Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_214/2023
Urteil vom 8. Juli 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichter Kölz, Hofmann,
Gerichtsschreiberin Kern.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard Isenring und Rechtsanwältin Gordana Tomic,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________Ltd.,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Reichart,
Beschwerdegegnerin,
Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Qualifizierte Wirtschaftskriminalität und internationale Rechtshilfe,
Güterstrasse 33, 8010 Zürich.
Gegenstand
Akteneinsicht,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 31. März 2023 (UH220220-O/U/AEP).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft IIl des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft. Die Privatklägerin B.________Ltd. ersuchte am 12. April 2022 um Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft bewilligte ihr mit Verfügung vom 14. Juni 2022 Einsicht in die Untersuchungsakten mit Ausnahme der Aktenstämme 5 (Einvernahmen) und 9 (Personalakten).
B.
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich wies diese mit Beschluss vom 31. März 2023 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, der Beschluss vom 31. März 2023 sei aufzuheben und der Privatklägerin B.________Ltd. sei keine Akteneinsicht zu gewähren. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Die Privatklägerin B.________Ltd. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ hat repliziert.
Der Beschwerde wurde mit Verfügung vom 6. Juni 2023 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt.
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand (vgl. Art. 92 BGG). Demnach ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.
Ob dem Beschwerdeführer ein solcher Nachteil droht, erscheint fraglich. Er macht geltend, würde der Beschwerdegegnerin Akteneinsicht gewährt, führte dies zu Verletzungen seiner "Persönlichkeits-, Datenschutz- und Geheimhaltungsinteressen", die nicht mehr behoben werden könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Akteneinsicht der Privatklägerschaft für die beschuldigte Person aber lediglich eine dem Strafverfahren inhärente und als solche hinzunehmende Inkonvenienz, die grundsätzlich keinen Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG begründet (Urteile 7B_207/2023 vom 22. Februar 2024 E. 1.2.3; 7B_194/2023 vom 17. Januar 2024 E. 3.1; je mit Hinweisen). Die Eintretensfrage kann indessen offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin unbegründet ist.
2.
Der Beschwerdeführer macht zunächst Verletzungen seines rechtlichen Gehörs geltend.
2.1. Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Dieser Anspruch wird für den Strafprozess in Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 Abs. 1 StPO wiederholt. Er verlangt, dass die Behörde die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich hört, ernsthaft prüft und bei der Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (Urteil 7B_535/2024 vom 3. Juni 2024 E. 2.4.1 mit Hinweisen). Die Parteien haben demnach insbesondere Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids (BGE 149 I 91 E. 3.2; 144 II 427 E. 3.1; je mit Hinweisen). Zudem verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Sie muss sich dabei aber nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen, sondern kann sich vielmehr auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 150 III 1 E. 4.5; 148 III 30 E. 3.1; 146 II 335 E. 5.1; je mit Hinweisen).
2.2. Der Beschwerdeführer moniert, die Staatsanwaltschaft habe ihn zwar darüber informiert, welche Akten sie der Beschwerdegegnerin herauszugeben gedenke; sie habe dieser aber mit Entscheid vom 14. Juni 2022 nicht nur Einsicht in jene Akten gewährt, sondern auch noch über die Einsicht in weitere Akten entschieden. Dabei handle es sich namentlich um den Aktenstamm 4, der sämtliche Akten aus dem Entsiegelungsverfahren beinhalte. Es sei mit einem fairen Verfahren und dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu vereinbaren, ihm (dem Beschwerdeführer) nicht "explizit und klar" mitzuteilen, welche Akten herausgegeben werden sollen, und ihm genügend Zeit zur Stellungnahme einzuräumen. Zudem habe die Staatsanwaltschaft ihre behördliche Begründungspflicht verletzt, denn sie sei auf seinen Antrag, es sei ihm vor Erlass der Verfügung klar aufzuzeigen, welche Akten herausgegeben werden sollen, und ihm (nochmals) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nicht eingegangen.
2.3. Die Kritik ist unbegründet. Die Staatsanwaltschaft teilte dem Beschwerdeführer nach den Vorakten am 12. April 2022 mit, dass sie beabsichtige, der Beschwerdegegnerin Akteneinsicht zu gewähren, wobei diese (selbstredend) keine Einsicht in gesiegelte Akten erhalten solle. Sie gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme und gewährte ihm dazu seinerseits Einsicht in die (ihm offenbar im Wesentlichen bereits bekannten) betroffenen Akten, einschliesslich Aktenstamm 4, bevor sie das Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdegegnerin bewilligte. Dieses Vorgehen ist, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, nicht zu beanstanden. Ferner ist der Staatsanwaltschaft auch keine Verletzung ihrer Begründungspflicht vorzuwerfen. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer weder Anrecht auf Auflistung aller Aktenstücke hatte, die an die Beschwerdegegnerin herausgegeben werden sollten, noch auf eine zweite, abschliessende Stellungnahme dazu, und dass die Verweigerung seiner Anträge keiner weiteren Erläuterung bedurfte.
3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 und Art. 108 StPO , Art. 5 Abs. 2, Art. 26, Art. 27 und Art. 29 Abs. 1 BV .
3.1. Er macht im Wesentlichen geltend, da die Einvernahme der Organvertreter der Beschwerdegegnerin noch nicht stattgefunden habe, hätte die Vorinstanz dieser (noch) keine Akteneinsicht gewähren dürfen. Akteneinsicht sei nämlich gemäss Art. 101 StPO "erst und nur dann" zu gewähren, wenn die wichtigsten Beweise bereits erhoben worden seien. Die Akten enthielten auch Informationen über bevorstehende Hausdurchsuchungen und eine nicht parteiöffentliche Einvernahme. Der Beschwerdegegnerin sei die Einsicht in diese Akten zwingend zu verwehren. Ausserdem habe ihm die Staatsanwaltschaft mit E-Mail vom 10. Juni 2021 noch zugesichert, dass der Beschwerdegegnerin keine Akteneinsicht gewährt werde. Die Staatsanwaltschaft habe sich wider Treu und Glauben verhalten, indem sie das Gesuch um Akteneinsicht der Beschwerdegegnerin trotz dieser Zusicherung gutgeheissen habe.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Gewährung der Akteneinsicht führe zu Verletzungen seiner Persönlichkeits-, Datenschutz- und Geheimhaltungsinteressen. Unter den Strafakten befänden sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeiten [sic]" Daten, die unter das Anwaltsgeheimnis fielen. Auch hätten die Strafbehörden in seinen Büroräumlichkeiten Ordner abfotografiert, deren Beschriftung dem Anwaltsgeheimnis unterständen. Zudem befänden sich in den Strafakten Bilder seiner privaten Räumlichkeiten, Informationen über seinen Wohnort und seine Büroräumlichkeiten und die bei Hausdurchsuchungen sichergestellten Gegenstände. Die Preisgabe dieser Informationen, welche die Beschwerdegegnerin nicht benötige, verletze sein Recht auf Privatsphäre.
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nach Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO unter anderem das sog. Akteneinsichtsrecht. Art. 101 Abs. 1 StPO sieht diesbezüglich vor, dass die Parteien - unter Vorbehalt von Art. 108 StPO - spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen können. Die Modalitäten der Gewährung der Akteneinsicht liegen im Ermessen der Staatsanwaltschaft (BGE 137 IV 280 E. 2.3; Urteile 7B_207/2023 vom 22. Februar 2024 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich im Prinzip auf sämtliche verfahrensbezogenen Akten, die geeignet sind, Grundlage des Entscheids zu bilden (Urteil 1B_43/2023 vom 13. Juni 2023 E. 2.1 mit Hinweisen). Der in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerte Grundsatz der Waffengleichheit setzt voraus, dass die Parteien grundsätzlich im gleichen Umfang Zugang zu den Verfahrensakten erhalten (BGE 137 IV 172 E. 2.6; Urteil 7B_207/2023 vom 22. Februar 2024 E. 2.2 mit Hinweisen).
Nach Art. 102 Abs. 1 StPO entscheidet die Verfahrensleitung über die Akteneinsicht; sie trifft dabei die erforderlichen Massnahmen, um Missbräuche und Verzögerungen zu verhindern und berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu schützen. Diese Bestimmung stellt einen besonderen Anwendungsfall der in Art. 108 StPO vorgesehenen Einschränkungen des rechtliches Gehörs dar (Urteil 1B_43/2023 vom 13. Juni 2023 E. 2.1 mit Hinweis). Art. 108 Abs. 1 StPO sieht vor, dass die Strafbehörden das rechtliche Gehör einschränken können, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht (lit. a), oder dies für die Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist (lit. b). Einschränkungen gegenüber Rechtsbeiständen sind dabei nur zulässig, wenn der Rechtsbeistand selbst Anlass für die Beschränkung gibt (Abs. 2). Die Einschränkungen sind zu befristen oder auf einzelne Verfahrenshandlungen zu begrenzen (Abs. 3).
Wer die Akteneinsicht durch eine Partei des Strafverfahrens verhindern will, hat seine Geheimhaltungsinteressen nicht nur pauschal zu behaupten, sondern muss diese ausreichend substanziieren (vgl. Urteil 7B_112/2022 vom 22. November 2023 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts ist nur mit Zurückhaltung und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit anzuordnen (BGE 146 IV 218 E. 3.1.2 mit Hinweisen).
3.3. Der Argumentation des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden: Art. 101 Abs. 1 StPO schliesst nicht aus, dass die Akteneinsicht vor der Einvernahme der beschuldigten Person und Erhebung der wichtigsten Beweise gewährt wird; die Staatsanwaltschaft bestimmt den Zeitpunkt. Dass sie ihr Ermessen überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war sie auch nicht an ihre fast ein Jahr zuvor mit E-Mail vom 10. Juni 2021 gegebene Auskunft gebunden (zum Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit behördlicher Auskünfte und Zusicherungen siehe etwa BGE 148 II 233 E. 5.5.1 mit Hinweisen).
Zudem stehen der Gewährung der Akteneinsicht, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, keine überwiegenden Interessen des Beschwerdeführers entgegen. Dass eine Verletzung des Anwaltsgeheimnisses droht, legt der Beschwerdeführer mit seinen blossen Vermutungen nicht hinreichend dar, und sein Recht auf Privatsphäre rechtfertigt im vorliegenden Fall keine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Beschwerdegegnerin. Es ist somit keine Bundesrechtsverletzung auszumachen.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dieser hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung auszurichten ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Juli 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Kern