Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.21/2004 /lma 
 
Urteil vom 8. April 2004 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, 
 
gegen 
 
B.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Kradolfer, 
Obergericht des Kantons Thurgau. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Zivilprozess; Beweiswürdigung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 21. August 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Arbeitsvertrag vom 13. März 2001 stellte die B.________ AG (nachstehend: Beklagte) A.________ (nachstehend: Kläger) ab dem 2. Mai 2001 als Mitarbeiter im Bereich der Qualitätssicherung an. Der Kläger arbeitete in einem Team von drei Personen. Ende November 2001 wurde C.________ als Teamleiter angestellt. In der Folge kam es zwischen ihm und dem Kläger zu Problemen, welche zu diversen Besprechungen führten. Am 11. Januar 2002 fand erneut eine Personalbesprechung statt, welche der Kläger nach kurzer Zeit verliess. Mit Schreiben vom 17. Januar 2002 gelangte der Kläger an den Personalleiter der Beklagten, D.________, und schilderte ihm die Probleme mit C.________. Mit Schreiben vom 15. Februar 2002 kündigte die Beklagte dem Kläger das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist per Ende Mai 2002. Zur Begründung der Kündigung wies die Beklagte auf verschiedene Konfliktsituationen hin und warf dem Kläger vor, er habe ein unkollegiales und egoistisches Verhalten gezeigt. Der Kläger legte das Kündigungsschreiben dem Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft E.________ vor. Dieser wies den Kläger auf die Gefahr hin, dass die Begründung der Kündigung zu Einstelltagen bei der Arbeitslosenkasse führen könnte. Um dies zu verhindern versprach der Gewerkschaftssekretär dem Kläger, für ihn ein Schreiben zu verfassen. Am 28. Februar 2002 liess der Gewerkschaftssekretär der Beklagten ein Schreiben zukommen, in dem er ihre Vorwürfe gegen über dem Kläger relativierte, jedoch mitteilte, dieser akzeptiere die Kündigung. Mit Schreiben vom 5. März 2002 verlangte der Kläger von der Beklagten die Richtigstellung der im Kündigungsschreiben vom 15. Februar 2002 gemachten Aussagen. In diesem Schreiben nahm der Kläger zu den einzelnen Vorwürfen Stellung und kam zum Ergebnis, diese seien zum grössten Teil widerlegbar. Am 10. April 2002 liess der Kläger der Beklagten folgenden eingeschriebenen Brief zukommen: 
"Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich den Inhalt, beziehungsweise die Begründung (hauptsächlichen Punkte) meiner Kündigung vom 15. Februar 2002 nicht akzeptiere und werde mir daher rechtliche Schritte vorbehalten." 
Am 18. April 2002 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Personalleiter und zwei Vertretern der Betriebskommission der Beklagten statt. Im Besprechungsbericht vom gleichen Tag führte der Personalleiter insbesondere aus: 
"Am 18.4. trafen wir uns in meinem Büro. A.________ brachte ein OR/ZGB mit. Ich wollte A.________ aus sozialen Überlegungen vorschlagen, dass er bei B.________ AG noch 1 evtl. 2 Monate länger bleiben könnte (sofern bro damit einverstanden wäre), wenn er noch keine Stelle gefunden habe. Dazu kam ich jedoch vorerst nicht, da A.________ sogleich wieder aggressiv mit Vorwürfen an die Adresse von B.________ AG loslegte und wieder auf die Kündigung und C.________ zu sprechen kam. Diese "Geschichte" wollte ich nicht nochmals diskutieren und ging deshalb nicht auf die Vorwürfe ein. Ich sagte A.________, dass die Kündigung nicht zurückgezogen und auch nicht abgeändert wird. Aufgrund seiner Ueberreaktion werde ich das Angebot, das ich ihm ursprünglich machen wollte, zurückziehen. 
Ein Wiedersehen vor Gericht ist sehr wahrscheinlich nötig." 
Mit Schreiben vom 2. Mai 2002 teilte der Kläger der Beklagten den von ihm berechneten Austrittstag mit. Am 19. Juni 2002 verlangte der Kläger von der Beklagten ein korrektes und faires Arbeitszeugnis. 
B. 
Mit Weisung vom 13. Dezember 2002 belangte der Kläger die Beklagte vor der Bezirksgerichtlichen Kommission Arbon auf Zahlung von Fr. 18'850.-- netto nebst Zins ab 28. November 2002. Zur Begründung führte der Kläger an, die Kündigung der Beklagten sei missbräuchlich gewesen, weshalb er eine Entschädigung in der Höhe von drei Monatslöhnen verlange. Die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon wies die Klage mit Urteil vom 4. März 2003 ab. Auf Berufung des Klägers hin wies mit Urteil vom 21. August 2003 auch das Obergericht des Kantons Thurgau die Klage ab. Als Hauptbegründung gab es an, der Kläger habe keine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung verlangen können, weil er innert der Kündigungsfrist gegen die Kündigung keine schriftliche Einsprache erhoben habe. Als Eventualbegründung führte das Obergericht an, selbst wenn das Schreiben vom 10. April 2002 als Einsprache qualifiziert würde, müsste die Klage abgewiesen werden, weil die Kündigung nicht missbräuchlich gewesen sei. 
C. 
Der Kläger ficht das Urteil des Obergerichts sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit Berufung an. Mit der Beschwerde beantragt er, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zwecks Durchführung des Beweisverfahrens und zur Neuentscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Beschwerde soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Beschwerde ist gemäss der Regel in Art. 57 Abs. 5 OG vor der Berufung zu behandeln. 
1.2 Der anfechtbare Entscheid beruht auf zwei voneinander unabhängigen Begründungen, welche beide angefochten werden müssen, um den Entscheid im Ergebnis umstossen zu können (BGE 111 II 398 E. 2b S. 399 f.; 107 Ib 264 E. 3b S. 268; 105 Ib 221 E. 2c S. 224, mit Hinweisen). Diesem Erfordernis wird der Beschwerdeführer gerecht, da er beide Begründungen sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit Berufung anficht. Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist demnach grundsätzlich einzutreten. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht willkürliche Beweiswürdigung vor. 
2.2 Art. 9 BV gewährt den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Ein Entscheid ist nicht schon dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist (BGE 128 II 259 E. 5 S. 280 f.; 127 I 54 E. 2b). Soweit Willkür in der Ermittlung des Sachverhalts geltend gemacht wird, ist zu beachten, dass dem Sachrichter in der Beweiswürdigung ein breiter Ermessensspielraum zusteht (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Dieser wird erst überschritten, wenn der kantonale Richter sein Ermessen missbraucht, indem er zum Beispiel, offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen (BGE 112 Ia 369 E. 3 S. 371) oder erhebliche Beweise ausser Acht gelassen hat (BGE 118 Ia E. 1b S. 30; 112 Ia 369 E. 3 S. 371; 100 Ia 119 E. 4 und 5 S. 127 ff.). 
2.3 Das Obergericht kam in tatsächlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können, dass er mit seinem Schreiben vom 10. April 2002 gegen die Kündigung an sich habe Einsprache erheben wollen. Zur Begründung führte das Obergericht zusammengefasst an, gemäss dem Schreiben des Gewerkschaftssekretärs vom 28. Februar 2002 habe der Beschwerdeführer die Kündigung akzeptiert. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer dieses Schreiben damals nicht gekannt und erstmals im Verlaufe des Verfahrens gesehen habe, zumal er behauptet habe, er habe mit dem Schreiben vom 10. April 2002 Gegensteuer geben wollen. Zudem treffe nicht zu, dass lediglich Anwälte ihre Klienten mit Orientierungskopien jedes Schreibens orientierten, dies aber in anderen Branchen, z.B. bei Gewerkschaften, Treuhändern und Versicherungen unüblich sei. In der Regel würden die Gewerkschaftsmitglieder, wenn sie Rechtsschutz suchten und erhielten eine schriftliche Vollmacht unterzeichnen und ihnen würde alle Korrespondenz zugestellt. Im Einklang, damit dass der Beschwerdeführer zunächst nur gegen die Kündigungsgründe habe protestieren wollen, stehe auch das Schreiben seiner Rechtsvertreterin vom 19. Juni 2002, mit dem lediglich ein korrektes und faires Arbeitszeugnis verlangt worden sei. Alsdann ging das Obergericht davon aus, der Beschwerdeführer sei nicht glaubhaft, wenn er angebe, er habe sich beim K-Tipp über die rechtlichen Gegebenheiten informiert und dort die Information erhalten, er müsse schreiben, dass er die Kündigung nicht akzeptiere. Hätte dies zugetroffen, so hätte dem Beschwerdeführer auch als juristischen Laien klar sein müssen, dass er in unmissverständlicher Weise die Kündigung an und für sich und nicht nur die Kündigungsgründe hätte ablehnen müssen. Gerade dies habe er jedoch nicht getan. Weiter ging das Obergericht davon aus, Indizien würden dagegen sprechen, dass die Beschwerdegegnerin die Besprechung vom 18. April 2002 als Einigungsverhandlung taxiert habe. In seinem Besprechungsbericht nehme D.________ zwar ausdrücklich auf den eingeschriebenen Brief Bezug und führe aus, dass er deswegen das Gespräch mit dem Beschwerdeführer gesucht und einen Termin vorgeschlagen habe. Im Bericht stehe jedoch auch, dass D.________ die Absicht hatte, dem Beschwerdeführer aus sozialen Überlegungen vorzuschlagen, dass dieser noch ein bis zwei Monate länger bei der Beschwerdegegnerin bleiben könne, sofern er noch keine Stelle gefunden habe. Daraus könne nur gefolgert werden, dass es darum gegangen sei, die soziale Härte der Kündigung etwas abzufedern, jedoch nicht, das Anstellungsverhältnis noch länger als maximal zwei Monate fortzusetzen. Aus der Angabe von D.________, er werde die Kündigung nicht zurückziehen und auch nicht abändern und ein Wiedersehen vor Gericht sei wahrscheinlich, könne nicht abgeleitet werden, die Beschwerdegegnerin habe das Schreiben vom 10. April 2002 als Einsprache verstanden, weshalb sie am 18. April 2002 eine Einigungsverhandlung habe durchführen wollen. 
2.4 Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Beweiswürdigung sei willkürlich. Zwar mute es eigenartig an, dass ein Gewerkschaftssekretär ein Schreiben wie dasjenige vom 28. Februar 2002 ohne entsprechende Absprache mit dem Beschwerdeführer und ohne Kopie an ihn an die Beschwerdegegnerin richte. Dazu seien jedoch mangels beweismässiger Abklärungen keine präzisen Aussagen möglich. Selbst wenn dieses Schreiben dem Beschwerdeführer als persönliche Willenserklärung angerechnet würde, müsse es ihm gestattet sein, seine Meinung über das Akzeptieren der Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist noch zu ändern. Der Beschwerdegegnerin habe deshalb aufgrund des wesentlich späteren Schreibens des Beschwerdeführers vom 10. April 2002 klar sein müssen, dass er mit der Kündigung nicht oder nicht mehr einverstanden sei. Dies habe die Beschwerdegegnerin tatsächlich auch so verstanden. Andernfalls hätte die Einigungsverhandlung vom 18. April 2002 gar keinen Sinn gemacht. Dort sei gemäss dem Bericht des Personalleiters der Beschwerdegegnerin über die Aufrechterhaltung der Kündigung oder Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers diskutiert worden, was Inhalt einer Einigungsverhandlung sei. Demnach hätten beide Parteien das Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. April 2002 als Einsprache im Rechtssinne aufgefasst. Die gegenteilige Feststellung des Obergerichts sei willkürlich. 
2.5 Die Rüge ist unbegründet. Indem der Beschwerdeführer geltend macht, er habe die Meinung ändern können, gesteht er ein, dass die Annahme, er habe die Kündigung gemäss dem Schreiben des Gewerkschaftssekretärs vom 28. Februar 2002 ursprünglich akzeptieren wollen, nicht willkürlich ist. Inwiefern sich aus dem Schreiben vom 10. Februar 2002 eine Meinungsänderung ergeben soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Besprechung der Parteien vom 18. April 2002 auch nicht zwingend, dass die Beschwerdegegnerin von einer Meinungsänderung ausgegangen ist. So hätte diese Besprechung auch für den Fall sinnvoll sein können, dass der Beschwerdeführer die Kündigung nach wie vor akzeptiert, da in jedem Fall der Streitpunkt bezüglich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu bereinigen war, worüber an der Besprechung offenbar ergebnislos diskutiert wurde. Zudem hätte die Beschwerdegegnerin unabhängig von der Akzeptanz der Kündigung durch den Beschwerdeführer, ihm eine sozial motivierte Verschiebung der Kündigung vorschlagen können. Damit ist unerheblich, ob die Beschwerdegegnerin einen solchen Vorschlag tatsächlich unterbreitet hatte, was aus dem vom Beschwerdeführer angeführten Besprechungsbericht nicht mit Sicherheit hervorgeht. Demnach ist das Obergericht nicht in Willkür verfallen, wenn es annahm, der Beschwerdeführer habe nicht nachweisen können, dass er mit dem Schreiben vom 10. April 2002 habe ausdrücken wollen, dass er mit der Entlassung nicht einverstanden sei und dies die Beschwerdegegnerin auch so verstanden habe. 
3. 
Gemäss der vorstehenden Erwägung erweist sich die vom Beschwerdeführer gegen die Hauptbegründung erhobene Rüge als unbegründet. Diese Begründung verstösst gemäss dem Urteil des Bundesgerichts zur konnexen Berufung auch nicht gegen Bundesrecht. Damit kommt der Eventualbegründung, wonach die Kündigung nicht missbräuchlich sei, keine entscheiderhebliche Bedeutung mehr zu. Auf die Rüge des Beschwerdeführers, das Obergericht habe bei der Abklärung der Missbräuchlichkeit der Kündigung sein rechtliches Gehör verletzt, ist daher mangels eines hinreichenden Rechtsschutzinteressess nicht einzutreten (vgl. E. 1.2 hievor). 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Da eine arbeitsrechtliche Streitigkeit vorliegt und der Streitwert im kantonalen Verfahren Fr. 30'000.-- nicht überstieg, ist das Verfahren kostenlos (Art. 343 Abs. 2 und 3 OR). Die in der Sache obsiegende Partei hat auch in Verfahren, die gemäss Art. 343 Abs. 3 OR kostenlos sind, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Parteikosten (BGE 115 II 30 E. 5c S. 42, mit Hinweis). Der Beschwerdeführer hat daher die obsiegende Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Bei der Bemessung der Parteientschädigung wird die Mehrwertsteuer im Rahmen des geltenden Tarifs pauschal berücksichtigt (Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 8. Mai 1995). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. April 2004 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: