Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_32/2024
Urteil vom 8. April 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Stadtrichteramt Zürich, Verwaltungszentrum Eggbühl, Eggbühlstrasse 23, 8050 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Einsprache gegen Strafbefehl; Wiederherstellung der Frist,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 14. Dezember 2023 (UH230370-O/U/SBA).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Strafbefehl des Stadtrichteramts Zürich vom 23. Februar 2023 wegen Überschreitens der zulässigen Parkzeit mit Fr. 40.-- gebüsst. Auf eine dagegen erhobene Einsprache trat das Bezirksgericht Zürich am 30. August 2023 nicht ein und hielt zudem fest, dass der Strafbefehl damit rechtskräftig sei. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Zürich am 14. Dezember 2023 wegen Verspätung nicht ein, nachdem es das sinngemässe Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist abgewiesen hatte. Die Beschwerdeführerin wendet sich an das Bundesgericht.
2.
Eine Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin ersucht um Sistierung des Verfahrens, bis sie einen Rechtsanwalt gefunden habe, der die Sache übernehme. Ihr Gesuch läuft auf eine unbefristete Erstreckung der Beschwerdefrist hinaus und ist unzulässig, weil es sich bei der Rechtsmittelfrist um eine gesetzlich bestimmte und damit nicht erstreckbare Frist handelt (Art. 47 Abs. 1 BGG).
3.
Anfechtungsobjekt vor Bundesgericht ist die Nichteintretensverfügung zufolge nicht fristgerechter Einreichung der kantonalen Beschwerde und die Abweisung eines Fristwiederherstellungsgesuchs (Art. 80 Abs. 1 BGG). Auf Vorbringen und Ausführungen, die sich nicht auf das Anfechtungsobjekt beziehen und folglich nicht zum Streitgegenstand gehören, kann daher von vornherein nicht eingetreten werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich die Beschwerdeführerin zur materiellen Seite der Angelegenheit äussert und den Strafbefehl als inhaltlich falsch kritisiert. Damit ist sie nicht zu hören.
4.
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei kann in der Beschwerdeschrift nicht bloss erneut die Rechtsstandpunkte bekräftigen, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, sondern muss mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6 mit Hinweis). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194). Unzulässig sind damit neue Tatsachen und Beweismittel, die bereits der Vorinstanz hätten vorgelegt werden können (sog. unechte Noven).
5.
Das Obergericht erwägt, die Verfügung des Bezirksgerichts vom 30. August 2023 sei der Beschwerdeführerin am 21. September 2023 zugestellt worden. Die zehntägige Beschwerdefrist sei mithin am 2. Oktober 2023 abgelaufen. Die Beschwerdeführerin habe ihre Beschwerdeschrift am 8. November 2023 der Schweizerischen Post übergeben. Ihre Eingabe sei damit klar verspätet. Die Beschwerdeführerin stelle mit ihrer Beschwerdeschrift indessen sinngemäss ein Gesuch um Fristwiederherstellung. Sie begründe ihr Gesuch damit, dass sie die "letzten Wochen" schwer krank gewesen sei in Folge eines "weiteren behördlichen Übergriffs" inklusive der Verletzung ihrer Privatsphäre bzw. Öffnung ihres Schlafzimmers während sie im Bett gelegen habe, wegen einer dieser unberechtigten Bussen. Aus dieser Gesuchsbegründung ergäben sich jedoch keine hinreichenden objektiven oder subjektiven Gründe, die es der Beschwerdeführerin verunmöglicht hätten, fristgerecht zu handeln. Insbesondere lägen weder Hinweise noch Belege vor, wonach die Beschwerdeführerin derart schwer erkrankt gewesen sei, dass sie nicht in der Lage gewesen sein soll, selbst Beschwerde zu erheben oder eine Drittperson damit zu beauftragen. Ein fehlendes Verschulden am Versäumen der Beschwerdefrist sei folglich nicht glaubhaft gemacht, weshalb das Gesuch abzuweisen sei. Auf die Beschwerde könne wegen Verspätung nicht eingetreten werden.
6.
Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht geltend, die Verfügung des Bezirksgerichts sei ihr nicht korrekt zugestellt worden. Sie sei an der U._______gasse 8 in V.________ im W.________tal angemeldet gewesen. Die Post habe die Sendung unzulässigerweise ihrer Vermieterin, Frau B.________, ausgehändigt. Diese habe die Entgegennahme unterschriftlich quittiert, was sich aus dem Rückschein der Post ergebe und belegt sei. Die Vermieterin sei nicht bevollmächtigt, ihre Post entgegenzunehmen. Der bezirksgerichtliche Entscheid sei damit in Verletzung von Art. 85 StPO zugestellt worden. Die Vermieterin habe ihr die Postsendung Ende Oktober übergeben; die Verfügung sei folglich erst zu diesem Zeitpunkt in ihren Machtbereich gelangt. Mit ihrer am 8. November 2023 verschickten Eingabe habe sie die 10-tägige Beschwerdefrist daher gewahrt.
7.
Diese tatsächlichen Umstände zur als formell nicht korrekt gerügten Zustellung der bezirksgerichtlichen Verfügung macht die Beschwerdeführerin erstmals vor Bundesgericht geltend. Es handelt sich folglich um neue Tatsachen. Inwiefern erst der Entscheid des Obergerichts zur Einbringung dieser neuen Tatsachen Anlass gegeben haben soll, ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich. Ebenso wenig zeigt die Beschwerdeführerin auf, weshalb sie nicht im Stande gewesen sein soll, die fraglichen Tatsachenbehauptungen mit ihrem Fristwiederherstellungsgesuch bereits im kantonalen Verfahren vor dem Obergericht prozesskonform geltend zu machen. Dies ist auch nicht ersichtlich (BGE 136 III 123 E. 4.4.3; 143 V 19 E. 1.2). Das Rechtsmittel vor Bundesgericht soll der Partei nicht ermöglichen, vor der letzten kantonalen Instanz Versäumtes nachzuholen (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin - die als Postsendung verschickte bezirksgerichtliche Verfügung sei unzulässigerweise von ihrer nicht dazu bevollmächtigten Vermieterin gegen Quittierung entgegengenommen worden und ihr selbst erst Ende Oktober 2023 zugegangen - ist im vorliegenden Verfahren folglich unbeachtlich und damit nicht zu hören. Abgesehen davon findet die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Postsendung sei durch die Vermieterin "Frau B.________" in Empfang genommen worden, in den Akten keine Stütze (vgl. kantonale Akten, Urk. 10).
Dass und inwiefern die Erwägungen des Obergerichts im Übrigen willkürlich bzw. sonst wie verfassungs- und/oder bundesrechtswidrig sein könnten, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Ausführungen in der Beschwerde zur Fristwahrung und Fristwiederherstellung erschöpfen sich entweder in appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid oder gehen an der Sache vorbei. Dies gilt namentlich, soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihre gesundheitliche Verfassung vorbringt, keine Arbeitsleistung wie eine gesunde Person erbringen zu können. Schon ohne Erkrankung sei es ihr nicht möglich, sich "non-stop" mit Behörden wegen unberechtigter Bussen zu streiten. Das Recht auf amtliche Rechtsvertretung sei ihr abgesprochen worden. Wäre ihr ein Rechtsanwalt zugestanden worden, wäre es nicht möglich gewesen, ihr aufgrund von Fristen das Recht zu verwehren. Gesundheitlich sei es ihr nicht möglich gewesen, dies zeitlich zu schaffen; ein Anwalt hätte die Fristen demgegenüber mühelos wahren können. Dies sei Diskriminierung einer Schwerstbehinderten. Damit lässt sich weder Willkür begründen noch dartun, dass das Obergericht die Voraussetzungen zur Fristwiederherstellung nach Art. 94 StPO tatsächlich oder rechtlich zu Unrecht verneint und damit gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen haben könnte. Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen sinngemäss geltend macht, eine amtliche Verteidigung sei ihr zu Unrecht nicht gewährt worden, bleibt darauf hinzuweisen, dass sie die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 26. Juli 2023, mit welcher ihr Gesuch um amtliche Verteidigung abgewiesen worden war, nicht angefochten hat. Der kantonale Instanzenzug ist insofern nicht erschöpft und es fehlt diesbezüglich an einem Anfechtungsobjekt im Sinne von Art. 80 Abs. 1 BGG.
8.
Ohne dass sich das Bundesgericht zu sämtlichen Ausführungen und Vorbringen in der Beschwerde ausdrücklich äussern müsste, ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit sie die Begründungsanforderungen überhaupt erfüllt und darauf eingetreten werden kann (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin sind reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. April 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Muschietti
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill