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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 189/03 
 
Urteil vom 8. Juni 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Attinger 
 
Parteien 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
G.________, 1956, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 23. Juni 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1956 geborene G.________, von Beruf Bäcker/Konditor, war vom 24. April bis 30. Juni 1995 bei der Firma B.________ AG als Speditionsmitarbeiter angestellt und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Im Dezember 1995 meldete die genannte (ehemalige) Arbeitgeberfirma ein beim Versicherten vorliegendes Mehlstaubasthma als Berufskrankheit an. Die SUVA erliess am 30. Juli 1996 eine Nichteignungsverfügung für alle beruflichen Tätigkeiten mit Exposition zu Mehlen, Stäuben von Weizen, Roggen, Gerste, Buchweizen sowie zu Stäuben von Amylase, richtete ein viermonatiges Übergangstaggeld aus (Verfügung vom 23. Dezember 1996) und sprach ab 1. Dezember 1996 während vier Jahren Übergangsentschädigungen zu. Hingegen verneinte sie mit Verfügung vom 23. Juli 2001 und Einspracheentscheid vom 24. Januar 2002 den geltend gemachten Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung. 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 23. Juni 2003 in dem Sinne gut, als es G.________ "ab 1. August 1998 eine Invalidenrente entsprechend einer Erwerbseinbusse von 29,9 %" zusprach "unter Anrechnung der seit August 1998 bezogenen Übergangsentschädigung". 
C. 
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids; eventuell sei die vom kantonalen Gericht zugesprochene Invalidenrente herabzusetzen. 
 
G.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen; überdies lässt er um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung ersuchen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
D. 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht holte bei der SUVA eine ergänzende Auskunft ein betreffend die hypothetischen jährlichen Rentenbeträge ab 1. Dezember 1996 unter Zugrundelegung von Invaliditätsgraden von 100 %, 30 % und 21 %. In der Folge hat G.________ hiezu Stellung genommen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf und die Höhe von Übergangsentschädigungen (Art. 86 f. VUV) richtig wiedergegeben. Dasselbe gilt hinsichtlich der Gesetzesnorm über den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG in der bis 30. Juni 2001gültig gewesenen Fassung; vgl. hiezu BGE 122 V 335). Zu ergänzen ist, dass der Versicherte nach Art. 18 Abs. 1 UVG in der seit 1. Juli 2001 geltenden Fassung einen Anspruch auf eine Invalidenrente hat, wenn er infolge des Unfalls zu mindestens 10 % invalid ist. 
 
Zutreffend sind auch die vorinstanzlichen Ausführungen, wonach das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 24. Januar 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Was den letztinstanzlich Prozessthema bildenden Invalidenrentenanspruch anbelangt, gilt es, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren: 
2.1 Was den Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 2000 betrifft, hat der Versicherte gemäss Schreiben der SUVA vom 26. Februar und 12. November 1997 sowie 6. Januar und 8. Dezember 1999 während vier Jahren Übergangsentschädigungen bezogen, und zwar 80 % von mutmasslichen Verdiensten von jährlich Fr. 69'962.65 (1. Dezember 1996 bis 30. November 1997), Fr. 71'791.- (1. Dezember 1997 bis 30. November 1998) und Fr. 72'131.25 (1. Dezember 1998 bis 30. November 1999 sowie 1. Dezember 1999 bis 30. November 2000). 
2.1.1 Auf Grund der vom Eidgenössischen Versicherungsgericht vorgenommenen Aktenergänzung steht fest, dass der Beschwerdegegner hypothetisch eine Invalidenrente auf der Grundlage eines Jahresverdienstes (Grundlohn, Nachtschichtzulage, Kinderzulage) von Fr. 69'179.- oder - unter Anrechnung einer zweiten Kinderzulage (+ Fr. 1'800.-) - von Fr. 70'979.- beziehen könnte. Mit Ausnahme der ersten der vier der Übergangsentschädigung zu Grunde gelegten mutmasslichen Lohneinbussen (Art. 87 Abs. 1 VUV) liegt somit der für die Rentenberechtigung massgebliche versicherte Verdienst tiefer (bei Fr. 70'979.-). Da auch bei der Rente der Leistungsansatz 80 % beträgt (Art. 20 Abs. 1 UVG), kann der Beschwerdegegner von vornherein nicht diejenigen Beträge erreichen, welche ihm unter dem Titel Übergangsentschädigung ausgerichtet wurden. Da von einer 30 % übersteigenden Invalidität ab 1. August 1998 nun aber nach Lage der Akten selbst auf Grund des vorinstanzlichen Entscheids nicht die Rede sein kann, vermindert sich auch in Konkurrenz zu der auf einem mutmasslich entgangenen Verdienst von Fr. 69'962.65 festgelegten Übergangsentschädigung der hypothetische Betrag der Invalidenrente auf einen Wert, der 80 % davon mit Sicherheit unterschreitet. Daran ändert nichts, dass die Übergangsentschädigung dem Beschwerdegegner zufolge Anrechnung von Drittleistungen und erzieltem Eigeneinkommen nicht durchgängig ungeschmälert ausgerichtet worden ist. 
2.1.2 Der Beschwerdegegner hat somit unter dem Titel Übergangsentschädigungen Leistungen erhalten, welche er auf Grund einer Invalidenrentenberechtigung selbst unter den für ihn günstigsten Annahmen niemals erreichen könnte. In dieser Konkurrenzsituation von Übergangsentschädigung zu Invalidenrente kommt Art. 87 Abs. 2 VUV zum Zuge. Diese Verordnungsbestimmung sieht Folgendes vor: Erhält ein Arbeitnehmer, dem eine Übergangsentschädigung zugesprochen wurde, später Taggelder oder eine Rente für die Folgen eines Berufsunfalls oder einer Berufskrankheit, die mit der in der Verfügung bezeichneten Arbeit zusammenhängt, so kann die Übergangsentschädigung an diese Leistungen ganz oder teilweise angerechnet werden. Wenn, wie hier der Fall, die koordinationsrechtlich anzurechnende Leistung, d.h. die Übergangsentschädigung, die nachträglich beanspruchte Invalidenrente übersteigt, bleibt für eine Invalidenrentenberechtigung rechnerisch von vornherein kein Raum. Die materiellrechtliche Frage der Invalidenrentenberechtigung des Beschwerdegegners hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 2000 kann daher offen bleiben. 
2.1.3 Diese Betrachtungsweise stellt keinen Widerspruch zu der von den Verfahrensbeteiligten herangezogenen Rechtsprechung BGE 120 V 134 dar. Dort ging es nur um die Frage, ob im Rahmen einer dem Versicherten verbliebenen Resterwerbsfähigkeit Raum bleibt für die Zusprechung eines Übergangstaggeldes oder einer Übergangsentschädigung, wenn und insoweit der Versicherte bei der Verwertung der Restarbeitsfähigkeit durch die Folgen der Nichteignungsverfügung beeinträchtigt ist. Hier hingegen ist die Anspruchskonkurrenz zu lösen zwischen schon zugesprochener und bezogener voller Übergangsentschädigung und nachträglich beanspruchter Invalidenrente. Obgleich Art. 87 Abs. 2 VUV von seinem Wortlaut her ("angerechnet") auf den Fall zielt, dass die vorgängig ausgerichtete Übergangsentschädigung ein Minus im Verhältnis zur später zugesprochenen Rente (oder zum Taggeld) darstellt, kommt das verordnungsmässige Anrechnungsprinzip auch dann zum Zuge, wenn es sich betraglich umgekehrt verhält. 
2.2 Was die Zeit nach Beendigung der Anspruchskonkurrenz Übergangsentschädigung/Invalidenrentenberechtigung ab 1. Dezember 2000 anbelangt, fehlt es nach der Aktenlage an einer Invalidität im Sinne von Art. 18 UVG. Der Beschwerdegegner weist, entgegen seinen Bestreitungen in der letztinstanzlichen Vernehmlassung, keinerlei nennenswerte Folgen der seinerzeit durchgemachten Berufskrankheit des Mehlstaubasthmas ("Bäckerasthmas") mehr auf (Bericht der fachärztlichen Untersuchung durch die SUVA-Abteilung Arbeitsmedizin vom 22. Juni 2001). Er ist in allen Tätigkeiten, bei welchen die Exposition zu den in der Nichteignungsverfügung erwähnten Stoffen vermieden wird, voll arbeits- und erwerbsfähig. Soweit er als Allergiker eine Krankheitsdisposition in sich trägt, ist diese nicht mit der erlittenen und abgeheilten Berufskrankheit zu verwechseln. Die vorinstanzliche Auffassung, von den branchenspezifisch tiefen LSE-Ansätzen für das Gastgewerbe auszugehen und diese tiefen Werte dem anhand der versicherten Berufstätigkeit ermittelten Valideneinkommen gegenüberzustellen, geht nicht an. Der Beschwerdegegner kann vom versicherten Risiko her, das hier zur Debatte steht, jede mit der früheren Speditionstätigkeit vergleichbare Arbeit ohne Noxenexposition voll ausüben, auch des Nachts. 
3. 
Dem Gesuch des unterliegenden Beschwerdegegners um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung kann entsprochen werden, da die hiefür nach Gesetz (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen der Bedürftigkeit und der Notwendigkeit oder wenigstens Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung erfüllt sind. Der Beschwerdegegner wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni 2003 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Verfahren zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 8. Juni 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: