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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_63/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. Mai 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Manfred Lehmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,  
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 15. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1969 geborene S.________ war vom 14. Januar 1991 bis 31. Januar 2005 als Anlagenführer bei der A.________ AG angestellt. Von Januar 1998 bis Oktober 2005 war er zudem in einem Pensum von 3.5 Stunden im Tag als Reiniger für die B.________ AG tätig. Am 18. März 2005 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die getroffenen Abklärungen sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich S.________ vom 1. November 2004 bis 31. Januar 2005 eine Dreiviertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 66 % und ab 1. Februar 2005 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu (Verfügungen vom 24. Mai 2006). Die vom zuständigen BVG-Versicherer eingereichte Einsprache wies sie mit Entscheid vom 27. September 2006 ab. Eine im Juli 2007 eingeleitete Rentenrevision ergab einen unveränderten Invaliditätsgrad (Mitteilung vom 30. August 2007). 
Am 20. Januar 2010 leitete die IV-Stelle eine neuerliche Rentenrevision ein. Sie holte einen medizinischen Bericht ein und veranlasste eine stationäre Abklärung des Versicherten in der Rehaklinik X.________. Am 1. Februar 2011 erstattete die Klinik ein interdisziplinäres Gutachten. Mit Verfügung vom 6. Januar 2012 hob die IV-Stelle die Verfügungen vom 24. Mai 2006 und den Einspracheentscheid vom 27. September 2006 sowie die Mitteilung vom 30. August 2007 wiedererwägungsweise auf und stellte die bisher ausgerichtete Invalidenrente ein. 
 
B.   
Die von S.________ eingereichte Beschwerde, mit welcher er zur Hauptsache die Aufhebung der Verfügung vom 6. Januar 2012 und die Weiterausrichtung der bisherigen ganzen Invalidenrente hatte beantragen lassen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 15. November 2013). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte das vorinstanzlich gestellte Hauptbegehren erneuern; eventuell sei ihm eine Invalidenrente aufgrund eines tieferen Invaliditätsgrades zu gewähren; subeventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die IV-Stelle kann nach Art. 53 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die Verwaltung eine Rentenverfügung auch dann abändern, wenn die Revisionsvoraussetzungen des Art. 17 ATSG nicht erfüllt sind. Die Wiedererwägung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung einschliesslich unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache aufgrund falsch oder unzutreffend verstandener Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung dargeboten hat, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (SVR 2010 IV Nr. 5 S. 10, 8C_1012/2008; Urteile 9C_339/2010 vom 30. November 2010 E. 3, 9C_760/2010 vom 17. November 2010 E. 2 und 9C_575/2007 vom 18. Oktober 2007 mit Hinweisen). Eine auf keiner nachvollziehbaren ärztlichen Einschätzung der massgeblichen Arbeitsfähigkeit beruhende Invaliditätsbemessung ist nicht rechtskonform und die entsprechende Verfügung zweifellos unrichtig im wiedererwägungsrechtlichen Sinne (Urteile 9C_629/2013 vom 13. Dezember 2013 E. 2, 8C_647/2011 vom 4. Januar 2012 E. 2.3, 8C_920/2009 vom 22. Juli 2010 E. 2.4). 
 
3.  
 
3.1. Das Sozialversicherungsgericht ist zur Auffassung gelangt, dass die Verfügungen der IV-Stelle vom 24. Mai 2006, deren Einspracheentscheid vom 27. September 2006 sowie die Mitteilung vom 30. August 2007 zweifellos unrichtig und aus diesem Grund von der Verwaltung zu Recht in Wiedererwägung gezogen worden seien.  
 
3.2. Im vorliegenden Fall liegt der seitens der Vorinstanz als gegeben erachtete Wiedererwägungsgrund im Bereich der materiellen Anspruchsvoraussetzungen; er betrifft insbesondere den Grad der Arbeitsunfähigkeit in der angestammten oder einer zumutbaren Verweisungstätigkeit und die Invaliditätsbemessung selbst, deren Ergebnis den Rentenverfügungen und der Mitteilung der IV-Stelle zugrunde gelegt wurde. Die Vorinstanz versäumt es, hinreichend schlüssig darzulegen, inwiefern die für die ursprünglichen Verfügungen massgebenden Invaliditätsgrade von 66 % ab 1. November 2004 und 100 % ab 1. Februar 2005 oder die Annahmen, auf welche die Invaliditätsbemessung in medizinischer und erwerblicher Hinsicht seinerzeit abgestützt war, vor dem Hintergrund der damaligen Sach- und Rechtslage nicht vertretbar gewesen seien. Vielmehr nimmt sie eine einlässliche Würdigung der medizinischen Akten vor und weist auf Widersprüche zwischen den Gutachten des Spitals Y.________ und der Rehaklinik X.________ hin. Die Ärzte der Rehaklinik weisen in der Tat auf gewisse Inkonsistenzen im früheren Gutachten hin. Die Bescheinigung voller Arbeitsunfähigkeit sei nicht anhand objektivierbarer neurologischer Beeinträchtigungen erfolgt, sondern es sei auf die Angaben des Versicherten abgestellt worden. Der Expertise des Spitals Y.________ spricht die Vorinstanz deshalb den Beweiswert ab, zumal die Ärzte auch unberücksichtigt gelassen hätten, dass der Versicherte im Stande sei, seinen kleinen Sohn zu betreuen, seiner Ehefrau beim Einkauf zu helfen, ein Auto zu lenken und mehrmals im Jahr nach Bulgarien zu reisen.  
 
3.3. Mit diesen Aussagen aus der Jahre nach den in Frage stehenden Verfügungen der IV-Stelle erstatteten Expertise der Rehaklinik vom 1. Februar 2011 ist eine zweifellos unrichtige fachärztliche Beurteilung des Gesundheitszustandes oder eine entsprechend unzutreffende Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit für den Zeitpunkt der Rentenverfügungen (24. Mai 2006) nicht belegt. Zu beachten gilt es nebst dem Ermessenspielraum der Verwaltung, dass sich RAD-Arzt Dr. med. P.________ am 27. August 2007 der Auffassung des Spitals Y.________ angeschlossen hat. Der einzige echtzeitliche Arztbericht, der schon damals die Arbeitsunfähigkeit anders eingeschätzt hatte als die Gutachter des Spitals Y.________, ist gemäss Feststellungen der Vorinstanz eine Einschätzung des Hausarztes Dr. med. F.________, der eine leichte Tätigkeit in einem Pensum von 50 % für denkbar gehalten habe. Darüber hinaus findet die Ansicht der Vorinstanz in den damaligen, der Invaliditätsbemessung zugrunde gelegten ärztlichen Feststellungen keine Grundlage. Sodann sind die im angefochtenen Entscheid erwähnten Gesichtspunkte zum Leistungsvermögen des Versicherten nicht geeignet, eine zweifellose Unrichtigkeit der ärztlichen Angaben zur Arbeitsunfähigkeit im massgebenden Zeitraum nachzuweisen. Der Expertise der Rehaklinik X.________ vom 1. Februar 2011, auf welche sich der angefochtene Entscheid für die Bejahung der Wiedererwägungsvoraussetzungen stützt, ist ein stationärer Klinikaufenthalt des Beschwerdeführers vom 18. bis 28. Oktober 2010 vorausgegangen. Die Gutachter hielten fest, ein gewisses Mass an Schmerzerleben sei aufgrund der degenerativen LWS-Veränderungen erklärbar, nicht jedoch das invalidisierende Ausmass der als erheblich geklagten Schmerzsymptomatik. Sie nahmen indessen ausdrücklich darauf Bezug, dass es sich um die gegenwärtigen Befunde handle und sich die im Gutachten des Spitals Y.________ gestellten Diagnosen und beschriebenen Befunde aktuell nicht erheben liessen. Dementsprechend schätzten die Gutachter der Rehaklinik die Arbeitsfähigkeit für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf 100 %, wiesen indessen darauf hin, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Begutachtung im Spital Y.________ insgesamt in einer schlechteren körperlichen Verfassung gewesen sei. Im Gegensatz zur Vorinstanz haben die Ärzte der Rehaklinik erkannt und wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass sie eine Beurteilung für den gegenwärtigen Zeitpunkt abgeben, wobei die Verhältnisse von der früheren tatsächlichen Situation bei Rentenzusprechung klar zu unterscheiden seien.  
 
4.   
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 ATSG und die Rechtsprechung (BGE 105 V 29; siehe auch BGE 133 V 108 E. 5 S. 110) die Voraussetzungen, unter denen eine Invalidenrente im Rahmen einer Revision für die Zukunft zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben ist, sowie die dabei zu vergleichenden Sachverhalte zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. In der Folge hat das kantonale Gericht jedoch von einer Prüfung der Revisionsvoraussetzungen gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG abgesehen und sich stattdessen einzig mit der Frage der Wiedererwägung befasst, welche indessen, wie dargelegt (E. 3 hievor), im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen kann. 
In der im angefochtenen Entscheid zitierten Expertise der Rehaklinik X.________ vom 1. Februar 2011, basierend auf einem stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers (vom 18.-28. Oktober 2010) mit neurologischer, physikalisch-medizinischer und psychiatrischer Begutachtung wird abschliessend auf die entsprechende Frage der IV-Stelle ausgeführt, es sei ganz offensichtlich davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten in den letzten Jahren verbessert hat. Diese interdisziplinäre ärztliche Beurteilung, die auch in der Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit zum Ausdruck kommt, (voll leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Arbeit), bietet zumindest einen eindeutigen Anhaltspunkt dafür, dass sich die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers verbessert und die Auswirkungen des Leidens auf seine Arbeitsfähigkeit im revisionsrechtlich massgebenden Zeitraum zwischen der Rentenfestsetzung (Verfügung vom 24. Mai 2006/Einspracheentscheid vom 27. September 2006) und der Rentenaufhebung vom 6. Januar 2012 in einer für den Anspruch erheblichen Weise vermindert haben könnten. Die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Revision der Invalidenrente nach Art. 17 Abs. 1 ATSG erfüllt sind, wobei sie den Parteien das rechtliche Gehör zu gewähren haben wird. Hernach wird sie über die Beschwerde neu entscheiden. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer obsiegt insoweit, als der angefochtene Entscheid entsprechend seinem Subeventualantrag aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen ist, die IV-Stelle insofern, als der Versicherte mit seinem Rechtsbegehren um Weiterausrichtung der Invalidenrente nicht durchgedrungen ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Überdies hat die Beschwerdegegnerin dem teilweise obsiegenden Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der vorinstanzliche Entscheid vom 15. November 2013 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit es, nach Prüfung der Revisionsvoraussetzungen im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. Mai 2014 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer