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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_87/2024  
 
 
Urteil vom 8. Juli 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Eschle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ SPF, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Kern und/oder Lars Müller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, II. Abteilung, An der Aa 4, Postfach, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sistierung der Strafuntersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, vom 20. Dezember 2023 (BS 2023 65). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Das Tribunal d'Arrondissement de et à Luxembourg, Cabinet du juge d'instruction, stellte am 18. November 2020 ein Rechtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, das zuständigkeitshalber von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vollzogen wurde. Die ersuchende Behörde führt eine Strafuntersuchung gegen die Bank B.________ bzw. Angestellte der Bank sowie gegen Unbekannt wegen Verdachts auf Betrug, Urkundenfälschung, Verwendung gefälschter Urkunden etc. nach luxemburgischem Strafgesetzbuch.  
 
A.b. Mit Eingabe vom 22. Februar 2022 erstattete die A.________ SPF mit Sitz in Luxemburg als Privatklägerin bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug Strafanzeige gegen C.________ und die D.________ AG wegen Geldwäscherei. Die D.________ AG hatte ihr Domizil bis mindestens Februar 2022 in Zug. Zur Begründung brachte die A.________ SPF vor, die Beschuldigten hätten sich Vermögenswerte russischer Anleger von insgesamt rund USD 56 Mio. unrechtmässig angeeignet und teilweise über Fonds bei Schweizer Banken "gewaschen". Fondsverwalterin sei die D.________ AG gewesen, deren Verwaltungsrat C.________ sei.  
Mit Schreiben vom 21. März 2022 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug das Cabinet du juge d'instruction in Luxemburg um Übernahme der Strafuntersuchung gegen C.________. Das Bundesamt für Justiz vollzog das Ersuchen der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mit Schreiben vom 4. April 2022 zuhanden des Procureur général d'Etat in Luxemburg und mit zwei weiteren Schreiben vom 12. Oktober 2022 sowie vom 14. April 2023. 
 
A.c. Mit Einstellungs- und Sistierungsverfügung vom 19. Juli 2023 sistierte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug die Strafuntersuchung gegen C.________ betreffend Geldwäscherei bis zur Strafübernahme durch das Cabinet du juge d'instruction in Luxemburg bzw. längstens bis zu einem rechtskräftigen Entscheid aus den Aktenzeichen Az. xxx, Az. yyy und Az. zzz (Dispositiv-Ziff. 1). Weiter hielt sie fest, dass die Sistierungsverfügung zur definitiven Einstellungsverfügung werde, wenn bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung (mutmasslich ab 2024 einsetzend) keine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolge, wobei das Strafverfahren dann als definitiv eingestellt gelte (Dispositiv-Ziff. 2).  
 
B.  
Dagegen erhob die A.________ SPF mit Eingabe vom 3. August 2023 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zug. 
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2023 hiess das Obergericht die Beschwerde teilweise gut und hob Ziff. 2 der Einstellungs- und Sistierungsverfügung auf. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab und bestätigte die Sistierung der Strafuntersuchung. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die A.________ SPF dem Bundesgericht, es sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben, soweit dieser Ziff. 1 der Einstellungs- und Sistierungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 19. Juli 2023 bestätigt habe. Entsprechend sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Strafuntersuchung weiterzuführen und insbesondere die sich bei den beiden in der Strafanzeige genannten Banken befindlichen Beweismittel zu sichern und diesen Banken die Vernichtung dieser Beweismittel zu untersagen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Bei den Zivilansprüchen geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1).  
Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens oder aber - wie hier - gegen eine Sistierung als vorläufige Einstellung einer Strafuntersuchung bzw. Einstellung prozessualer Natur (so zutreffend zur Rechtsnatur der Sistierung SABINE GLESS, Verfahrenserledigungen ohne Urteil: Pragmatismus und Gerechtigkeit, ZStrR 127/2009 S. 379; André Vogelsang, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 5 f. zu Art. 314 StPO), hat die Privatklägerschaft - also diejenige Person, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist, und sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin beteiligt (Art. 115 Abs. 1 i.V.m. Art. 118 StPO) - nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 186 E. 1.4.1; 137 IV 246 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Dies ist dann der Fall, wenn die Straftat unmittelbar zu einer so starken Beeinträchtigung der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität geführt hat, dass sich daraus ohne Weiteres ein Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ergibt (Urteile 7B_38/2023 vom 25. April 2024 E. 1.1; 7B_182/2024 vom 26. März 2024 E. 2.1.2). 
Die Beschwerdeführerin geht mit keinem Wort auf ihre Beschwerdelegitimation, geschweige denn auf die (keineswegs augenfällige) Auswirkung des angefochtenen Entscheids auf mögliche Zivilforderungen ein. Damit kann auf die Beschwerde grundsätzlich nicht eingetreten werden. 
 
1.2. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft vor Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensrechten rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind dabei Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, es liege eine formelle Rechtsverweigerung vor (Rz. 12 der Beschwerde), begründet dies aber mit einer angeblichen Verletzung des "Beschleunigungsverbots in Strafsachen", indem "die Sistierungsdauer vom nicht vorhersehbaren Tätigwerden der Luxemburger Untersuchungsbehörden abhängig gemacht" werde. Ihre Rüge beschlägt somit gerade nicht ihre Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (vgl. BGE 138 IV 78 E. 1.3 mit Hinweisen), sondern zielt vielmehr auf eine materielle Überprüfung des vorläufigen Einstellungsentscheids ab. Damit ist sie nicht zu hören. Abgesehen davon übersieht die Beschwerdeführerin mit dieser Rüge auch, dass Anspruch auf Verfahrensbeschleunigung primär beschuldigte Personen haben und die Privatklägerschaft nur in geringerem Masse (vgl. Urteil 1B_66/2020 vom 2. Dezember 2020 E. 3.1 mit Hinweis). Wieso in der vorliegenden Konstellation, in der nicht einmal die Auswirkung des angefochtenen Entscheids auf allfällige Zivilforderungen ersichtlich, geschweige denn dargetan ist, die Privatklägerin ein besonderes Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung haben soll, ist nicht nachvollziehbar. 
 
2.  
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Juli 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Eschle