Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_683/2024
Urteil vom 7. Mai 2025
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler,
nebenamtlicher Bundesrichter Mecca,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Verfahrensbeteiligte
Flughafen Zürich AG,
Rechtsdienst, Postfach, 8058 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. Erben der einfachen Gesellschaft A.________/B.________, bestehend aus:
2. C.A.________,
3. D.A.________,
4. E.A.________,
5. F.B.________,
Beschwerdegegner,
Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 10, c/o lic. iur. Harald Jenni.
Gegenstand
Entschädigung für Fluglärm; Verfahrenskosten nach Abschreibung,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 9. Oktober 2024 (A-1288/2022).
Sachverhalt:
A.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2000 gelangte die Einfache Gesellschaft A.________/B.________ an die Baudirektion des Kantons Zürich und ersuchte um eine Entschädigung für den Minderwert ihrer Liegenschaft Nr. 762 in der Gemeinde Oberglatt infolge der durch den Betrieb des Flughafens Zürich verursachten übermässigen Lärmeinwirkungen. Mit Schreiben vom 20. September 2000 bestätigte die Baudirektion die Anmeldung des Entschädigungsbegehrens.
B.
Am 9. November 2020 schrieb die Flughafen Zürich AG (FZAG) an G.A.________ als Vertreter der Einfachen Gesellschaft A.________/ B.________. Sie legte dar, dass die Voraussetzungen für eine Entschädigung nicht erfüllt seien, und ersuchte um den Rückzug der Entschädigungsforderung. Ansonsten sehe sich die FZAG veranlasst, ein kostenpflichtiges Verfahren bei der Eidgenössischen Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK) einzuleiten. Aufgrund der Aussichtslosigkeit der Forderung lehne sie die Übernahme der dabei entstehenden Verfahrenskosten ab. Auf dieses und weitere Schreiben erfolgte keine Reaktion. Daraufhin beantragte die FZAG mit Eingabe vom 13. Juli 2021 die Einleitung des Schätzungsverfahrens.
C.
Am 3. November 2021 teilte G.A.________ der Schätzungskommission mit, dass er nicht Vertreter der einfachen Gesellschaft A.________/B.________ bzw. der an ihre Stelle getretenen Erbengemeinschaft sei; diese bestehe aus C.A.________, D.A.________, E.A.________ und F.B.________. Am 22. November 2021 zog C.A.________ ihr Entschädigungsgesuch zurück.
D.
Mit unpräjudizieller Einschätzung vom 30. November 2021 teilte der ESchK-Vizepräsident den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft mit, dass der geltend gemachte Entschädigungsanspruch mangels Erfüllung der von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen als nicht erfolgversprechend erscheine. Ein Rückzug des Entschädigungsbegehrens und die anschliessende Abschreibung des Verfahrens sei für sie mit keinen Kostenfolgen verbunden. Daraufhin zog D.A.________ ihr Entschädigungsbegehren am 11. Dezember 2021 zurück.
Mit Verfügung vom 14. Januar 2022 verlangte die ESchK von E.A.________ und F.B.________ aufgrund des Festhaltens an einer als aussichtslos erscheinenden Entschädigungsforderung einen Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 5'000.-- für die Durchführung des Schätzungsverfahrens. E.A.________ zahlte fristgerecht ihren Anteil des Kostenvorschusses, nicht aber F.B.________. Am 16. Februar 2022 zog auch E.A.________ ihr Entschädigungsgesuch zurück.
E.
Mit Verfügung vom 3. März 2022 schrieb die ESchK das Enteignungsverfahren infolge Rückzugs ab, soweit darauf eingetreten werde (Disp.--Ziff. 1). Die Verfahrenskosten auferlegte sie der FZAG (Disp.-Ziff. 2). Mit separater Gebührenverfügung vom 4. März 2022 verpflichtete sie die FZAG zur Bezahlung von insgesamt Fr. 11'636.40.
F.
Am 17. März 2022 erhob die FZAG Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag, Disp.-Ziff. 2 der Abschreibungsverfügung sowie die Gebührenverfügung seien aufzuheben bzw. für nichtig zu erklären und die Verfahrenskosten den Mitgliedern der Erbengemeinschaft aufzuerlegen. Eventualiter seien die Verfahrenskosten zu reduzieren.
Mit Urteil vom 9. Oktober 2024 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut, hob die angefochtene Gebührenverfügung auf und wies die Sache zu neuem Entscheid an die ESchK zurück (Disp.-Ziff. 1). Es erwog, die Begründung der Gebührenverfügung genüge nicht, um überprüfen zu können, ob der in Rechnung gestellte Gesamtaufwand für die Erledigung des vorinstanzlichen Verfahrens vor dem Äquivalenzprinzip standhalte. Der Antrag der FZAG, die Kosten des Schätzungsverfahrens den Mitgliedern der Erbengemeinschaft aufzuerlegen, wurde abgewiesen (Disp.-Ziff. 2).
G.
Gegen Disp.-Ziff. 2 des bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheids hat die FZAG am 27. November 2024 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben und es seien die Verfahrenskosten vor der ESchK der Beschwerdegegnerschaft aufzuerlegen. Eventualiter sei die Frage der Auferlegung der Verfahrenskosten zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
H.
Die ESchK und C.A.________ beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf das angefochtene Urteil und hat keine weiteren Bemerkungen anzubringen.
I.
Die FZAG hält in ihrer Replik an ihren Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG).
1.1. Gegen Endentscheide des Bundesverwaltungsgerichts in enteignungsrechtlichen Streitigkeiten steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. a und 90 BGG). Den Endentscheiden gleichgestellt werden Teilentscheide i.S.v. Art. 91 BGG. Zwischenentscheide können dagegen (sofern sie nicht die Zuständigkeit oder den Ausstand i.S.v. Art. 92 BGG zum Gegenstand haben) nur dann direkt mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden, wenn sie entweder einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde ( Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG ). Die selbstständige Anfechtbarkeit von Vor- und Zwischenentscheiden bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll. Sie ist restriktiv zu handhaben, können Vor- und Zwischenentscheide doch gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
1.2. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen. Gutgeheissen wurde die Beschwerde gegen die Kostenhöhe; die angefochtene Kostenverfügung wurde aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die ESchK zurückgewiesen (Disp.-Ziff. 1). Dagegen wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens den Mitgliedern der Erbengemeinschaft aufzuerlegen, abgewiesen (Ziff. 2). Fraglich ist, ob die Beschwerdeführerin gegen diesen Teil des angefochtenen Entscheids selbstständig Beschwerde führen kann, oder ob es sich um einen Vor- oder Zwischenentscheid i.S.v. Art. 93 Abs. 1 BGG handelt.
1.3. Üblicherweise wird im selben Entscheid über alle Kostenfolgen entschieden, indem festgelegt wird, wer die Kosten trägt und in welcher Höhe. Wird der Entscheid im Kostenpunkt ganz oder teilweise aufgehoben und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen, so liegt ein Zwischenentscheid vor, denn diesfalls ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen (vgl. z.B. Urteil 4A_438/2014 vom 5. November 2014 E. 1.2, wo bereits über die Kosten der Expertise, noch nicht aber über die Verlegung dieser Kosten entschieden worden war). Das Bundesgericht soll sich nicht zweimal mit dem Kostenentscheid befassen, sondern alle Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, gleichzeitig entscheiden.
Daran ändert der Umstand nichts, dass die Schätzungskommission den Kostenentscheid in zwei separate Verfügungen aufgeteilt hat. Denn erst beide Verfügungen zusammen geben Auskunft über die Kostenfolgen des Rückzugs des Entschädigungsgesuchs. Sollte das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren die Kostenpflicht der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht bestätigen, ist damit zu rechnen, dass diese erneut wegen der Kostenhöhe an das Bundesgericht gelangt. Genau dies will Art. 93 BGG verhindern.
1.4. Es handelt sich auch nicht um selbstständig anfechtbare Teilentscheide i.S.v. Art. 91 lit. a BGG, die verschiedene Begehren behandeln, die unabhängig voneinander beurteilt werden könnten. Würde Disp.-Ziff. 2 der Abschreibungsverfügung aufgehoben, müsste auch Disp.-Ziff. 1 der Gebührenverfügung - welche einzig die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Verfahrenskosten verpflichtet - geändert werden. Dies könnte sich auch auf die Höhe der Kosten auswirken, da dem (i.d.R. nicht kostenpflichtigen) Enteigneten bei rechtsmissbräuchlicher Prozessführung die Kosten ganz oder auch nur teilweise auferlegt werden können, während die Enteignerin grundsätzlich sämtliche Kosten der Enteignung trägt. Insofern mussten beide Entscheide gemeinsam angefochten werden.
1.5. Dies hat zur Folge, dass der vor Bundesgericht angefochtene Teil als Vor- bzw. Zwischenentscheid zu qualifizieren ist. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern die Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a oder b BGG erfüllt sind. Dies liegt auch nicht auf der Hand: Es ist kein erheblicher Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren zu erwarten. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ist nicht ersichtlich; ohnehin ist die Beschwerdeführerin nicht zur Zahlung verpflichtet, solange die Kostenhöhe nicht definitiv feststeht.
2.
Damit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig ( Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG ).
C.A.________ beantragt die Zusprechung einer Parteientschädigung. Sie hat keine Anwaltsvollmacht eingereicht; die von ihr selbst unterzeichnete Vernehmlassung wurde jedoch vom Büro H.________, übermittelt und offensichtlich auch von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin dieses Büros erarbeitet; diese entspricht nach Inhalt und Umfang einer anwaltlichen Stellungnahme. Insofern rechtfertigt es sich, C.A.________ eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 9 des Reglements über die Verwaltungsgebühren des Bundesgerichts vom 31. März 2006; SR 173.110.210.2).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat C.A.________ für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Schätzungskommission Kreis 10 und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Mai 2025
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Haag
Die Gerichtsschreiberin: Gerber