Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4P.267/2005 /len
Urteil vom 7. November 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiberin Hürlimann.
Parteien
Swiss International Air Lines AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adrian von Kaenel,
gegen
Swiss Pilots Association,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
Zivilgericht Basel-Stadt, Einzelrichter.
Gegenstand
Art. 18 KSG, Art. 29 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Schiedsverfahren; Ablehnung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt, Einzelrichter,
vom 1. September 2005.
Sachverhalt:
A.
Die Swiss Pilots Association (Beschwerdegegnerin) und die Swiss International Air Lines AG (Beschwerdeführerin) stehen sich in einem schiedsgerichtlichen Verfahren gegenüber. Das Schiedsgericht, bestehend aus drei Schiedsrichtern, hat in gleicher Besetzung am 15. Juli 2002 und am 17. Juni 2003 Urteile erlassen. Am 29. April 2005 reichte die Beschwerdegegnerin eine neue Klage ein. Die Parteien hatten vereinbart, dass dafür das Schiedsgericht in gleicher Besetzung zuständig sein sollte. Da aber der von der Beschwerdeführerin nominierte Schiedsrichter zurückgetreten war, hatte sie einen neuen Schiedsrichter zu benennen. Der von ihr ernannte Prof. X.________ wird von der Beschwerdegegnerin als befangen abgelehnt.
A.a Die Beschwerdegegnerin begründete ihr Ausstandsbegehren vom 11. Juni 2005 schriftlich damit, dass ihr Anwalt den von der Gegenpartei nunmehr ernannten Schiedsrichter im Sommer 2002 nach Eröffnung des ersten Schiedsurteils telefonisch um Rat in Bezug auf einige Punkte in der Auseinandersetzung mit der Beschwerdeführerin gefragt habe. Der Schiedsrichter habe in der Folge um Zustellung von Rechtsschriften und der beiden zur Diskussion stehenden Gesamtarbeitsverträge ersucht und die gewünschten Unterlagen auch erhalten. Er habe sich zu einzelnen Punkten am Telefon geäussert, danach aber trotz Nachfragen nichts mehr von sich hören lassen. Er habe darauf aber eine äusserst kritische Besprechung des ersten Schiedsurteils publiziert. Dass er quasi ins gegnerische Lager gewechselt habe, sei auch daraus ersichtlich, dass er Kontakt mit einem früheren Assistenten, der in der Zwischenzeit bei der Beschwerdeführerin tätig geworden sei, gepflegt habe. Er gebe auch zusammen mit dem Konsulenten des Anwaltsbüros, dem der Vertreter der Beschwerdeführerin angehöre, ein Periodikum heraus.
A.b Die Beschwerdeführerin liess sich am 15. August 2005 zum Ausstandsbegehren der Beschwerdegegnerin ebenfalls schriftlich vernehmen. Sie widersetzte sich dem Begehren unter anderem unter Berufung auf eine Stellungnahme des von ihr ernannten Schiedsrichters mit der Begründung, der damalige Kontakt zwischen dem Anwalt der Beschwerdegegnerin und dem Schiedsrichter sei aus dessen Sicht rein wissenschaftlicher Natur und keine Rechtsberatung gewesen; mit seinem früheren Assistenten, der im übrigen bereits nicht mehr für die Beklagte tätig sei, habe er einen einmaligen Kontakt gehabt, der mit der Auseinandersetzung zwischen den Parteien nichts zu tun gehabt habe, und die publizistische Zusammenarbeit mit dem nebenbei auch als Rechtskonsulent tätigen wissenschaftlichen Kollegen sei wissenschaftlicher Natur und begründe keine Verbindung zum Anwaltsbüro, in dem dieser Konsulent sei.
A.c Der Einzelrichter am Zivilgericht Basel-Stadt entschied am 30. August 2005, die Ernennung von Prof. X.________ als Schiedsrichter im zwischen den Parteien hängigen Schiedsverfahren werde in Gutheissung des Begehrens aufgehoben. Der Einzelrichter gelangte zwar zum Schluss, die behaupteten Verbindungen zu einem früheren Assistenten entbehrten der Grundlage und auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit bei der Herausgabe eines Periodikums mit einem Kollegen, der als Rechtskonsulent in der Anwaltsfirma des Vertreters der Beschwerdeführerin tätig sei, vermöge keine Befangenheit zu begründen. Der Einzelrichter liess sodann offen, ob der Schiedsrichter mit dem Ersuchen um Unterlagen gegenüber der Beschwerdegegnerin schon den Anschein erweckte, es bestehe das Vertrauensverhältnis einer Rechtsberatung. Als entscheidend erachtete er, dass die neue Klage nur formell ein neues Verfahren einleite, während es materiell eher um einen dritten Verfahrensschritt gehe. Da der nachmalige Schiedsrichter in einer Fachpublikation das erste Schiedsgerichtsurteil kommentiert hatte, betrachtete er ihn als befangen.
B.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den Entscheid des Einzelrichters am Zivilgericht Basel-Stadt am 3. Oktober 2005 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei das Ausstands- bzw. Ablehnungsbegehren einschliesslich des Antrags, die Ernennung von Prof. X.________ sei aufzuheben, abzuweisen (Ziffer 1), eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziffer 2). Prozessual stellte sie den Antrag, es sei das Verfahren einstweilen zu sistieren, da sie beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Beschwerde erhoben hatte.
Mit Verfügung vom 7. Oktober 2005 setzte der Präsident der I. Zivilabteilung das Verfahren bis zum Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt antragsgemäss aus.
Mit Urteil vom 28. Dezember 2005 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde gegen den Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten vom 30. August 2005 ab. Gegen diesen kantonal letztinstanzlichen Entscheid (Art. 86 f. OG) hat die Beschwerdeführerin wiederum staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (Art. 86 Abs. 1 OG). Für Ausstandsbegehren sieht Art. 86 Abs. 2 OG keine Ausnahme vor. Das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges gilt auch für selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 87 Abs. 1 OG (BGE 132 I 92 E. 1.3 S. 93; 129 I 313 E. 3.1 S. 316).
1.1 Nach konstanter Praxis ist jeder kantonale Rechtsweg zu beschreiten, der dem Beschwerdeführer Anspruch auf einen Entscheid gibt und geeignet ist, den behaupteten rechtlichen Nachteil zu beheben (BGE 131 I 372 E. 1.2.1 S. 374; 126 III 485 E. 1a S. 486 f.; 120 Ia 61 E. 1a S. 62, je mit Verweisen). Verlangt wird nicht, dass vor der kantonalen Instanz die Rüge der Verfassungsverletzung als solche erhoben werden kann; vielmehr genügt, dass die Rüge der Verletzung von Rechtsnormen - wie z.B. von Verfahrensgarantien - jenen Bereich abdeckt, der Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist und dass im Falle des Obsiegens vor der kantonalen Instanz der Hoheitsakt, welcher Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde bildet, aufgehoben werden kann (vgl. Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 333).
1.2 Nach § 242 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 der Zivilprozessordnung des Kantons Basel-Stadt ist die Beschwerde wegen Verfahrensmangels und Willkür möglich. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ist gestützt auf diese Bestimmung auf die Beschwerde eingetreten und hat geprüft, ob der Zivilgerichtspräsident in Willkür verfallen sei oder einen Verfahrensmangel gesetzt habe, indem er das Ausstandsgesuch guthiess. Daraus ergibt sich, dass das Rechtsmittel der kantonalen Beschwerde zur Verfügung stand und geeignet war, den von der Beschwerdeführerin behaupteten rechtlichen Nachteil zu beheben. Der Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten ist daher nicht kantonal letztinstanzlich und die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht zulässig.
2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Das Bundesgericht verzichtet freilich in konstanter Praxis auf das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, wenn an der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ernsthafte Zweifel bestehen (BGE 132 I 92 E. 1.5 S. 94 mit Verweisen). Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Rechtsschrift nachgewiesen, dass die Zulässigkeit kantonaler Rechtsmittel gegen einen Entscheid über die Ablehnung eines Schiedsrichters im Sinne von Art. 21 in Verbindung mit Art. 3 lit. b und 45 Abs. 2 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 1969 in der Lehre umstritten ist. Es ist davon auszugehen, dass objektiv zweifelhaft war, ob das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt auf die Beschwerde gemäss § 242 ZPO BS eintrete. Nachdem die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt Beschwerde eingelegt hat, rechtfertigt es sich unter diesen Umständen, auf die Erhebung von Gerichtskosten für das vorliegende Verfahren zu verzichten. Da die Gegenpartei nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde, sind ihr keine Parteikosten erwachsen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Zivilgericht Basel-Stadt, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. November 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: