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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_455/2010 
 
Urteil vom 7. Oktober 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Mathys, Bundesrichterin 
Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Koch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur, 
Beschwerdegegnerin, 
2. A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Tomaschett, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellungsverfügung (Verletzung von Verkehrsvorschriften), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 2. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 7. Mai 2009 befuhr der Werkhofarbeiter A.________ mit einem Motorkarren einen Radweg, um dort die Abfalleimer zu leeren. Nachdem er den letzten Abfalleimer geleert hatte, bestieg er sein Fahrzeug und fuhr weiter in Richtung Dreibündenstrasse, wo er links abbiegen wollte. Zur gleichen Zeit fuhr X.________ mit seinem Elektrofahrrad auf dem Radweg. Er wechselte auf den parallel verlaufenden, durch einen Grasstreifen abgetrennten Fussweg, um den abgestellten Motorkarren zu umfahren. Als er den Fussgängerstreifen der Dreibündenstrasse fahrend überquerte, wurde er vom linksabbiegenden Fahrzeug von A.________ überrascht und kam zu Fall. A.________ vermochte nicht rechtzeitig anzuhalten. Er überfuhr mit dem linken Vorderrad den Oberkörper von X.________. Dieser erlitt mehrere Rippenbrüche sowie eine Schulterblattfraktur. 
 
B. 
Der Kreispräsident Chur sprach X.________ mit Strafmandat vom 28. Oktober 2009 wegen Verletzung der Verkehrsvorschriften schuldig und nahm von einer Bestrafung Umgang. Er überband ihm die Verfahrenskosten, bestehend aus Gebühren der Staatsanwaltschaft von Fr. 50.-- und des Kreisamtes von Fr. 200.-- sowie Barauslagen der Polizei von Fr. 405.--. Das Strafmandatsverfahren gegen A.________ stellte er am gleichen Tag ein. Die Verfahrenskosten wurden auf die Staatskasse genommen. Gegen die Einstellungsverfügung betreffend A.________ erhob X.________ Beschwerde, welche das Kantonsgericht von Graubünden am 2. Februar 2010 abwies. X.________ wendet sich gegen dieses Urteil des Kantonsgerichts mit Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. A.________ sei wegen schwerer Körperverletzung und allfälliger weiterer Delikte zu verurteilen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu dessen Lasten. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Verfahren gegen den Beschwerdegegner sei zu Unrecht eingestellt worden. Er selbst sei wegen des Befahrens eines Fussweges im Strafmandatsverfahren geahndet worden. Deshalb seien ihm alle Kosten auferlegt worden. Gegen die Kostenauflage, insbesondere in Bezug auf die Barauslagen der Polizei, habe er vorsorglich Einsprache beim Kreisgericht erhoben. Dieses Verfahren bleibe pendent, bis das Verfahren gegen den Beschwerdegegner rechtskräftig erledigt sei. Eine Abänderung der Kostenverteilung in seinem Verfahren sei nur möglich, wenn die Einstellungsverfügung gegen den Beschwerdegegner aufgehoben werde. Aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung der Fälle hinsichtlich der Kostenaufteilung ergebe sich das rechtlich geschützte Interesse für die Beschwerde an das Bundesgericht. 
 
1.2 Nach Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Erhebung der Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (lit. b). Das Opfer weist ein rechtlich geschütztes Interesse auf, soweit sich der Entscheid auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Hingegen ist der Geschädigte, der nicht Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes (OHG; SR 312.5) ist, nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, soweit es um den staatlichen Strafanspruch geht (BGE 136 IV 41 E. 1.1). 
1.3 
1.3.1 Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG und des Opferhilfegesetzes sind solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Keine derartigen Zivilansprüche sind Forderungen, die sich aus dem öffentlichen Recht ergeben (vgl. BGE 128 IV 188 E. 2 S. 190 ff. mit Hinweisen). Nach Art. 26 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai 2003/14. September 2003 haften der Kanton, die Bezirke, Kreise und Gemeinden sowie die übrigen öffentlichrechtlichen Körperschaften und selbständigen Anstalten unabhängig vom Verschulden für Schäden, welche ihre Organe und die in ihrem Dienst stehenden Personen in Ausübung dienstlicher Tätigkeiten rechtswidrig verursacht haben (BR 110.100). Der Kanton Graubünden hat gestützt auf den Vorbehalt in Art. 61 Abs. 1 OR das Gesetz über die Staatshaftung (SHG; BR 170.050) erlassen. Danach haftet das Gemeinwesen für den Schaden, der Dritten durch ihre Organe und in ihrem Dienst stehenden Personen bei der Ausübung dienstlicher Tätigkeiten widerrechtlich zugefügt wird (Art. 3 SHG). Dem Staatshaftungsgesetz unterstehen die Gemeinwesen des Kantons Graubünden, deren Organe sowie die im Dienste dieser Gemeinwesen stehenden Personen bei der Ausübung dienstlicher Tätigkeiten (Art. 1 Abs. 1 SHG). Dazu gehören auch die Werkhofmitarbeiter einer Gemeinde, die in Ausübung dienstlicher Verrichtungen Abfallcontainer leeren. Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz beurteilt das Verwaltungsgericht im Klageverfahren (Art. 6 Abs. 1 SHG). Das direkte Klagerecht des geschädigten Dritten gegen die fehlbaren Organe und Personen ist ausgeschlossen (Art. 10 SHG). Diese sind für den Schaden, den sie bei Ausübung dienstlicher Tätigkeiten durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung ihrer Dienstpflicht widerrechtlich verursachen, ausschliesslich gegenüber dem Gemeinwesen verantwortlich (Art. 11 SHG). 
1.3.2 Der Beschwerdeführer hat somit trotz seiner Eigenschaft als Opfer keine Möglichkeit, zivilrechtlich direkt gegen den Beschwerdegegner vorzugehen. Ein allfälliger Anspruch gründet im öffentlichen Recht und richtet sich allein gegen das Gemeinwesen. Zivilrechtsansprüche, die er adhäsionsweise im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner geltend machen könnte, stehen ihm keine zu, weshalb er nicht nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde legitimiert ist. 
1.3.3 Eine Legitimation infolge der Kostenauflage in dem Strafmandatsverfahren, welches den Beschwerdeführer selbst betrifft, fällt ebenfalls ausser Betracht. Denn im vorliegenden Verfahren wurden dem Beschwerdeführer keine Kosten auferlegt. Es handelt sich um ein separates, vom Strafverfahren gegen ihn unabhängiges Verfahren. Sollte der Beschwerdeführer mit der dereinstigen Kostenauflage in seinem eigenen Strafverfahren, welches noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht einverstanden sein, stehen ihm dort entsprechende Rechtsbehelfe offen. 
 
2. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Oktober 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Koch