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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.460/2001 /mks 
 
Urteil vom 8. Mai 2002 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Hasenböhler, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Edmund Schönenberger, Katzenrütistrasse 89, Postfach 129, 8153 Rümlang, 
 
gegen 
 
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach 4875, 8022 Zürich. 
 
Art. 29 BV etc. (unentgeltliche Rechtspflege; Genugtuung; fürsorgerische Freiheitsentziehung) 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 7. November 2001 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ reichte am 30. Dezember 1997 beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen den Kanton Zürich ein. Er verlangte einerseits, der Kanton sei zu verpflichten, ihm eine Genugtuung von 2,6 Mio. Franken nebst Zins zu 5% seit 1. Februar 1997 zu bezahlen, und andererseits sei die Verletzung von Garantien der EMRK wegen widerrechtlichen Freiheitsentzugs sowie ungesetzlicher und unzulässiger Zwangsbehandlung festzustellen. Gleichzeitig ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. 
B. 
Mit Zirkularbeschluss vom 16. Oktober 2000 wies das Bezirksgericht Zürich (3. Abteilung) das Gesuch von X.________ um unentgeltliche Rechtspflege ab. Dagegen erhob X.________ Rekurs, welchen das Obergericht des Kantons Zürich (1. Zivilkammer) am 9. Mai 2001 abwies. Diesen Beschluss focht X.________ mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit Beschluss vom 7. November 2001 stellte das Kassationsgericht des Kantons Zürich in teilweiser Gutheissung der Beschwerde fest, dass im bisherigen Verfahren von X.________ gegen den Kanton Zürich betreffend Forderung/Staatshaftung das Beschleunigungsgebot im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt worden sei; im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. 
C. 
X.________ führt mit Eingabe vom 7. Dezember 2001 staatsrechtliche Beschwerde und beantragt dem Bundesgericht, den Beschluss des Kassationsgerichts insoweit aufzuheben, als ihm die unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung im Hauptverfahren und letztere auch im Rekursverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich verweigert worden ist. Weiter stellt er das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
Eine Vernehmlassung zur Beschwerde ist nicht eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid stellt einen letztinstanzlichen kantonalen Zwischenentscheid dar. Gegen solche Entscheide ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben (Art. 87 Abs. 2 OG). Bei Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege wird ein derartiger Nachteil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bejaht (BGE 125 I 161 E. 1 S. 162). 
2. 
Das Kassationsgericht ist vorliegend zum Ergebnis gelangt, dass das Obergericht ohne Verletzung von §§ 84 und 87 ZPO/ZH annehmen durfte, dem Beschwerdeführer sei zufolge Aussichtslosigkeit des Prozesses die unentgeltliche Prozessführung und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu verweigern. 
3. 
Der Anspruch einer Prozesspartei auf unentgeltliche Rechtspflege bestimmt sich in erster Linie nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts. Im Sinne von Mindestanforderungen gewährt Art. 29 Abs. 3 BV einen solchen Anspruch, wenn die Partei bedürftig und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Als aussichtslos sind nach der Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnchancen beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob der Verfassungsanspruch verletzt worden ist (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2 und 304 E. 2 S. 306). 
4. 
4.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Kassationsgericht in formeller Hinsicht eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vor, wonach in Zivil- und Strafprozessen öffentlich verhandelt werden muss. Soweit der Beschwerdeführer eine öffentliche Verhandlung für den Entscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege beansprucht, geht er fehl. Die Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind auf Streitigkeiten prozessrechtlicher Natur wie betreffend einen Antrag auf Armenrechtsgewährung bzw. Verfahrenskostenhilfe nicht anwendbar (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, N. 52 zu Art. 6; Haefliger/ Schürmann, Die EMRK und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 147; vgl. Urteil des Bundesgerichts 5P.128/1996 vom 21. Juni 1996, E. 3). Bei der Bemessung der Erfolgsaussichten gestützt auf ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird lediglich in vorläufiger und summarischer Prüfung des Prozessstoffes im Rahmen eines (separat anfechtbaren) prozessleitenden Entscheides abgeschätzt, wie das Verfahren voraussichtlich ausgehen wird. Nicht jeder Entscheid verlangt eine öffentliche Verhandlung, zumindest solange sich sein vorläufiger, prozessrechtlicher Charakter daraus ergibt, dass ein Gesuch wie dasjenige um unentgeltliche Rechtspflege - bei veränderten Verhältnissen - jederzeit erneuert werden kann (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur ZPO/ZH, 3. Aufl. 1997, N. 23 zu § 191 ZPO/ZH), und die Abweisung des Gesuchs - wie das Kassationsgericht betont - die Beurteilung der Sache im Endentscheid nicht vorwegnimmt. Wenn das Kassationsgericht festgehalten hat, die Frage, ob das Öffentlichkeitsprinzip respektiert wurde, beurteile sich auf der Grundlage des gesamten und nicht - wie hier - noch gar nicht abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. Haefliger/Schürmann, a.a.O., S. 180 u. 191), ist dies unter dem Gesichtswinkel von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht zu beanstanden. 
4.2 Weiter wirft der Beschwerdeführer dem Kassationsgericht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie Willkür vor (Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 29 Abs. 2, Art. 9 BV), weil es auf seine Vorbringen im Zusammenhang mit seiner Klinikeinweisung im Jahre 1971 nicht eingegangen sei; keine Bestimmung der zürcherischen Prozessordnung stehe einer laufenden Neubewertung der Prozessaussichten entgegen. Diese Vorbringen gehen fehl. Das Kassationsgericht hat zu Recht festgehalten, dass die Frage, ob genügende Erfolgsaussichten bestehen, sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege beurteilt (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N. 21b zu § 84 ZPO/ZH). 
4.3 Der Beschwerdeführer rügt im Weiteren eine Verletzung seines durch die EMRK garantierten Anspruchs auf ein faires Verfahren, weil er in seinem Forderungsprozess einer Behörde gegenüberstehe, die über grosse finanzielle Mittel zur Prozessführung verfüge. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV) müssen zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens die beteiligten Parteien gleich behandelt werden (Haefliger/Schürmann, a.a.O., S. 185). Daraus lässt sich indessen kein Anspruch auf unterschiedliche Prüfung der Prozessaussichten ableiten, je nachdem, ob eine Behörde bzw. ein Gemeinwesen oder eine private Partei dem Gesuchsteller gegenübersteht. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, das Kassationsgericht habe mit der Auffassung, dass es bei der Beurteilung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege keine Rolle spiele, wer in einem Haftungsprozess Gegenpartei ist, seinen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt, ist daher unbegründet. 
5. 
Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat der Beschwerdeführer die wesentlichen Tatsachen zu nennen und darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76). Sofern sich der Beschwerdeführer auf verfassungsmässige Rechte beruft, deren Anwendung das Bundesgericht mit freier Kognition prüft, muss er rechtsgenügend darlegen, inwiefern das verfassungsmässige Recht verletzt worden ist (BGE 114 Ia 317 E. 2b S. 318). Wirft der Beschwerdeführer der kantonalen Behörde vor, ihr Entscheid verletze das Willkürverbot, muss er zudem dartun, inwiefern der Entscheid geradezu stossend und schlechthin unhaltbar ist (BGE 125 II 129 E. 5b S. 134). 
 
Was der Beschwerdeführer der Auffassung des Kassationsgerichts, das Obergericht habe zufolge Aussichtslosigkeit des Prozesses die unentgeltliche Rechtspflege verweigern dürfen, in seiner Beschwerdeschrift entgegenhält, genügt den Begründungsanforderungen nicht, weil es sich um teils nicht, teils ohne Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid vorgebrachte und daher ungenügend begründete Rügen einer willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts (§§ 84 und 87 ZPO/ZH) oder einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen (Art. 29 Abs. 3 BV) handelt. Insoweit kann insbesondere auf die Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Erfolgsaussichten in der Frage der Passivlegitimation, der Rechtmässigkeit der Anstaltseinweisung, Entlassungszuständigkeit und -überprüfung sowie der Substantiierung des Quantitativs nicht eingetreten werden. Inwiefern das Kassationsgericht § 277 ZPO/ZH ("Rekursantwort") willkürlich angewendet habe, geht aus der Beschwerdeschrift nicht hervor, so dass auf die Vorbringen des Beschwerdeführers zur Auslegung des kantonalen Verfahrensrechts ebenfalls nicht eingetreten werden kann. 
6. 
Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer, das Kassationsgericht habe zu Unrecht die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das obergerichtliche Rekursverfahren geschützt. Diese Rüge ist begründet. 
 
Vor dem Obergericht hat der Beschwerdeführer Rechtsverweigerung gerügt. Das Obergericht hat sich mit der Rüge nicht befasst, weil es sich dafür als nicht zuständig erachtete. Das Kassationsgericht hat festgehalten, es könne offen bleiben, ob die Verwaltungskommission oder das Obergericht über Rechtsverweigerungs- und verzögerungsbeschwerden zu entscheiden habe; in teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde hat es aber eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes festgestellt. Wenn das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen abgewiesen und damit auch die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das obergerichtliche Verfahren geschützt hat, ist es darüber hinweggegangen, dass der Ausgang des Verfahrens vor Obergericht nicht die anfängliche Aussichtslosigkeit im gerügten Punkt bedeutet (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275). Insoweit wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Rechtspflege verletzt. 
 
Aus diesem Grund ist der Beschluss des Kassationsgerichts insoweit aufzuheben, als damit die Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich des Gesuchs des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das Rekursverfahren vor dem Obergericht abgewiesen wurde. Im Übrigen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
7. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 3 OG). Insoweit ist das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
Da die staatsrechtliche Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer damit unterliegt, weitgehend bereits an den Eintretensvoraussetzungen scheitert und im Übrigen die rechtlichen Erwägungen des angefochtenen Beschlusses nicht zu erschüttern vermag, erweist sich das Rechtsbegehren des Beschwerdeführers als aussichtslos, weshalb sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und der Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 7. November 2001 wird in Bezug auf Ziff. 2, soweit damit die Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich des Gesuchs des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das Rekursverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich abgewiesen wurde, aufgehoben. 
1.2 Im Übrigen wird die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
4. 
Der Kanton Zürich wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Mai 2002 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: