raess, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Schändung (Art. 191 StGB); willkürliche Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 29. September 2021 (SB200142-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wird vorgeworfen, am 19. Dezember 2018 als Betreuer in einem Behindertenheim in W.________ die Hand von B.________ an dessen Penis geführt zu haben. Dabei sei es sowohl bei B.________ als auch bei A.________, welcher seine Badehose heruntergezogen habe, zu einer Erektion gekommen. B.________ habe an einer Mehrfachbehinderung gelitten und sei nicht in der Lage gewesen, das Vorgehen von A.________ als sexuelle Handlung wahrzunehmen, sich eine Meinung darüber zu bilden, diese kundzutun und sich dagegen zur Wehr zu setzen. A.________ habe im Wissen um die Schwerst-Behinderung von B.________ und zur Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse gehandelt. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Horgen sprach A.________ mit Urteil vom 4. November 2019 der Schändung schuldig. Es verurteilte ihn zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe mit bedingtem Strafvollzug, unter Anrechnung von vier Tagen Haft, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es ordnete Tätigkeitsverbote im Sinne von aArt. 67 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 StGB (in der Fassung vom 1. März 2018) an und verbat A.________ jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen respektive volljährigen, besonders Schutzbedürftigen umfasst, für die Dauer von zehn Jahren. Gleichzeitig ordnete es eine Bewährungshilfe im Sinne von aArt. 67 Abs. 7 StGB (in der Fassung vom 1. März 2018) an. Es verpflichtete A.________ zur Zahlung einer zu verzinsenden Genugtuung von Fr. 5'000.-- an B.________. 
 
C.  
Auf Berufung von A.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 29. September 2021 den Schuldspruch, die Tätigkeitsverbote, die Anordnung der Bewährungshilfe und die zu bezahlende Genugtuung. Es bestrafte A.________ mit 14 Monaten Freiheitsstrafe mit bedingtem Strafvollzug, unter Anrechnung von vier Tagen Haft, bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
B.________ ist am 14. Mai 2021 während des Berufungsverfahrens verstorben. Seine Eltern sind in seine Rechte eingetreten. 
 
 
D.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Das ausgesprochene Tätigkeitsverbot sei aufzuheben. Die Zivilforderungen seien abzuweisen respektive auf den Zivilweg zu verweisen. Weiter verlangt er Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Staates und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung sowie Verletzungen der Grundsätze der freien Beweiswürdigung und "in dubio pro reo". Er bestreite nicht, den Arm von B.________ an dessen Ellbogen geführt zu haben, sodass dieser mit seiner Hand sein Glied berühren konnte. Er habe aber während des gesamten Verfahrens ausgesagt, dass er seine Badehose nicht heruntergezogen und selbst keine Erektion gehabt habe. Die Vorinstanz stelle im Rahmen der Beweiswürdigung völlig einseitig auf die Zeugenaussagen des Zeugen C.________ ab, gewichte diese übermässig sowie falsch und verfalle damit in Willkür. Der Zeuge habe für den angeblichen Gesprächsablauf mit dem Beschwerdeführer nach seinem Betreten des Raumes drei verschiedene Versionen geschildert, was die Vorinstanz nicht gewürdigt habe. Letztere habe zudem auf Abklärungen des gesamten räumlichen Kontextes der Tat mehr oder weniger verzichtet. Es könne deshalb nicht überprüft werden, ob der Zeuge das Ausgesagte überhaupt habe wahrnehmen können, und ob seine Aussagen glaubhaft seien. Sodann habe die Vorinstanz den Beschwerdeführer nie nach seinen sexuellen Präferenzen befragt. Es sei nicht mehr nachweisbar, ob sich der angeklagte Sachverhalt verwirklicht habe, sodass kein Schuldspruch erfolgen könne.  
 
1.2. Die Vorinstanz führt aus, der Zeuge C.________ habe mehrfach bekräftigt, wie sicher er sich seiner Wahrnehmung gewesen sei. Seine Schilderung sei stimmig, nachvollziehbar, lebensnah, detailliert, auch in Nebensächlichkeiten originell, plausibel und damit insgesamt überzeugend und glaubhaft. Eine falsche Wahrnehmung sei aufgrund der konstanten und stimmigen Schilderung des Zeugen auszuschliessen. Für eine Falschbelastung fehle dem Zeugen jegliches Motiv. Dieser sei in der Lage gewesen, die Erektion von B.________ wahrzunehmen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten sei es beim Betreten des Raumes zudem ohne weiteres möglich, bei einer hinter dem Bett stehenden Person ein abruptes Hochziehen einer Badehose und eine Erektion wahrzunehmen, wie der Zeuge dies geschildert habe. Dessen Aussagen seien äusserst glaubhaft, insbesondere auch zum Verhalten des Beschwerdeführers, als er diesen nach dem Eintreten in den Raum konfrontiert habe. Der Beschwerdeführer habe im Wissen um die Urteils- und Widerstandsunfähigkeit von B.________ gehandelt und zumindest auch in der Absicht, sich selbst sexuell zu erregen (Urteil S. 9 ff.).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
 
1.3.2. Gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Art. 389 Abs. 3 StPO regelt zusätzliche Beweisabnahmen. Nach dieser Bestimmung erhebt die Rechtsmittelinstanz von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise.  
 
1.4. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist nicht willkürlich. Die Beanstandungen des Beschwerdeführers betreffend die Würdigung seines Gesprächs mit dem Zeugen C.________ unmittelbar nach dessen Eintreten in den Raum sind nicht stichhaltig. Es kann ihm auch nicht gefolgt werden, wenn er in den Aussagen des Zeugen zu diesem Gesprächsablauf drei unterschiedliche Versionen erkennen will. Vielmehr geht die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass die Aussagen des Zeugen gleichbleibend waren. Sie verfällt nicht in Willkür, wenn sie auf diese abstellt und gestützt darauf als erstellt erachtet, dass der Beschwerdeführer beim Eintreten des Zeugen in den Raum seine Badehose heruntergeschoben und einen erigierten Penis hatte und die Badehose abrupt nach oben zog. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers setzt sich die Vorinstanz auch mit den räumlichen Gegebenheiten auseinander und erachtet es als ohne weiteres möglich, bei einer hinter dem Bett stehenden Person ein abruptes Hochziehen einer Badehose und eine Erektion wahrzunehmen. Auch diese Würdigung der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, liegen neben den Aussagen des Zeugen auch Fotos vom Zimmer in den Akten (kantonale Akten, act. 4/3 Anhang). Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern zusätzliche Beweiserhebungen durch die Vorinstanz hätten erforderlich sein sollen. Im Übrigen ist im Hinblick auf den vor Bundesgericht erhobenen Vorwurf an die Vorinstanz, sie hätte ergänzende Beweise erheben müssen, festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Berufungsverfahrens die Gelegenheit hatte, Beweisergänzungsanträge zu stellen, und keine solchen gestellt hat (Urteil S. 6). Die Kritik des Beschwerdeführers an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung ist unbegründet. Weitere Rügen bringt der Beschwerdeführer nicht vor.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer begründet seine weiteren Anträge auf Aufhebung der Tätigkeitsverbote, Abweisung der Zivilforderungen respektive deren Verweisung auf den Zivilweg sowie betreffend Kosten nicht. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, und D.________ und E.________, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. März 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres