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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_467/2023  
 
 
Urteil vom 8. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Caprara. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Üble Nachrede, Diebstahl, Urkundenfälschung, Amtsanmassung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 23. Januar 2023 (SST.2022.172). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 29. Oktober 2021 sprach das Bezirksgericht Baden A.________ wegen übler Nachrede, Diebstahls (gemäss Ziffer 1a der Zusatzanklage vom 24. Juni 2020), Urkundenfälschung und Amtsanmassung schuldig und widerrief den bedingten Vollzug der mit Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. Juni 2018 ausgefällten Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Es bestrafte ihn unter Einbezug der widerrufenen Strafe mit einer unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 24 Monaten als Gesamtstrafe sowie mit einer unbedingt vollziehbaren Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 30.--. Weiter ordnete es eine vollzugsbegleitende ambulante therapeutische Massnahme an. Von den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs, der Widerhandlung gegen das Hundegesetz und des Diebstahls (gemäss Ziffer 1b der Zusatzanklage vom 24. Juni 2020) sprach das Bezirksgericht A.________ frei. Es stellte das Verfahren in Bezug auf die Vorwürfe der geringfügigen unrechtmässigen Aneignung und des geringfügigen Diebstahls infolge Eintritts der Verfolgungsverjährung ein. Das Bezirksgericht verwies die Zivilklagen auf den Zivilweg. Schliesslich befand es über die Einziehung eines Fahrrads sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
B.  
Mit Urteil vom 23. Januar 2023 stellte das Obergericht des Kantons Aargau die Rechtskraft der erstinstanzlichen Verfahrenseinstellungen und der Freisprüche (mit Ausnahme des Freispruchs vom Vorwurf des Diebstahls gemäss Ziffer 1b der Zusatzanklage vom 24. Juni 2020) sowie des Verweises der Zivilklagen auf den Zivilweg fest. Es bestätigte die übrigen erstinstanzlichen Schuldsprüche, erkannte jedoch auf mehrfachen Diebstahl (gemäss Ziffern 1a und 1b der Zusatzanklage vom 24. Juni 2020). Das Obergericht bestätigte den Widerruf der Vorstrafe gemäss Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. Juni 2018, die unbedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten als Gesamtstrafe unter Einbezug der widerrufenen Strafe, die unbedingte Geldstrafe von 10 Tagessätzen, mit Anpassung der Höhe des Tagessatzes auf Fr. 10.--, sowie die Anordnung der vollzugsbegleitenden ambulanten Massnahme. Es urteilte weiter über das beschlagnahmte Fahrrad und setzte die Kosten und Entschädigungen fest. 
 
C.  
Dagegen gelangt A.________ mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er von Schuld und Strafe freizusprechen. Die vor- und erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen und es sei auf eine Rückforderung der Entschädigung für die Leistungen des amtlichen Verteidigers zu verzichten. Eventualiter sei das angefochtene Urteil in Dispositiv-Ziffern 3, 4, 5, 8 und 9 aufzuheben und zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde des Beschuldigten (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG) gegen den kantonal letztinstanzlichen (Art. 80 Abs. 1 BGG), verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten. 
Nicht einzutreten ist auf die vom Beschwerdeführer eingereichten echten Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, der Gutachter Dr. med. B.________ sei befangen. Dieser habe ihm anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlung unterstellt, er suche eine mildere, weibliche Gutachterin, die er eher um den Finger wickeln könne. Sodann habe der Gutachter geäussert, er habe im Vorfeld der Exploration bereits gedacht, der Beschwerdeführer akzeptiere ihn ohnehin nicht.  
 
2.2. Für Sachverständige gelten die Ausstandsgründe nach Art. 56 StPO (Art. 183 Abs. 3 StPO). Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person - oder einer sachverständigen Person - verlangen, hat sie gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat (Urteil 6B_321/2023 vom 16. Juni 2023 E. 4.2.2). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss die gesuchstellende Person den Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnis des Ausstandsgrunds verlangen. Andernfalls verwirkt sie grundsätzlich den Anspruch (vgl. BGE 143 V 66 E. 4.3 mit Hinweisen). In der Regel gilt ein sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds gestelltes Gesuch noch als rechtzeitig gestellt; ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten ist dagegen bereits verspätet (Urteile 7B_283/2023 vom 24. Mai 2024 E. 4.3.1; 7B_195/2023 vom 15. Januar 2024 E. 2.2.1; 6B_321/2023 vom 16. Juni 2023 E. 4.2.2; je mit Hinweisen). Bei ganz offensichtlichem Anschein der Befangenheit steht die allfällige Verspätung eines Ausstandsgesuchs der Ausstandspflicht unter Umständen nicht entgegen (vgl. BGE 134 I 20 E. 4.3.2; Urteile 7B_283/2023 vom 24. Mai 2024 E. 4.3.1; 6B_321/2023 vom 16. Juni 2023 E. 4.2.2 mit Hinweisen).  
 
2.3. Die vorinstanzliche Würdigung, wonach Ausstandsgründe in Bezug auf Dr. med. B.________ nicht ersichtlich seien, steht in Einklang mit Bundesrecht.  
Nachdem der Beschwerdeführer gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen Mühe mit männlichen Gutachtern bekundet, nach seinem aktenkundigen Schreiben vom 11. November 2020 im Vorfeld der Begutachtung eine weibliche Gutachterperson verlangt hatte (erstinstanzliche Akten, act. 138) und dem Gutachter die Gerichtsakten zur Verfügung gestellt wurden (erstinstanzliche Akten, act. 143), welche den entsprechenden Wunsch enthielten, erscheint es naheliegend, dass sich der Gutachter Gedanken hierzu machte. Daraus lässt sich nicht auf eine persönliche Befangenheit des Gutachters schliessen. Dies gilt ebenso wenig für die Bemerkung des Gutachters, welcher vermutete, der Beschwerdeführer könnte versucht sein, eine weibliche Gutachterin "um den Finger zu wickeln". Einerseits äusserte sich der Gutachter bloss zur möglichen Einstellung des Beschwerdeführers zur Gutachterperson, nicht jedoch zu seiner eigenen Einstellung gegenüber dem zu Begutachtenden. Andererseits gab der Beschwerdeführer mit seinem Wunsch nach einer weiblichen Gutachterperson Anlass, dass der Gutachter sich zum möglichen Motiv äusserte (erstinstanzliches Protokoll S. 36; erstinstanzliche Akten, act. 227), insbesondere, nachdem die erste Instanz dieses Thema von sich aus aufbrachte (erstinstanzliches Protokoll S. 23; erstinstanzliche Akten, act. 214). Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt, er hätte in analoger Anwendung von Art. 205 i.V.m. Art. 366 StPO zu einem zweiten Begutachtungstermin und -gespräch vorgeladen werden müssen. 
Indessen fehlt es diesbezüglich an einer Rechtsgrundlage in den Art. 182 ff. StPO, welche den Beizug sachverständiger Personen regeln. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren vor Gerichtsbehörden (Art. 366 ff. StPO) bietet sich, anders als der Beschwerdeführer beantragt, nicht an. Denn ein Begutachtungstermin ist nicht mit einer Gerichtsverhandlung gleichzustellen. Vielmehr ist die beschuldigte Person berechtigt, die Mitwirkung und die Aussage gegenüber der sachverständigen Person zu verweigern (Art. 185 Abs. 5 StPO). Zudem ist die sachverständige Person keine "Strafbehörde" im Sinne von Art. 205 Abs. 1 StPO (vgl. auch Art. 12 f. StPO). Sie ist vielmehr Entscheidungsgehilfe des Richters (BGE 141 IV 369 E. 6.2 mit Hinweisen). Eine Erscheinungspflicht im Sinne von Art. 205 Abs. 1 StPO für die zu begutachtende Person, die unabhängig von deren Willen bestehen würde, an der betreffenden Verfahrenshandlung mitzuwirken (vgl. SARARARD ARQUINT, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 1 zu Art. 205 StPO; ULRICH WEDER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 3. Aufl. 2020, N. 4 zu Art. 205 StPO; vgl. auch Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1219 Ziff. 2.5.3.1), ist deshalb bei der Vorladung durch eine sachverständige Person zu verneinen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. 
Ob von einer vorübergehenden oder dauerhaften Kooperationsverweigerung gegenüber einer sachverständigen Person auszugehen ist, obliegt der Beurteilung der Gerichtsbehörden, welche den Sachverhalt abzuklären haben. Entsprechend liegt es in ihrer Zuständigkeit, bei nicht dauerhafter Weigerung auf einer persönlichen Begutachtung zu beharren oder aber ein ihnen unterbreitetes Aktengutachten auf dessen Zulässigkeit hin zu prüfen. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz stütze ihren Schuldspruch in willkürlicher Weise massgeblich auf das forensisch-psychiatrische Gutachten von Dr. med. B.________ vom 17. Februar 2021 ab. Hierbei handle es sich um ein unzulässiges und nicht fachgerecht erstattetes Aktengutachten.  
Die Vorinstanz hätte inhaltlich, zumindest was die Frage der Schuldfähigkeit betreffe, nicht auf das Gutachten von Dr. med. B.________ abstützen dürfen, weil es mangels persönlicher Untersuchung nicht fachgerecht erstattet worden sei. Es verstosse gegen Bundesrecht, wenn sich ein Gutachter trotz fehlender persönlicher Begutachtung zur Schuldfähigkeit äussere. Zwar hätten zum Zeitpunkt, in dem Dr. med. B.________ sein Gutachten verfasst habe, bereits das Gutachten von Dr. med. C.________ vom 7. April 2020 und dasjenige von Dr. med. D.________ vom 2. März 2017 vorgelegen. Diese Gutachten hätten jedoch nicht die Frage der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers zum Gegenstand. Es habe demnach kein deckungsgleicher Inhalt der jeweiligen Gutachten vorgelegen, welcher die Erstellung eines Aktengutachtens ausnahmsweise gerechtfertigt hätte. 
Auch hinsichtlich der weiteren Fragen sei das Aktengutachten von Dr. med. B.________ unzulässig bzw. die Aktengrundlage mangelhaft. So habe es der Gutachter unterlassen, Arztberichte zu edieren oder eine gerichtliche Befragung der Psychiaterin des Beschwerdeführers, Dr. med. E.________, zu beantragen, nachdem er diese nicht erreicht habe. Den Auskünften der Mutter und der Ex-Gattin des Beschwerdeführers komme aufgrund deren Interesse am Ausgang des Strafverfahrens ein eher geringer Beweiswert zu. 
Hinzu komme, dass das Gutachten von Dr. med. B.________ in Widerspruch zur Diagnose von Dr. med. C.________ und Dr. med. F.________ (d.h. seiner langjährigen Therapeutin) stehe. Dr. med. C.________ habe ihm im Frühling 2020 eine Borderline-Persönlichkeitsstörung mit dissoziativen Zuständen und dissozialen Zügen attestiert. Diese Diagnose sei von Dr. med. F.________ mit Bericht vom 6. Januar 2023 bestätigt worden. Dr. med. B.________ habe im Winter 2021 demgegenüber eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen diagnostiziert. In der Folge sei Dr. med. B.________ anlässlich der Berufungsverhandlung von seiner Diagnose im schriftlichen Gutachten abgewichen und gehe neu von einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit borderlinehaften Zügen aus. Er begründe indessen den Widerspruch zu den früheren Diagnosen nicht (hinreichend). 
Schliesslich erweise sich das Gutachten von Dr. med. B.________ als ungenau. Der Gutachter habe sich lediglich kurz und pauschal zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers geäussert, ohne zwischen den verschiedenen, teilweise zeitlich weit auseinanderliegenden Taten zu differenzieren. Der Gutachter schliesse ohne weitere Begründung und in nicht nachvollziehbarer Weise auf eine verminderte Schuldfähigkeit, ohne diese von der vollkommenen Schuldunfähigkeit abzugrenzen. Ausserdem habe der Gutachter anlässlich der erst- und zweitinstanzlichen Verhandlungen die Delikte nicht mehr präsent gehabt und seien seine dort gemachten ergänzenden Ausführungen unfundiert bzw. mangelhaft. Namentlich habe er an der erstinstanzlichen Verhandlung von einem Betrugsdelikt gesprochen, obwohl dem Beschwerdeführer ein solches nicht vorgeworfen werde. 
 
4.2.  
 
4.2.1. Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an (Art. 20 StGB). Auch beim Entscheid über die Anordnung einer ambulanten Massnahme nach Art. 63 StGB stützt sich das Gericht auf eine sachverständige Begutachtung (vgl. Art. 56 Abs. 3 StGB).  
 
4.2.2. Psychiatrische Gutachten können grundsätzlich nur bei persönlicher Untersuchung des Probanden fachgerecht erstattet werden. Aktengutachten müssen die Ausnahme darstellen. Solche Ausnahmen sind etwa möglich, wenn über den zu begutachtenden Täter bereits ein oder mehrere Gutachten erstattet worden sind, die überdies jüngeren Datums sein müssen, und wenn sich die Grundlagen der Begutachtung nicht wesentlich geändert haben (nach wie vor gleiches Krankheitsbild). Ein Aktengutachten kommt auch in Betracht, wenn der Proband nicht oder nur schwer erreichbar ist oder sich einer Begutachtung verweigert (BGE 127 I 54 E. 2f). Es ist in erster Linie Aufgabe des angefragten Sachverständigen zu beurteilen, ob sich ein Aktengutachten ausnahmsweise verantworten lässt (BGE 146 IV 1 E. 3.2.2; 127 I 54 E. 2f: Urteil 6B_1307/2018 vom 17. September 2019 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
 
4.2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet dabei willkürlich (vgl. zum Begriff der Willkür: BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer anerkennt den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt ausdrücklich. Soweit er in tatsächlicher Hinsicht geltend macht, er habe die Begutachtung nicht verweigert und sei kooperationswillig gewesen, kommt er seiner Begründungspflicht, die für Sachverhaltsrügen vor Bundesgericht gilt (vgl. E. 4.2.3 hiervor), nicht nach. Diesbezüglich befasst er sich nicht mit der vorinstanzlichen Begründung. Dasselbe gilt hinsichtlich der Rüge, eine körperliche Untersuchung sei zu Unrecht unterblieben. Angesichts der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit eines Aktengutachtens unter dem Aspekt der Beteiligungsrechte nicht (vgl. BGE 146 IV 1 E. 3.2.2; Urteile 6B_1221/2021 vom 17. Januar 2022 E. 1.4; 6B_744/2021 vom 27. August 2021 E. 3; je mit Hinweisen). Nichts zu seinen Gunsten kann er diesbezüglich aus den von ihm zitierten Vergleichsfällen ableiten. Ebenso wenig ist auf die Behauptungen des Beschwerdeführers einzugehen, die Anwesenheit anderer Personen am Explorationsgespräch vom 8. Dezember 2020 sei ihm nicht mitgeteilt worden, weshalb er den Gesprächsort verlassen habe, oder er habe Dr. med. E.________ von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden und sich entsprechend nicht geweigert, weitere Entbindungserklärungen zu unterzeichnen, sei jedoch bezüglich weiterer Entbindungserklärungen nicht angefragt worden. In beiden Fällen fehlt es in der Beschwerde an einer Substantiierung von Willkür.  
Hingegen bedarf es einer Prüfung, ob die konkreten Gutachterfragen grundsätzlich im Rahmen eines Aktengutachtens beantwortet werden durften. 
 
4.4.  
 
4.4.1. Die erste Instanz gab am 16. November 2020 ein Gutachten zur Frage der psychischen Störung und zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers in Auftrag. Der Gutachter Dr. med. B.________ hat bejaht, ein Aktengutachten über die von der Vorinstanz gestellten Fragen erstellen zu können. Er hat die Mutter des Beschwerdeführers während zweier Stunden ausführlich befragt, nachdem sich der Beschwerdeführer nicht auf das Explorationsgespräch eingelassen und dieses verlassen hatte. Weiter hat er ein Schreiben von der Ex-Frau des Beschwerdeführers sowie die Prozessakten, darunter das Gutachten von Dr. med. C.________ vom 7. April 2020 zu Handen des Departements für Volkswirtschaft und Inneres (zwecks der Klärung der Hafterstehungsfähigkeit), beigezogen.  
Schliesslich hat der Gutachter sowohl der erst- als auch der zweitinstanzlichen Verhandlung und Befragung des Beschwerdeführers beigewohnt und vor erster Instanz die Möglichkeit erhalten, dem Beschwerdeführer Ergänzungsfragen zu stellen. Ebenfalls hat der Gutachter vor Vorinstanz die Befragung der Ex-Frau des Beschwerdeführers mitverfolgt, die Angaben zum einen Deliktsvorwurf (Fahrraddiebstahl) machen konnte. 
Dr. med. B.________ präzisierte die Diagnose nach der persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers vor erster Instanz und Vorinstanz, die er beide mitverfolgte. Er bescheinigte dem Beschwerdeführer eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit borderlinehaften Zügen. 
 
4.4.2. Dabei bestehen bereits mehrere psychiatrische Gutachten und Berichte mit verschiedenen Diagnosen.  
In ihrem Gutachten vom 7. April 2020 bescheinigt Dr. med. C.________ dem Beschwerdeführer eine Borderline-Persönlichkeitsstörung mit dissoziativen Zuständen und dissozialen Zügen. 
Das Gutachten von Dr. med. C.________ vom 7. April 2020 enthält sodann die bisherigen Befunde, ohne dass diese dem Gutachten beigefügt wären (Austrittsbericht von Dr. med. G.________ vom 3. Februar 2015: Suizidale Krise mit dringendem Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Anteilen, posttraumatische Belastungsstörung, Dumping-Syndrom bei Status nach Magenbypass-Operation 2013; Austrittsbericht von Dr. med. G.________ vom 27. April 2015: Krise mit unter anderem selbstverletzendem Verhalten, Suizidgedanken mit dringendem Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline Typ, posttraumatische Belastungsstörung, Dumping-Syndrom bei Status nach Magenbypass-Operation 2013; Bericht von Dr. med. H.________ vom 8. März 2016 zu Handen der IV-Stelle: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ, posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Amnesie; psychiatrisches Gutachten von Dr. med. D.________ und Dr. phil. I.________ vom 2. März 2017 zu Handen der IV-Stelle: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen [impulsiven] und dissozialen Anteilen, posttraumatische Belastungsstörung, Trichotillomanie; fachpsychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. med. J.________ und med. pract. K.________ zu Handen der IV-Stelle vom 10. Dezember 2018: Keine Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit; Kurzaustrittsbericht von Dr. med. L.________ vom 18. April 2019: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline Typ mit dissozialen Anteilen, posttraumatische Belastungsstörung; Kurzaustrittsbericht von Dr. med. L.________ vom 6. September 2019 ohne konkrete Diagnose sowie verschiedene Arztberichte des Kantonsspitals Baden zu nicht-psychiatrischen Fragestellungen). 
Der vor Vorinstanz eingereichte dreiseitige Bericht der behandelnden Psychiaterin Dr. med. F.________ vom 6. Januar 2023 attestiert dem Beschwerdeführer schliesslich eine chronisch verlaufende paranoide Schizophrenie. 
 
4.5. Insgesamt stützt sich die Einschätzung des Gutachters Dr. med. B.________ nicht bloss auf die Akten, sondern auch auf den persönlichen Eindruck, den er vom Beschwerdeführer anlässlich der erstinstanzlichen und der Berufungsverhandlung gewonnen hat, sowie auf die Fremdauskünfte der Mutter und der Ex-Frau des Beschwerdeführers. Dabei legte der Gutachter vor Vorinstanz ausführlich dar, weshalb er zu einer anderen Einschätzung gelangt als Dr. med. C.________ und Dr. med. F.________. Diesen Ausführungen ist beizupflichten und es kann darauf kann verwiesen werden. Es verletzt auch kein Bundesrecht, wenn der Gutachter keine weiteren Fremdauskünfte einholte bzw. nach dem vergeblichen Versuch, Dr. med. E.________ zu erreichen, keine weiteren Abklärungen vornahm. Die Vorinstanz durfte in Einklang mit Bundesrecht davon ausgehen, das Aktengutachten und die darauf folgende mündliche Präzisierung anlässlich der erstinstanzlichen und der Berufungsverhandlung, nach mehrfacher persönlicher Wahrnehmung des Beschwerdeführers durch den Gutachter, seien fachgerecht erfolgt.  
 
4.6. Auch inhaltlich durfte die Vorinstanz willkürfrei auf das Gutachten abstellen. Dass der Gutachter die einzelnen Delikte anlässlich der erst- und zweitinstanzlichen Verhandlung jeweils nicht mehr im Detail präsent hatte, räumte er an der erstinstanzlichen Verhandlung ein. Dies liefert angesichts der Anzahl Gutachten, die er jährlich erstellt, und der seither vergangenen Zeit keinen Hinweis auf die fehlende Fachgerechtigkeit des Gutachtens. Dass der Gutachter im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Amtsanmassung untechnisch von "raffiniertem Betrugsdelikt" gesprochen hat, lässt nicht auf eine fehlende Qualität schliessen, zumal der Amtsanmassung eine Täuschungshandlung über die Identität zugrunde liegt und der Gutachter gleichzeitig den Deliktsvorwurf korrekt benannte. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Gutachter den kulturellen Hintergrund und die Herkunft des eingebürgerten Beschwerdeführers in seine Überlegungen einbezieht.  
Weiter trifft es nicht zu, dass der Gutachter bei der Frage der Schuldfähigkeit nicht zwischen den verschiedenen Delikten differenziert. Vielmehr hat sich dieser im Rahmen der mündlichen Befragung vor erster Instanz und Vorinstanz zu den einzelnen Delikten geäussert. 
Schliesslich begründete der Gutachter seine Diagnose, die Einschätzung der Schuldfähigkeit und die Präzisierungen nach zweimaliger Wahrnehmung des Beschwerdeführers an der erstinstanzlichen Verhandlung und der Berufungsverhandlung so überzeugend, dass der Vorinstanz keine Willkür vorgeworfen werden kann, wenn sie darauf abstellt. Der Gutachter geht im schriftlichen Gutachten von einer erhaltenen Schuldfähigkeit hinsichtlich sämtlicher Taten aus und präzisiert anlässlich der Verhandlung auf eine bestenfalls geringfügig verminderte Schuldfähigkeit bei den Delikten, welche affektgesteuert sind. Die erhaltene Schuldfähigkeit begründete der Gutachter mit der mentalen Fitness, welche bei allen Delikten erkennbar vorhanden gewesen sei. Hierzu kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist gutzuheissen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Entsprechend sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen. Der Beschwerdeführer hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
2.1. Rechtsanwalt Oliver Bulaty wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingesetzt und mit Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.  
 
2.2. Es werden keine Gerichtkosten erhoben.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Caprara