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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_398/2023  
 
 
Urteil vom 7. März 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Jürg Tschopp, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Aeschengraben 9, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Massnahmen beruflicher Art), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 8. Februar 2023 (IV.2021.113). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1967 geborene A.________ meldete sich erstmals am 4. Juni 2009 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem er ab 5. Januar 2011 als Geschäftsstellenleiter in einem 80%igen Pensum für die B.________ GmbH sowie zu 20 % als Berater bei der Beratungsstelle C.________ tätig war, verfügte die IV-Stelle des Kantons Basel-Stadt am 7. April 2011 den Abschluss der beruflichen Massnahmen. 
Am 15. Juli 2014 meldete sich A.________ ein zweites Mal bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Hinweis darauf, dass seit 2. Juli 2013 eine Arbeitsunfähigkeit bestehe. Die IV-Stelle nahm verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen vor und holte namentlich das polydisziplinäre Gutachten der GA eins GmbH, Gutachtenstelle Einsiedeln (nachfolgend: GA eins GmbH), vom 12. Oktober 2020 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 20 % und lehnte Eingliederungsmassnahmen ab (Verfügung vom 31. Mai 2021). 
 
B.  
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Urteil vom 8. Februar 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Urteils und der Verfügung vom 31. Mai 2021 sei die IV-Stelle zu verurteilen, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen, es sei ihm mindestens eine Viertelsrente zuzusprechen und die IV-Stelle sei zu verpflichten, berufliche Massnahmen abzuklären und durchzuführen; eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie berufliche Massnahmen, insbesondere eine Umschulung und Weiterbildungen, prüfe und durchführe. Ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung ersucht. 
Nach Beizug der Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4).  
 
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung; in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt. Derartige Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (vgl. zum Ganzen BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
1.3. Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person sowie bei der konkreten Beweiswürdigung beziehen sich grundsätzlich auf Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2), die das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat. Dagegen betrifft die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln Rechtsfragen, die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht frei prüft (statt vieler: Urteil 9C_457/2014 vom 16. Juni 2015 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 141 V 405, aber in: SVR 2016 BVG Nr. 11 S. 47).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 31. Mai 2021 verfügte Verneinung eines Anspruchs auf Leistungen der Invalidenversicherung (Invalidenrente und Eingliederungsmassnahmen) bestätigte. 
 
3.  
Im angefochtenen Entscheid werden die diesbezüglich massgebenden Gesetzesbestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4.  
Das kantonale Gericht hat der Expertise der GA eins GmbH vom 12. Oktober 2020 uneingeschränkt Beweiskraft zuerkannt und gestützt darauf festgestellt, dass in einer körperlich leichten bis selten mittelschweren wechselbelastenden Tätigkeit ohne wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorliege. Es bestätigte im Weiteren den durch die IV-Stelle ermittelten Invaliditätsgrad von 20 %. Diesem lag ein Valideneinkommen von Fr. 75'079.- und ein Invalideneinkommen von Fr. 59'970.-, je berechnet anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2014 des Bundesamtes für Statistik und angepasst an die Nominallohnentwicklung bis 2015, zugrunde. Den von der IV-Stelle beim Invalideneinkommen berücksichtigten leidensbedingten Abzug von 10 % erachtete es als "grosszügig" bemessen. Zudem kam es zum Schluss, dass ein Anspruch auf berufliche Massnahmen zu Recht verneint worden sei. Die verfügungsweise Abweisung des Leistungsbegehrens durch die IV-Stelle vom 31. Mai 2021 sei daher nicht zu beanstanden. 
 
5.  
 
5.1. Die vorinstanzlich getroffenen Tatsachenfeststellungen, namentlich die aus den medizinischen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse, sind im letztinstanzlichen Prozess grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1 hiervor). Im Rahmen der eingeschränkten Sachverhaltskontrolle (Art. 97 Abs. 1 BGG) ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon im vorangehenden Verfahren aufliegenden ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz hinsichtlich der medizinisch begründeten Verminderung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu korrigieren.  
 
5.2. Die Vorbringen des Beschwerdeführers zeigen keine offensichtliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils auf.  
 
5.2.1. Der Beschwerdeführer erachtet das Gutachten der GA eins GmbH vom 12. Oktober 2020 ebenfalls als beweiskräftig. Er weist aber darauf hin, dass darin fälschlicherweise die Dolmetschertätigkeit als angestammt qualifiziert werde, obwohl er diese nur im Umfang von 20 % ausgeübt habe. Deshalb habe er gegen die "Umsetzung auf den Einkommensvergleich" erhebliche Einwände. Als angestammt sei die Arbeit als Detailhandelsfachmann im Vollerwerb zu werten. Die IV-Stelle habe aber nicht weiter geprüft, ob die Tätigkeit im Detailhandel dem gutachterlich beschriebenen Zumutbarkeitsprofil entspreche. Indem die Vorinstanz ebenfalls keine weiteren Abklärungen dazu vorgenommen habe, habe sie Art. 61 lit. c und d ATSG, Art. 9 und 29 BV sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt. Zu berücksichtigen sei, dass (gemäss Expertise) Zwangshaltungen und andauernd mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar seien, was jedoch genau der Einzelhandelstätigkeit entspreche. Es müssten "tagelang" Waren in Kisten in Empfang genommen und diese von den Paletten zum Einräumen in die Regale umgeladen werden. Immer wieder seien zudem schwere Arbeiten vorzunehmen, so zum Beispiel das Bereitstellen von Pflanzenerde (in Säcken) bis zu 35 Liter.  
Im Gutachten wird aus polydisziplinärer Sicht zusammenfassend angegeben, der Beschwerdeführer sei in einer körperlich leichten bis selten mittelschweren, wechselbelastenden Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig. Dazu gehört nach den Angaben der Experten neben der Tätigkeit als Dolmetscher ausdrücklich auch diejenige im Verkauf. Lediglich körperlich schwere und andauernd mittelschwere Tätigkeiten und solche mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule sind gemäss Gutachten nicht mehr zumutbar. Aufgrund dieser Schlussfolgerungen scheint also die angestammte Tätigkeit als Detailhandelsfachmann weiterhin vollumfänglich zumutbar zu sein. Die IV-Stelle und mit ihr auch das kantonale Gericht haben aber bei der Bemessung des Invalideneinkommens anhand der LSE 2014 und aufgerechnet auf das Jahr 2015 nicht wie beim Valideneinkommen auf den Wirtschaftszweig Detailhandel und dort auf Kompetenzniveau 3 (komplexe praktische Tätigkeiten, die ein grosses Wissen in einem Spezialgebiet voraussetzen), Männer, sondern sehr wohlwollend, zugunsten des Beschwerdeführers auf das Total, Kompetenzniveau 1 (einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art), Männer, abgestellt. Ob dies richtig ist, kann dahingestellt bleiben, da eine reformatio in peius im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Frage kommt (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG). Im hier berücksichtigten Kompetenzniveau 1, Total, findet sich für Männer jedenfalls eine Vielzahl von körperlich leichten bis mittelschweren Hilfsarbeiten, womit die Einwände des Beschwerdeführers bezüglich seiner Einschränkungen im Verkauf allesamt ins Leere zielen. Gleich verhält es sich mit der Rüge hinsichtlich des von Verwaltung und Vorinstanz bei der Ermittlung des Valideneinkommens zu 20 % berücksichtigten Verdienstes als Dolmetscher. Denn auch wenn das Valideneinkommen einzig aufgrund des hypothetischen Einkommens als Detailhandelsfachmann in einem Vollzeitpensum ermittelt würde, hätte dies keinen Leistungsanspruch zur Folge. Bei einem Valideneinkommen von Fr. 76'743.- (Detailhandel, Kompetenzniveau 3, Männer) und einem Invalideneinkommen von Fr. 59'970.- (Total, Kompetenzniveau 1, Männer, 10%iger Leidensabzug) für das Jahr 2015 würde sich lediglich ein leicht höherer Invaliditätsgrad von 22 % ergeben. 
 
5.2.2. Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass die von der behandelnden Rheumatologin am 10. September 2021 neu gestellte Diagnose einer polyarthritischen Gicht im Gutachten ausdrücklich ausgeschlossen worden sei, weshalb diesbezüglich eine Nachfrage bei den Experten hätte erfolgen müssen. Das kantonale Gericht stützte sich auf die Angaben des Dr. med. D.________, Facharzt für Orthopädie und Physikalische und Rehabilitative Medizin, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 8. November 2021, der funktionelle Einschränkungen hinsichtlich einer ausschliesslich im Stehen zu verrichtenden Tätigkeit als nachvollziehbar erachtete. Der RAD-Facharzt kam zum Schluss, dass allfällige Einschränkungen aufgrund der sehr diskreten distalen Uratablagerungen, Füsse beidseits, im gutachterlichen Verweisprofil einer leichten bis selten mittelschweren wechselbelastenden 100%igen Tätigkeit bereits berücksichtigt seien. Die Vorinstanz durfte auf diese Einschätzung abstellen, ohne dass ihr eine willkürliche Beweiswürdigung vorzuwerfen wäre. Auch vor dem Hintergrund des vom Beschwerdeführer im Verfahren vor kantonalem Gericht eingereichten Berichts der Klinik E.________ vom 29. März 2022 ergibt sich nichts anderes. Dort wird nicht zuletzt explizit darauf hingewiesen, dass für die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (die im Gutachten einlässlich erörtert wurden) "entscheidend" in die Beurteilung einzubeziehen seien. Somit vermag der Beschwerdeführer auch in diesem Punkt keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Urteils aufzuzeigen.  
 
5.2.3. Mit dem kantonalen Gericht fallen schliesslich berufliche Massnahmen bei einer 100%igen Arbeitsfähigkeit (sogar) in der angestammten Tätigkeit als Detailhandelsfachmann zweifellos nicht in Betracht.  
 
6.  
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine Verletzung von Bundes- oder Staatsvertragsrecht aufzuzeigen vermag. Die Beschwerde ist vielmehr offensichtlich unbegründet. Sie wird daher im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. 
 
7.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die offensichtlich unbegründete Beschwerde (vgl. E. 6 hiervor) ist nach dem Gesagten als aussichtslos im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG anzusehen (vgl. Urteil 8C_677/2022 vom 3. Juli 2023 E. 7 mit Hinweis). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist deshalb abzuweisen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. März 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz