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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_472/2023  
 
 
Urteil vom 7. November 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Häusermann, Walder Häusermann Rechtsanwälte AG, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jürgen Imkamp, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 15. Juni 2023 (UE220296-O/U/SBA). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 15. Juni 2021 erstattete A.________ bei der Staatsanwaltschaft Il des Kantons Zürich Strafanzeige gegen B.________, Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies, wegen Amtsmissbrauchs etc.. Er erhob den Vorwurf, B.________ habe ihn, den in Haft befindlichen Anzeigeerstatter, am 23. Mai 2021 durch einen Tritt mit dem Fuss gegen den durch die Versorgungsklappe der verschlossenen Zelle herausragenden Arm verletzt. 
Nachdem die Ermächtigung zur Strafverfolgung von B.________ erteilt worden war, verfügte die Staatsanwaltschaft am 3. Oktober 2022 die Einstellung der Strafuntersuchung. 
 
B.  
Mit Beschluss vom 15. Juni 2023 wies das Obergericht des Kantons Zürich die von A.________ gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt dem Bundesgericht, der Beschwerdeentscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Fortsetzung der Strafuntersuchung durch eine vom Zürcher Justizapparat unabhängige Staatsanwaltschaft, eventualiter durch die Staatsanwaltschaft II, zurückzuweisen. Eventualiter sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Erhebung einer Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und (kumulativ) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Legitimiert ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG insbesondere die Privatklägerschaft, mithin die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen indes nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Zivilforderungen im Sinne dieser Bestimmung sind unmittelbar aus der Straftat resultierende und vor den Zivilgerichten geltend zu machende Ansprüche, in erster Line solche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, sind keine Zivilansprüche, die adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden können. Die Einstellung des Strafverfahrens bzw. die Nichtanhandnahme einer Untersuchung kann sich diesfalls nicht auf Zivilansprüche auswirken (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 125 IV 161 E. 2b; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG ist zur Beschwerde ferner die Person berechtigt, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht.  
 
1.2. Der zur Anzeige gebrachte Sachverhalt hat sich in der JVA Pöschwies und damit während der Dienstzeit von B.________ abgespielt. Damit stehen keine zivilrechtlichen, sondern staatshaftungsrechtliche Ansprüche im Raum, womit die Legitimationsvoraussetzungen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht gegeben sind. Unbehelflich ist diesbezüglich der Verweis des Beschwerdeführers auf die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, denn der Begriff des Zivilanspruchs im Sinne von Art. 6 EMRK ist mit demjenigen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht deckungsgleich.  
 
2.  
 
2.1. Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Derartige formelle Rügen sind weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Insbesondere wird mit der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach die Strafuntersuchung nicht unabhängig geführt worden sei, dadurch sein Anspruch auf eine effektive Untersuchung verletzt sei und die Vorinstanz diesbezüglich auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze, letztlich einzig eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids angestrebt. Dies ist unter dem Titel der Star-Praxis nicht zulässig. Dementsprechend geht insbesondere auch der im Zusammenhang mit der Star-Praxis gemachte Verweis des Beschwerdeführers auf die aus Art. 3 und Art. 8 EMRK fliessenden Gewährleistungspflichten des Staates an der Sache vorbei.  
 
3.  
Der B eschwerdeführer stützt seine Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen weiter sinngemäss auf das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK). 
 
3.1. Ohne nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (Zivilansprüche) legitimiert zu sein, kann sich die Privatklägerschaft gegen eine Verfahrenseinstellung zur Wehr setzen, sofern ein verfassungsmässiger oder völkerrechtlicher Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz vorgesehenen Strafen besteht. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-Konvention; SR 0.105) einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141 IV 349 E. 3.4.2; 138 IV 86 E. 3.1.1; je mit Hinweisen). In diesem Sinne hat Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wer in vertretbarer Weise geltend macht, von staatlichen Stellen misshandelt worden zu sein (BGE 131 I 455 E. 1.2.5; zum Ganzen: 6B_1301/2021 vom 9. März 2023 E. 1.2; 6B_1055/2020 vom 13. Juni 2022 E. 3.3.2; 6B_345/2021 vom 27. April 2022 E. 2.2.2; je mit Hinweisen).  
Nach den zitierten Normen ist Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung verboten. Um unter diese Bestimmungen zu fallen, muss eine Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen. Die Würdigung des Mindestmasses hängt von den gesamten Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie allenfalls von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Person. Zu berücksichtigen sind ferner der Zweck der Behandlung sowie die Absicht und der Beweggrund, die ihr zugrunde liegen, ebenso der Zusammenhang, in dem sie steht. Eine Behandlung ist erniedrigend, wenn sie Gefühle der Angst, Qual oder Unterlegenheit hervorruft und geeignet ist, zu demütigen, zu entwürdigen und gegebenenfalls den physischen oder psychischen Widerstand zu brechen oder jemanden dazu zu bewegen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln (vgl. BGE 134 I 221 E. 3.2.1; 124 I 231 E. 2b mit Hinweisen). Als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Bestimmungen gilt nicht jede Behandlung, die vom Betroffenen als unangenehm oder lästig empfunden wird, sondern nur eine Misshandlung, die ein bestimmtes Mass an Schwere erreicht und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringt. Einschränkungen im Wohlbefinden, die durch den legitimen Zweck einer staatlichen Massnahme zwangsläufig bedingt werden, fallen nicht unter diese Bestimmungen (zum Ganzen: Urteile 6B_1306/2022 vom 13. Juni 2023 E. 1.2.2; 6B_1062/2021 vom 27. Mai 2022 E. 4 mit Hinweisen). 
Ist jemand seiner Freiheit beraubt, beeinträchtigt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Anwendung körperlicher Gewalt, soweit sie nicht aufgrund des Verhaltens des Betroffenen unbedingt erforderlich ist, die menschliche Würde und stellt grundsätzlich eine Verletzung von Art. 3 EMRK dar (BGE 131 I 455 E. 1.2.6; Urteil 6B_345/2021 vom 27. April 2022 E. 2.2.2; je mit Hinweisen). 
 
3.2. Auch die von einem Inhaftierten geltend gemachte körperliche Misshandlung muss ein Mindestmass an Schwere aufweisen, um unter Art. 3 EMRK zu fallen. Vorliegend sind weder körperliche Verletzungen aktenkundig, noch werden intensive physische oder psychische Leiden behauptet. Dass ihm gestützt auf Art. 3 EMRK ein Eintretensanspruch zustehen würde, vermag der Beschwerdeführer mit dem blossen Hinweis auf einen Tritt gegen seinen Arm nicht aufzuzeigen.  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unzulässig. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den angespannten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. November 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger