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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_492/2023  
 
 
Urteil vom 8. April 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Procap Schweiz, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Eingliederungsmassnahmen, Arbeitsunfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 16. Juni 2023 (200 23 45 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1995 geborene A.________ meldete sich im März 2021 unter Hinweis auf Depressionen seit jungen Jahren bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen teilte ihr die IV-Stelle Bern am 9. September 2021 mit, zur Zeit hätten Eingliederungsmassnahmen keine Aussicht auf Erfolg, der Rentenanspruch werde geprüft. Die IV-Stelle veranlasste eine Expertise (vom 11. Oktober 2022) bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und verneinte mit Verfügung vom 1. Dezember 2022 einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung, da kein Gesundheitsschaden mit invalidisierender Wirkung bestehe. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 16. Juni 2023 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des Urteils vom 16. Juni 2023 seien ihr berufliche Massnahmen der Invalidenversicherung zuzusprechen. Ferner sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Während die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
1.3. Die gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit beziehen sich grundsätzlich auf Tatfragen, die das Bundesgericht nur mit eingeschränkter Kognition prüft (BGE 132 V 393 E. 3.2). Gleiches gilt für die konkrete wie auch für die antizipierte Beweiswürdigung (BGE 146 V 240 E. 8.2; 144 V 111 E. 3). Dagegen betrifft die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln Rechtsfragen, die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht frei prüft (BGE 146 V 240 E. 8.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die von der IV-Stelle am 1. Dezember 2022 verfügte Abweisung des Leistungsbegehrens bestätigt hat.  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) und die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen (BGE 148 V 49 E. 6.2.2, 145 V 215 E. 5, 143 V 409 und 418, 141 V 281) richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich des massgebenden Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4), des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 351 E. 3a) und des Beweiswerts ärztlicher Berichte; BGE 135 V 465 E. 4.5, 125 V 351 E. 3a und 3b/cc). Darauf wird verwiesen.  
 
2.3. Zu wiederholen ist Folgendes: Als Invalidität gilt gemäss Art. 4 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit ist laut Art. 7 Abs. 1 ATSG der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Art. 7 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist. Gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG haben invalide oder von einer Invalidität bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit (a) diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern und (b) die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind. Laut Art. 8 Abs. 1 bis Satz 2 IVG (in der ab 1. Januar 2022 geltenden und hier anwendbaren [vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1] Fassung) ist bei der Festlegung der Massnahmen die gesamte noch zu erwartende Dauer des Erwerbslebens zu berücksichtigen.  
Drohende Invalidität liegt vor, wenn der Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist (Art. 1 novies Satz 1 IVV).  
 
3.  
Die Vorinstanz hat sich in medizinischer Hinsicht auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 11. Oktober 2022 gestützt. Danach bestehen eine rezidivierende depressive Störung, aktuell leichte Episode (ICD 10 F33.0), sowie eine akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften Zügen (Z73.1). Der gutachterlich geschätzten 50%igen Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung anhand des strukturierten Beweisverfahrens nach BGE 141 V 281 sprach die Vorinstanz indessen die rechtliche Relevanz ab und verneinte einen invalidisierenden Gesundheitsschaden. Sie lehnte daher unter Einschluss beruflicher Massnahmen einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung ab. 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz, indem sie das primär für die Beurteilung von Rentenansprüchen entwickelte strukturierte Beweisverfahren ohne Anpassung an die Anspruchsvoraussetzungen für eine erstmalige berufliche Eingliederung herangezogen habe.  
 
4.1.2. Der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen, dass der für Eingliederungsmassnahmen spezifische Versicherungsfall massgebend ist. Der Eintritt der Invalidität bzw. des Versicherungsfalls erfolgt in jenem Zeitpunkt, da die gesundheitliche Einschränkung die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (vgl. Art. 4 Abs. 2 IVG) und somit eine Leistung der Invalidenversicherung objektiv erstmals angezeigt ist (vgl. BGE 126 V 241 E. 4; Urteil 8C_421/2023 vom 5. Januar 2024 E. 4.3). Ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, worunter auch die hauptsächlich beantragte erstmalige berufliche Ausbildung nach Art. 16 IVG fällt, setzt Invalidität oder drohende Invalidität im dargelegten Sinn (E. 2.3 vorne) voraus. Im Bereich der beruflichen Massnahmen kann der leistungsspezifische Invaliditätsfall nach Art. 4 Abs. 2 IVG u.a. gegeben sein, wenn die versicherte Person aus Gründen eines bleibenden oder längere Zeit dauernden Gesundheitsschadens daran gehindert worden ist, im üblichen Rahmen die erstmalige berufliche Ausbildung zu absolvieren und ihr als Folge dieser invaliditätsbedingten Verzögerung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen (Art. 16 Abs. 1 IVG und Art. 5 Abs. 2 IVV; BGE 126 V 461 E. 1).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Geht es um psychische Erkrankungen wie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein damit vergleichbares psychosomatisches Leiden (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3) oder depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur (BGE 143 V 409 und 418), sind für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit systematisierte Indikatoren (Beweisthemen, Indizien) beachtlich, die - unter Berücksichtigung leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2, E. 3.4-3.6 und 4.1), wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat.  
 
4.2.2. Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin verletzt es daher kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz - auch im Zusammenhang mit der Frage des Anspruchs auf eine erstmalige berufliche Ausbildung nach Art. 16 IVG - im Rahmen der Beweiswürdigung überprüft hat, ob die funktionellen Auswirkungen des geltend gemachten psychischen Gesundheitsschadens medizinisch anhand der Indikatoren schlüssig und widerspruchsfrei festgestellt wurden. Eine "falsche Eingrenzung des Beweisthemas" und eine willkürliche Beweiswürdigung ist nicht auszumachen.  
 
4.2.3. Weshalb eine fehlende Anpassung des Beweisverfahrens nach BGE 141 V 281 bei im Raum stehenden Eingliederungsmassnahmen in vielen Fällen das Ziel, drohende Invalidität zu verhindern, vereiteln soll, wie gerügt wird, ist nicht ersichtlich. Dass gemäss dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hieraus Widersprüche und Zirkelschlüsse resultieren sollen, legt sie, namentlich mit Blick auf ihre Einwendungen zu den einzelnen Indikatoren, nicht stichhaltig dar. Nachdem das strukturierte Beweisverfahren darauf abzielt, das tatsächlich erzielbare Leistungsvermögen einer versicherten Person anhand eines Kataloges von (Standard-) Indikatoren einzuschätzen (E. 4.2.1 vorne), ist dieses auch für die Beurteilung der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit im Zusammenhang mit einer drohenden Invalidität gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG geeignet.  
 
5.  
 
5.1. Für die Annahme eines invalidisierenden Gesundheitsschadens muss nicht zwingend eine schwere psychische Störung vorliegen. Das Bundesgericht hat wiederholt betont, dass aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht letztlich nicht die Schwere einer Erkrankung entscheidend ist, sondern deren Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, zumal sie in beruflicher Hinsicht unterschiedliche Folgen zeitigt (BGE 148 V 49 E. 6.2.2 mit Verweis auf BGE 143 V 418 E. 5.2.2). Unabhängig von der klassifikatorischen Einordnung einer Krankheit resultiert aus einer Diagnose - mit oder ohne diagnoseinhärentem Bezug zum Schweregrad - allein keine verlässliche Aussage über das Ausmass der mit dem Gesundheitsschaden korrelierenden funktionellen Leistungseinbusse bei psychischen Störungen. Gleichzeitig ist in diesem Zusammenhang aber auch zu berücksichtigen, dass sich eine leicht- bis mittelgradige depressive Störung ohne nennenswerte Interferenzen durch psychiatrische Komorbiditäten im Allgemeinen nicht als schwere psychische Krankheit definieren lässt (BGE 148 V 49 E. 6.2.2). Besteht dazu noch ein bedeutendes therapeutisches Potential, so ist insbesondere auch die Dauerhaftigkeit des Gesundheitsschadens in Frage gestellt. Diesfalls müssen gewichtige Gründe vorliegen, damit dennoch auf eine invalidisierende Erkrankung geschlossen werden kann. Es ist Aufgabe der medizinischen Sachverständigen, nachvollziehbar aufzuzeigen, weshalb trotz lediglich leichter bis mittelschwerer Depression und an sich guter Therapierbarkeit der Störung im Einzelfall funktionelle Leistungseinschränkungen resultieren, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken (BGE 143 V 409 E. 4.5.2). Attestieren die psychiatrischen Fachpersonen bei diesen Konstellationen trotz Verneinung einer schweren psychischen Störung ohne (allenfalls auf Nachfrage hin erfolgte) schlüssige Erklärung eine namhafte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, besteht für die Versicherung oder das Gericht Grund dafür, der medizinisch-psychiatrischen Folgenabschätzung die rechtliche Massgeblichkeit zu versagen.  
 
5.2. Die Vorinstanz hat anhand der medizinischen Indikatorenprüfung schlüssig die massgeblichen Beweisthemen im Rahmen einer umfassenden Betrachtung abgehandelt und geschlossen, dass aus juristischer Sicht der medizinisch attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden kann (BGE 141 V 281 E. 5.2. und BGE 140 V 193). Aus den Darlegungen im Gutachten hat die Vorinstanz erkannt, die diagnoserelevanten Befunde und Symptome seien nicht stark ausgeprägt. So habe der Gutachter weitgehend unauffällige Untersuchungsbefunde festgestellt, nur der Affekt sei ernst, subdepressiv verstimmt gewesen. Zwanghafte Züge seien eher im Rahmen von akzentuierten Persönlichkeitszügen interpretiert worden. Eine Persönlichkeitsstörung oder eine posttraumatische Belastungsstörung habe der Gutachter verneint. Eine Behandlungs- und Eingliederungsresistenz liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin sei seit dem 25. Juni 2019 in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung, vom 21. Februar bis 1. April 2022 habe sie sich in einer psychiatrischen Tagesklinik aufgehalten. Durch die Pharmakotherapie sei das Zustandsbild stabilisiert worden, die Beschwerdeführerin habe aber ihre Gewichtszunahme hierauf zurückgeführt und die Medikation daher abgebrochen. Aktuell nehme sie gemäss Stellungnahme vom 30. März 2023 das Medikament Trittico ein. Gemäss Dr. med. B.________ habe die Medikation eine Besserung des Zustandsbilds bewirkt. Er habe aber angenommen, dass die affektive Problematik eng mit der Persönlichkeitsstruktur und den gesamten Umständen zusammen hänge, wodurch nicht dringend medikamentöse Massnahmen indiziert seien. Die Beschwerdeführerin sei in der Lage, den verschiedenen Massnahmen zu folgen und beteilige sich kooperativ daran. Die depressive Hemmung sei nicht derart gross, dass sie massiv beeinträchtigt wäre. Weiter hätten die neben der leichten depressiven Episode diagnostizierten akzentuierten Persönlichkeitszüge eine gewisse ressourcenhemmende Wirkung, indem die Flexibilität und Umstellfähigkeit teilweise eingeschränkt sei, was wiederum mit der Persönlichkeitsstruktur zusammenhänge. Es seien jedoch auch einige nutzbare Ressourcen vorhanden. So könne sie einer Tätigkeit im geschützten Bereich nachgehen und sich um ihre Katzen und den Haushalt kümmern. Sie tanze und pflege verschiedene soziale Kontakte, auch wenn ihr dies zeitweise Schwierigkeiten bereite. Die Beschwerdeführerin habe einen Freundeskreis von 10 Personen und einen Freund, pflege Kontakt zur Grossmutter und ihr Hobby sei das Tanzen. Damit halte das soziale Umfeld gewisse Ressourcen bereit.  
Im Rahmen der Konsistenzprüfung hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gemäss den Angaben im psychiatrischen Gutachten in der Regel um 7 Uhr aufstehe und mit dem Fahrrad oder Bus zur Arbeit fahre. Sie arbeite seit einiger Zeit in einem vom Sozialamt veranlassten Programm im Recycling, sie sei jeweils an vier Tagen in der Woche von 8 bis 15 Uhr dort tätig. Danach gehe sie nach Hause und müsse unbedingt eine Stunde schlafen, da sie völlig erschöpft sei. Sie verrichte anschliessend Haushaltsarbeiten, trainiere Tanz, kümmere sich um ihre zwei Katzen und einmal wöchentlich suche sie das (Tanz-) Studio auf. Abends schaue sie fern oder spiele am Handy. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, das geschilderte Aktivitätenniveau stehe in Widerspruch zu der im psychiatrischen Gutachten attestierten 50%igen Arbeitsunfähigkeit. Die geltend gemachten funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten psychischen Beeinträchtigungen seien gesamthaft anhand der Standardindikatoren nicht überwiegend wahrscheinlich erstellt. 
 
 
5.3.  
 
5.3.1. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig und bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1 vorne). Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, bezieht sich die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde auf die gutachterlich festgestellten Leiden, weshalb nicht - bezüglich der beantragten Leistung - eine starke Ausprägung derselben vorliegen kann, wie behauptet wird. Bei ihrem weiteren Vorbringen, eine erfolgreiche berufliche Eingliederung trage vielleicht dazu bei, eine Verschlechterung der depressiven Symptomatik zu verhindern, verkennt die Beschwerdeführerin einmal mehr, dass für die Bejahung einer drohenden Invalidität ein Gesundheitsschaden vorliegen muss, der überwiegend wahrscheinlich zu einer Erwerbsunfähigkeit führt.  
 
5.3.2. Eine Bundesrechtsverletzung kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, wenn sie ein stimmiges Gesamtbild für die Annahme einer rechtlich relevanten psychischen Funktionseinbusse verneint hat. Es hält daher stand, dass sie der im Gutachten attestierten 50%igen Arbeitsunfähigkeit die rechtliche Relevanz abgesprochen und erkannt hat, es liege kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor (E. 5.1 vorne; vgl. auch Urteil 8C_331/2022 6. September 2022 E. 6.9 f.). So hat die Vorinstanz nicht stark ausgeprägte diagnoserelevante Befunde und Symptome festgehalten, eine fehlende Behandlungs- und Eingliederungsresistenz sowie ein Aktivitätsniveau, das der Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit entgegensteht. Kommt hinzu, dass der Gutachter bezüglich der im Gutachtenszeitpunkt verminderten Belastbarkeit (mit Auswirkung auf die Durchhaltefähigkeit) eine sukzessive Steigerung derselben und eine Stabilisierung des Zustands annahm, worauf die Vorinstanz bereits hingewiesen hat. Überdies hielt Dr. med. B.________ fest, dass sich das Ausmass der Arbeitsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt zurzeit nicht verlässlich bestimmen liesse. Dass die Vorinstanz insgesamt den Beweis für eine Arbeitsunfähigkeit als nicht geleistet und nicht zu erbringen erachtet hat, was sich nach den Regeln über die (materielle) Beweislast zuungunsten der rentenansprechenden Person auswirkt (BGE 144 V 50 E. 4.3 mit Hinweisen), ist letztinstanzlich somit nicht zu beanstanden.  
 
6.  
 
6.1. Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise dar, inwiefern ihr konkret aus einer "zweiten" erstmaligen beruflichen Ausbildung nach der abgebrochenen Lehre als Logistikerin wegen ihres Gesundheitsschadens in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten im Sinne von Art. 5 Abs. 2 IVV entstehen würden (E. 4.1 vorne). Ebenso wenig macht sie einen invaliditätsbedingten Lehrabbruch geltend. Damit entfällt auch die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2 IVV, der den Anspruch auf eine neue berufliche Ausbildung bei invaliditätsbedingtem Abbruch einer erstmaligen beruflichen Ausbildung regelt.  
 
6.2. Auf die übrige, vorwiegend appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil ist nicht weiter einzugehen. Hieraus lässt sich nichts zugunsten der Beschwerdeführerin gewinnen. Damit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.  
 
7.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit ausgewiesen und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist; ferner war die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Daniel Schilliger wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. April 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla