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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_41/2008 /len 
 
Urteil vom 7. Mai 2008 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Serge Flury, 
 
gegen 
 
X.________ Versicherungs-Gesellschaft, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Becker. 
 
Gegenstand 
Haftung des Motorfahrzeughalters, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, 
vom 29. November 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.________ (Beschwerdeführerin) verlangt von der X.________ Versicherungs-Gesellschaft (Beschwerdegegnerin) Fr. 8'845.35 nebst Zins und Kosten als Ersatz für an ihrem Personenwagen entstandenen Sachschaden. Sie behauptet, ihr Fahrzeug sei, von ihrem Ehemann gelenkt, mit einem von ihrem Bruder gelenkten aus einer vortrittsbelasteten Strasse kommenden Mietwagen, der bei der Beschwerdegegnerin versichert ist, zusammengestossen. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin haben der Ehemann und der Bruder der Beschwerdeführerin den Schaden absichtlich verursacht. Nachdem die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Gerichtspräsidium Brugg auf die Einreichung einer Replik verzichtet hatte, hiess der Gerichtspräsident Brugg am 24. November 2006 die Forderungsklage nebst Zins gut. 
 
B. 
Auf Appellation der Beschwerdegegnerin wies das Obergericht des Kantons Aargau die Klage ab. Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen des Ehemannes und einem von der Beschwerdegegnerin beigebrachten Unfallgutachten, welche die Beschwerdeführerin nicht bestritten habe, kam das Obergericht zum Schluss, es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin aufgestellten Behauptung, ihr Fahrzeug sei infolge Missachtung des Vortrittrechts durch den Fahrer des bei der Beschwerdegegnerin haftpflichtversicherten Fahrzeuges beschädigt worden. Vielmehr sprächen ernsthafte Gründe dafür, dass der Lenker des Fahrzeuges der Beschwerdeführerin die Kollision und den daraus resultierenden Schaden absichtlich bewirkt habe, wie die Beschwerdegegnerin geschildert habe. Damit sei der Beweis, dass der Lenker des bei der Beschwerdegegnerin versicherten Fahrzeugs den Schaden widerrechtlich verursacht habe, gescheitert und der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Anspruch beweislos geblieben. 
 
C. 
Die Beschwerdeführerin erhebt Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie hält an den vor Bezirksgerichtspräsidium gestellten Rechtsbegehren fest. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Rechtsmittel, soweit darauf einzutreten sei. Auch das Obergericht beantragt, die Rechtsmittel abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass der für eine Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich erforderliche Streitwert nicht erreicht wird. Sie ist jedoch der Auffassung, es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob sich der Halter eines Fahrzeugs ein allfälliges betrügerisches Verhalten des Lenkers seines Fahrzeuges derart entgegen halten lassen müsse, dass die absichtliche Schadensherbeiführung im Sinne einer Einwilligung zu würdigen sei, auch wenn der Halter nichts von der angeblich absichtlichen Herbeiführung gewusst habe, beziehungsweise, ob sich die Beschwerdeführerin eine absichtliche Schadensherbeiführung durch ihren Bruder entgegen halten lassen müsse, oder ob eine absichtliche Schadensverursachung durch ihren Ehemann ihrem Anspruch entgegen stehe. 
 
1.1 Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift darzutun, dass und inwiefern die Voraussetzung des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erfüllt ist, widrigenfalls auf das Rechtsmittel nicht eingetreten wird (BGE 133 III 439 E. 2.2.2.1 S. 442). Dabei ist zu beachten, dass der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG sehr restriktiv auszulegen ist, wobei auf die in der Botschaft enthaltene Umschreibung nicht abgestellt werden kann, da diese die Möglichkeit, subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu ergreifen, nicht berücksichtigte. Es muss sich um eine Rechtsfrage von allgemeiner Tragweite handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft (BGE 133 III 493 E. 1 S. 494 ff. mit Hinweisen). 
 
1.2 Den dargelegten Begründungsanforderungen genügt die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht. 
1.2.1 Die Beschwerdeführerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf darzulegen, die Vorinstanzen dürften sich wiederholt mit Konstellationen wie der vorliegend zu beurteilenden zu befassen haben, da angeblich gestellte Unfälle recht häufig vorkommen. 
1.2.2 Die im SVG normierte Haftung des Halters wurde vom Gesetzgeber mit Blick auf die von einem Automobil ausgehende erhöhte Betriebsgefahr geregelt. Ein zum Zwecke des Versicherungsbetrugs durchgeführtes, von beiden Lenkern gewolltes Kollisionsmanöver erweist sich unter diesem Gesichtspunkt als pathologischer Sonderfall und die besondere Konstellation, in welcher die durch den Betrug begünstigte Person nichts vom Betrug weiss, in diesem Rahmen wiederum als Sonderfall. 
1.2.3 Ob Rechtsfragen, die sich nur in derart speziellen Konstellationen stellen und an deren Beantwortung kein allgemeines Interesse besteht, grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wird in der Lehre bezweifelt (Mercedes Novier, La question Juridique de principe dans la LTF: quelques pistes, in SZZP 4/2006 S. 421 ff., S. 438; vgl. auch Spühler/Dolge/Vock, Bundesgerichtsgesetz Kurzkommentar, N. 6 ff. zu Art. 74 BGG), braucht aber nicht abschliessend beurteilt zu werden. Der Beschwerdeführer, der dem Bundesgericht eine derartige Sonderkonstellation als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unterbreiten will, hat in jedem Fall darzutun, dass ein Entscheid in dieser Sonderkonstellation für die Praxis wegleitend sein kann und die Rechtsfrage nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Dazu genügt die Begründung, angeblich gestellte Unfälle würden recht häufig vorkommen, offensichtlich nicht, denn die aufgeworfene Rechtsfrage stellt sich nur, wenn die Einwilligung des Eigentümers in die Beschädigung seines Fahrzeuges fehlt, was voraussetzt, dass der Anspruchsberechtigte selbst nichts mit dem gestellten Unfall und dem Versicherungsbetrug zu tun hat. Die Beschwerdeführerin müsste demnach aufzeigen, dass der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt, obgleich ihr nur bei einem Teil der "gestellten Unfälle" massgebende Bedeutung zukommen kann. Diesbezüglich sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin klar unzulänglich, weshalb auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten ist. 
 
2. 
Damit verbleibt der Beschwerdeführerin lediglich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Mit dieser kann nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Die Beschwerdeführerin muss angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde, und substantiiert darlegen, worin die Verletzung besteht (BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 444 mit Hinweis). Das Bundesgericht kann die Verletzung eines Grundrechtes nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtsanwendung der Vorinstanz nicht beanstandet, hat es damit sein Bewenden. 
 
2.1 Im Wesentlichen wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz vor, diverse Behauptungen der Beschwerdegegnerin als erwiesen angesehen zu haben, da die Beschwerdeführerin auf eine Replik verzichtet habe. Derartige Konsequenzen seien aber im kantonalen Prozessrecht nicht mit dem Verzicht auf eine Replik verbunden. Da die Beschwerdegegnerin für ihre Behauptungen keinerlei Beweismittel angeboten habe, sei es willkürlich, auf diese Behauptungen abzustellen. 
 
2.2 Im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime ist Beweis grundsätzlich nur über bestrittene Tatsachen zu führen (§ 198 des Zivilrechtspflegegesetzes vom 18. Dezember 1984 [Zivilprozessordnung, ZPO/AG, SAR 221.100]). Daher ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz auf unbestrittene Behauptungen der Beschwerdegegnerin abstellt, auch wenn keine Beweismittel dafür angeboten wurden. Was als bestritten zu gelten hat, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der Ausführungen und des Verhaltens einer Partei im Prozess (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N. 3 zu § 199 ZPO/AG). Die Beschwerdeführerin zeigt nicht im Einzelnen auf, wo sie die Behauptungen der Beschwerdegegnerin substanziiert bestritten haben will. Damit genügt sie ihrer Begründungspflicht nicht. Dass sich bezüglich des Unfallablaufs zwei Varianten diametral entgegenstehen, bedeutet nicht zwingend, dass deswegen sämtliche Behauptungen der Beschwerdegegnerin als bestritten zu gelten hätten. Die Beschwerdeführerin müsste vielmehr konkret aufzeigen, inwiefern ihre Ausführungen in der Klagebegründung den von der Vorinstanz als unbestritten angesehenen Tatsachen entgegenstehen. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin einen Unfall infolge Verletzung des Rechtsvortritts behauptet, lässt sich mit Bezug auf die Frage, ob es zwischen den beiden Lenkern bereits vor dem strittigen Ereignis einmal zu einem Unfall mit Versicherungsdeckung gekommen ist, nichts ableiten. Ebensowenig kann daraus auf den Inhalt der vom Ehemann der Beschwerdeführerin im Rahmen der Friedensrichterverhandlung gemachten Aussagen geschlossen werden, auf die sich die Vorinstanz stützt. Sofern angesichts der mangelhaften Begründung (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG) überhaupt auf die Rügen einzutreten ist, lässt sich keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch willkürliche Anwendung des kantonalen Prozessrechts erkennen. 
 
2.3 Soweit die Beschwerdeführerin Willkür darin erblickt, dass die Vorinstanz auf ein von der Beschwerdegegnerin eingereichtes Gutachten abgestellt hat, obwohl es sich dabei um ein Parteigutachten handelt, setzt sie sich mit dem Gutachten materiell überhaupt nicht auseinander und zeigt nicht auf, inwiefern es offensichtlich unzutreffend sein soll. Unter diesen Umständen ist die Willkürrüge von Vornherein zum Scheitern verurteilt. 
 
3. 
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten, und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. Mai 2008 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Corboz Luczak