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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_649/2022  
 
 
Urteil vom 7. März 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Frei, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, Rechtsabteilung, Schlossmühlestrasse 15, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grundstückgewinnsteuer des Kantons Thurgau, Steuerperiode 2015, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 13. Juli 2022 (VG.2021.205/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 9. Juni 2015 verkaufte A.________ die Liegenschaft Nr. xxx, Grundbuch B.________, an die C.________ GmbH (ab 8. Februar 2017: C.________ AG) zu einem beurkundeten Verkaufspreis von Fr. 820'000.-. Gestützt hierauf veranlagte das verfahrensbeteiligte Amt am 1. Juli 2015 einen Grundstückgewinn von Fr. 13'200.- und setzte eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 5'068.80 fest. Die C.________ GmbH veräusserte die Liegenschaft noch am Erwerbstag an die D.________ GmbH für den Betrag von Fr. 1'310'000.-. 
Nach Abschluss des ordentlichen Veranlagungsverfahrens von A.________ erfuhr die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, dass die C.________ GmbH am 18. September 2015 von einem unabhängigen Dritten eine Liegenschaft in F.________/SG zum Preis von Fr. 538'350.- erworben und diese Liegenschaft am 7. Oktober 2015 für Fr. 250'000.- an die von A.________ beherrschte E.________ GmbH weiterveräussert hatte. Am 27. März 2020 leitete die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau sodann ein Nachsteuerverfahren betreffend den Verkauf der Liegenschaft Nr. xxx vom 9. Juni 2015 an die C.________ GmbH ein. 
 
B.  
In ihrer Nachsteuerveranlagung vom 15. Mai 2020 für die Grundstückgewinnsteuer 2015 ging die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau von einem Veräusserungserlös von Fr. 1'310'000.- statt bisher Fr. 820.000.- aus, setzte den steuerbaren Grundstückgewinn auf Fr. 499'400.- fest und veranlagte neu einen Steuerbetrag von Fr. 191'769.60. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Einspracheentscheid der Steuerverwaltung vom 8./9. Juni 2021; Rekursentscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau vom 19. November 2021; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 13. Juli 2022 [versandt am 3. Oktober 2022]). 
 
C.  
Mit Beschwerde (in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) vom 3. November 2022 beantragt A.________ die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 13. Juli 2022. 
Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Steuerverwaltung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde richtet sich gegen den verfahrensabschliessenden Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG; Art. 73 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht (Art. 42 und 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition, jene des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 134 II 207 E. 2). Mit freier Kognition ist zu prüfen, ob das kantonale Recht mit dem Bundesrecht, namentlich dem StHG, vereinbar ist (Urteil 2C_1081/2015 vom 12. Dezember 2016 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 143 II 33). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die Steuerverwaltung im Zeitpunkt der Veranlagung in Kenntnis aller wesentlichen Tatsachen gewesen sei. Insbesondere habe sie gewusst, dass die Liegenschaft gleichentags zu einem wesentlich höheren Preis weiterveräussert worden war. Das Grundstückgeschäft in F.________ sei keine neue Tatsache, welche die Eröffnung eines Nachsteuerverfahrens erlauben würde. Zudem habe die Vorinstanz in diesem Zusammenhang ihre Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt. 
 
3.1. Nach § 204 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 14. September 1992 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG/TG; RB 640.1) wird die nicht erhobene Steuer samt Zins als Nachsteuer eingefordert, wenn sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, ergibt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, oder wenn eine unterbliebene oder unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen oder Vergehen gegen die Steuerbehörde zurückzuführen ist. Die Anwendung dieser Bestimmung kann das Bundesgericht frei überprüfen, da sie durch Art. 53 Abs. 1 StHG harmonisiert ist (vgl. oben E. 2). Die diesbezügliche Willkürrüge des Beschwerdeführers (vgl. Beschwerde Rz. 7) erweist sich demnach als überflüssig.  
 
3.2. Nach der Rechtsprechung zu den entsprechenden Bestimmungen des Bundessteuerrechts (Art. 151 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]) und des Harmonisierungsrechts (Art. 53 Abs. 1 StHG) darf die Steuerbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass die Steuererklärung wahrheitsgemäss und vollständig ist. Solange ihr keine Indizien für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Steuererklärung vorliegen, ist die Steuerbehörde nicht gehalten, ergänzende Informationen einzuholen. Hingegen muss die Steuerbehörde aufgrund der Untersuchungsmaxime zu einer gründlicheren Prüfung schreiten, wenn es sich aus den Akten offensichtlich ergibt, dass die Steuererklärung die relevanten Tatsachen unvollständig oder unklar wiedergibt. Wenn die Steuerbehörde diese Unvollständigkeit oder Ungenauigkeit hätte erkennen müssen, ist der vorausgesetzte adäquate Kausalzusammenhang zwischen der lückenhaften Deklaration und der Unterbesteuerung unterbrochen. Unter diesen Umständen kann folglich kein Nachsteuerverfahren mehr eingeleitet werden, da sich die Unterbesteuerung nicht erst aus einer neuen Tatsache ergibt (Urteile 2C_116/2021 vom 8. Juli 2021 E. 6.1 und 6.2; 2C_442/2018 vom 3. Juni 2019 E. 2.2; 2C_676/2016 vom 5. Dezember 2017 E. 4.1; 2C_1018/2015 / 2C_1019/2015 vom 2. November 2017 E. 6.1, in: RDAF 2017 II S. 630, StR 73/2018 S. 255; 2C_662/2014 / 2C_663/2014 vom 25. April 2015 E. 6.3, in: RDAF 2015 II S. 267; 2C_1023/2013). Von einer solchen Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wird indessen praxisgemäss nur ausgegangen, wenn der Steuerbehörde grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (Urteile 2C_676/2016 vom 5. Dezember 2017 E. 4.1; 2C_1023/2013 / 2C_1024/2013 vom 8. Juli 2014 E. 3.2, in: StE 2014 B 97.41 Nr. 27, StR 69/2014 S. 735; 2C_123/2012 / 2C_124/2012 vom 8. August 2012 E. 5.3.4, je mit Hinweisen).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer scheint der Auffassung zu sein, dass bereits die Wiederveräusserung der streitbetroffenen Liegenschaft am gleichen Tag zu einem wesentlich höheren Preis für die Steuerverwaltung Anlass hätte sein müssen, den steuerbaren Grundstückgewinn auf der Basis des Wiederveräusserungspreises bzw. des Verkehrswerts der Liegenschaft zu ermitteln. Ihm kann nicht gefolgt werden. Zwar ist eine solche Diskrepanz ein Indiz dafür, dass der Veräusserer vom Erwerber neben dem Kaufpreis aus der Veräusserung weitere Leistungen empfangen haben könnte, die ebenfalls Bestandteil des Veräusserungserlöses bilden (vgl. § 132 Abs. 1 StG/TG; Art. 12 Abs. 1 StHG). So kann etwa der unterpreisige Verkauf an eine vom Veräusserer gehaltene Gesellschaft eine Kapitaleinlage darstellen, die sich im Umfang der Diskrepanz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert positiv auf den Beteiligungswert auswirkt (vgl. BGE 143 II 33 E. 3.2.5) Gewisse Kantone gehen beweiswürdigend sogar davon aus, dass der beurkundete Kaufpreis rechtsgeschäftlich keine Bedeutung habe, wenn die Wertdifferenz eine bestimmtes Mass überschreitet und zwischen den Parteien eine besondere Beziehung besteht (vgl. Urteil 2C_1081/2018 vom 29. Januar 2020 E. 2.2 und 2.2.1, in: StE 2020 B 44.12.3 Nr. 9). Die Steuerverwaltung tat also angesichts der erheblichen Differenz zwischen dem Veräusserungs- und dem Wiederveräusserungspreis auf jeden Fall gut daran, das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Erwerberin bzw. deren Inhaber näher abzuklären. Diese Abklärungen brachten jedoch weder weitere Leistungen zugunsten des Beschwerdeführers noch eine besondere Beziehung zwischen den Parteien ans Licht. Die Steuerverwaltung hatte also keinen Grund, in ihrer Veranlagung vom 1. Juli 2015 vom beurkundeten Kaufpreis abzuweichen. Dass die Erwerberin rund drei Monate später am 7. Oktober 2015 ihrerseits eine Liegenschaft unterpreisig an eine vom Beschwerdeführer kontrollierte Gesellschaft verkaufen würde, konnte der Steuerverwaltung zum Zeitpunkt der Veranlagung naturgemäss noch nicht bekannt sein.  
 
3.4. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer auch, soweit er meint, das Grundstückgeschäft in F.________ habe in keinem Zusammenhang mit dem ersten, hier streitbetroffenen Grundstückgeschäft gestanden. Die Vorinstanz hat überzeugend dargelegt, dass sich die Diskrepanz zwischen Erwerbspreis (Fr. 538'350.-) und Verkaufspreis (Fr. 250'000.-) beim zweiten Geschäft nur so erklären lasse, dass damit die Differenz zwischen Verkaufspreis und Verkehrswert beim ersten Geschäft ausgeglichen werden sollte (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.1, 5.2.1 und 5.2.3). Auch vor Bundesgericht bleibt der Beschwerdeführer eine andere Erklärung für diese Diskrepanz schuldig. Seine Rüge, die Vorinstanz habe in diesem Zusammenhang ihre Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, ist offensichtlich unbegründet, soweit sie überhaupt rechtsgenüglich begründet ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Mit der Vorinstanz und entgegen dem Beschwerdeführer ist demnach festzuhalten, dass der Abschluss des Grundstückgeschäfts in F.________ eine relevante Tatsache darstellt, die der Steuerverwaltung im Zeitpunkt der Veranlagung nicht bekannt sein musste und aufgrund derer sie ein Nachsteuerverfahren gegen den Beschwerdeführer eröffnen durfte.  
 
3.5. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass es an einer der übrigen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Nachsteuerverfahrens fehlen würde. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer einer Nachbesteuerung unterzogen wurde.  
 
4.  
Die Vorinstanz hat der Nachsteuerberechnung den Verkehrswert der streitbetroffenen Liegenschaft (abzüglich der Anlagekosten) zugrunde gelegt. Grundsätzlich sieht das Gesetz zwar vor, dass die Grundstückgewinnsteuer anhand des Erlöses und damit anhand des Werts der vereinnahmten Leistungen - und nicht etwa anhand des Verkehrswerts des veräusserten Grundstücks - bemessen wird (§ 132 Abs. 1 StG/TG). Das Harmonisierungsrecht lässt den Kantonen in der Bestimmung des Erlöses jedoch einen gewissen Spielraum (BGE 143 II 382 E. 3.1). Dieser Spielraum wird nicht überschritten, wenn ein Kanton ausnahmsweise auf den Verkehrswert der Liegenschaft abstellt, wenn Gegenleistungen in anderer als Geldform infrage stehen (vgl. Urteil 2C_598/2018 vom 27. September 2019 E. 4.1; vgl. weiterführend HUNZIKER/SEILER, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, StHG, 4. Aufl. 2022, N. 77 zu Art. 12 StHG). Ob es auch nach kantonalem Recht zutreffend war, für die Erlösberechnung auf den Verkehrswert zurückzugreifen statt die zusätzliche Gegenleistung der Erwerberin aus dem unterpreisigen Grundstückgeschäft in F.________ zu bewerten und zum beurkundeten Kaufpreis zu schlagen, hat hier dagegen offen zu bleiben. Denn diese Frage könnte das Bundesgericht nach Art. 106 Abs. 2 BGG nur prüfen, wenn der Beschwerdeführer die Bemessung der Steuer durch die Vorinstanz substanziiert beanstandet hätte, was er nicht getan hat. Das Urteil der Vorinstanz ist folglich auch hinsichtlich der Steuerbemessung zu bestätigen. 
 
5.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. März 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler