Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.188/2006/bie
Urteil vom 7. November 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hatzinger.
Parteien
X.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Y.________,
gegen
Stadtgemeinde Winterthur, vertreten durch
den Grossen Gemeinderat, 8400 Winterthur,
Bezirksrat Winterthur, Lindstrasse 8,
8400 Winterthur,
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich.
Gegenstand
Taxordnung für die städtischen Alters-, Wohn- und Pflegezentren sowie die Tagesklinik Adlergarten
vom 11. November 2004,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Regierungsrats des Kantons Zürich vom
14. Juni 2006.
Sachverhalt:
A.
Am 11. November 2004 erliess die Vorsteherin des Departements Soziales der Stadt Winterthur eine neue Taxordnung für die städtischen Alters-, Wohn- und Pflegezentren sowie die Tagesklinik Adlergarten. Hiergegen reichte X.________, vertreten durch ihren Sohn Y.________, Einsprache beim Stadtrat Winterthur ein, welcher das Rechtsmittel am 9. März 2005 abwies. Y.________ rekurrierte gegen diesen Entscheid sodann an den Bezirksrat Winterthur. Dieser trat mit Beschluss vom 28. Oktober 2005 auf den Rekurs nicht ein, da dessen Gegenstand auf unzulässige Art geändert worden sei. Ein weiteres von Y.________ bis zum Bundesgericht geführtes Verfahren betreffend die alte einschlägige Taxordnung vom 20. November 2003 erklärte der Abteilungspräsident infolge Beschwerderückzugs mit Verfügung vom 8. Februar 2006 (2P.335/2005) als erledigt.
B.
Gegen den Beschluss des Bezirksrats Winterthur vom 28. Oktober 2005 gelangte X.________ an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser wies den Rekurs am 14. Juni 2006 ab.
C.
X.________ hat am 15. Juli 2006 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, den Beschluss des Regierungsrats aufzuheben.
Der Stadtrat Winterthur und der Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die kantonale Gesundheitsdirektion, beantragen, die Beschwerde abzuweisen (soweit darauf einzutreten sei). Der Bezirksrat Winterthur hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der Entscheid des Regierungsrats ist kantonal letztinstanzlich, da er nicht an das kantonale Verwaltungsgericht weitergezogen werden kann (vgl. § 41 Abs. 1 des Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG/ZH]; Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, N. 8 zu § 41, N. 115 f. zu § 50). Gegen den Beschluss des Regierungsrats ist die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich zulässig, zumal kein anderes eidgenössisches Rechtsmittel zur Verfügung steht (Art. 84 Abs. 2 OG). Namentlich fällt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 ff. OG) ausser Betracht, dies schon deswegen, weil es sich bei der angefochtenen Taxordnung um einen generell-abstrakten Erlass handelt und dieses Rechtsmittel gegen Verfügungen über Tarife ohnehin nicht gegeben ist (Art. 99 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 132 II 257 E. 2.3 S. 261; siehe dagegen Art. 84 Abs. 1 lit. a OG zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale Erlasse; sog. abstrakte Normenkontrolle; vgl. dazu BGE 118 Ia 64 E. 2c S. 72; 125 I 71 E. 1c S. 76 f.).
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht untersucht nicht von Amtes wegen, ob dieser verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (statt vieler BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 110 Ia 1 E. 2a S. 3). Soweit die Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt, ist darauf nicht einzutreten.
1.3 Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens kann lediglich die Frage bilden, ob der Bezirksrat zu Recht nicht auf den Rekurs der Beschwerdeführerin eingetreten ist. Diese Frage prüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür, da es sich dabei um kantonales Verfahrensrecht geht (vgl. BGE 131 I 113 E. 3.2 S. 115; 126 I 68 E. 3b S. 73).
2.
Soweit die Beschwerdeschrift unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Verfahrensgegenstandes (E. 1.3) den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügt, kann diesbezüglich entgegen den Rügen der Beschwerdeführerin von Willkür oder überspitztem Formalismus keine Rede sein.
2.1
2.1.1 Willkür (Art. 9 BV) liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (vgl. etwa BGE 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9).
2.1.2 Das aus Art. 29 Abs. 1 BV fliessende Verbot des überspitzten Formalismus wendet sich gegen prozessuale Formstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert. Das Bundesgericht prüft frei, ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt (BGE 128 II 139 E. 2a S. 142 mit Hinweisen).
2.2 Der Bezirksrat ist auf den Rekurs deswegen nicht eingetreten, weil die Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise neue Rechtsbegehren gestellt habe. Dass im Rekursverfahren der Streitgegenstand nicht erweitert werden darf bzw. keine neuen materiellen Begehren gestellt werden dürfen (vgl. dazu auch Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., N. 86 f. der Vorbem. zu §§ 19 - 28 VRG/ZH), ist grundsätzlich unbestritten. Die konkreten Rekursanträge an den Bezirksrat lauteten wie folgt:
1. Es sei der Beschluss des Stadtrates Winterthur vom 9. März 2005 und die Taxordnung für die städtischen Krankenheime und Tagesklinik vom 11. November 2004 aufzuheben.
2. Die Taxen für die Bewohnerinnen, deren Aufenthaltsdauer länger als ein Jahr dauert, sollen ab dem zweiten Jahr nur so weit angehoben werden dürfen, als dies dem Ausgleich der Teuerung entspricht.
3. Das Verfahren sei zu sistieren, bis der Entscheid über die Taxordnung vom 20. November 2003 bzw. den Beschluss des Bezirksrates vom 17. Dezember 2004 definitiv ist, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
Der Rekurs wurde im Wesentlichen damit begründet, es seien zusätzliche Beträge für Pflegeleistungen insofern zu Unrecht erhoben worden, als diese vorab durch Art. 44 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10; Tarifschutz) abschliessend geregelt seien. Selbst wenn dies zu Recht erfolgt sei, fehle es dafür an einer genügenden Rechtsgrundlage. Dagegen hatte die Beschwerdeführerin in der Einsprache vom 22. November 2004 an den Stadtrat Folgendes beantragt:
"Da es sich bei den unter der Rubrik «nicht KVG-pflichtige Betreuung» enthaltenen Leistungen nicht um Pflegeleistungen handeln kann, möchten wir als Angehörige mit der Bewohnerin selbst entscheiden können, welche Teile davon wir beim Adlergarten beziehen und welche wir allenfalls selbst erbringen möchten. Wir bitten Sie, die Tarifstruktur diesem Bedürfnis anzupassen."
Darüberhinaus wurde in der Einsprache u.a. ausgeführt, die Taxen für nicht KVG-pflichtige Betreuung widersprächen dem Tarifschutz gemäss Art. 44 KVG; sie halte daher die Zahlungen an das Krankenheim vorläufig teilweise zurück.
2.3 Aufgrund des Wortlautes der Einspracheschrift und insbesondere unter Berücksichtigung des durch Umrahmung hervorgehobenen förmlichen Antrags lässt sich durchaus die Auffassung vertreten, dass es der Beschwerdeführerin vor allem darum ging, selber darüber zu entscheiden, welche nicht KVG-pflichtigen Leistungen sie im Pflegeheim Adlergarten in Anspruch nehmen bzw. von Dritten erbringen lassen will. Demgegenüber verlangte sie im Rekurs an den Bezirksrat die Aufhebung der Taxordnung schlechthin. Darin durften die kantonalen Behörden entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin eine unzulässige Erweiterung des Rechtsbegehrens erblicken, auch wenn sie sich in der Begründung des Einsprachebegehrens bereits auf den Tarifschutz gemäss Art. 44 KVG, mit welchem sie ihren Aufhebungsantrag in erster Linie begründete, berufen hatte.
2.4 Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen gegen die neue Taxordnung namentlich noch einwendet, es sei zu Unrecht eine Taxe für nicht KVG-pflichtige Betreuung neu eingeführt worden, wobei die kantonalen Instanzen ihre diesbezüglichen Ausführungen in den Rechtsschriften nicht berücksichtigt hätten, kann auf diese materiellen Einwände nicht weiter eingegangen werden (vgl. E. 1.3).
3.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG ). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Stadtgemeinde Winterthur, dem Bezirksrat Winterthur und dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. November 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: