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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_592/2024  
 
 
Urteil vom 8. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Andrea Ermotti, Richter, 
c/o Bundesstrafgericht, Berufungskammer, Viale Stefano Franscini 7, 6500 Bellinzona. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstandsgesuch, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesstrafgerichts, Berufungskammer, vom 20. Mai 2024 (CA.2024.16). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Ab Sommer 2009 führte die Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) gegen A.________ und mitbeschuldigte Personen eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts von qualifizierter Geldwäscherei, Urkundenfälschung und weiteren Delikten.  
 
A.b. Am 19. Mai 2015 reichte die BA die Anklageschrift gegen den Beschuldigten wegen qualifizierter Geldwäscherei, Urkundenfälschung sowie mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts ein. Am 20. Februar 2019 wurde die Anklageschrift ergänzt. Die BA warf dem Beschuldigten zudem betrügerischen Konkurs vor.  
 
A.c. Mit Urteil SK.2019.12 vom 23. April 2021 des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, wurde der Beschuldigte der qualifizierten Geldwäscherei, der Urkundenfälschung und des betrügerischen Konkurses für schuldig befunden und mit einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten, einer Geldstrafe von 290 Tagessätzen à Fr. 350.-- sowie einer weiteren Geldstrafe von 80 Tagessätzen à Fr. 350.-- bestraft. Dagegen reichte der Beschuldigte die Berufung ein.  
 
A.d. Mit Beschluss CA.2022.6 vom 3. Juni 2022 hob das Bundesstrafgericht, Berufungskammer das Urteil SK.2019.12 vom 23. April 2021 der Strafkammer auf, und es wies die Sache an die Vorinstanz zurück (Art. 409 StPO), zwecks Bereinigung des Rubrums (Klärung der Rolle aller Verfahrensbeteiligten), ohne Anweisung einer Wiederholung von Verfahrenshandlungen. Am 17. Juni 2022 erliess die Strafkammer das entsprechend bereinigte Urteil SK.2022.22. Gegen dieses Urteil erhob der Beschuldigte wiederum Berufung.  
 
A.e. Am 23. März 2023 stellte der Beschuldigte gegen den das Berufungsverfahren leitenden Bundesstrafrichter Andrea Ermotti ein Ausstandsgesuch, welches das Bundesstrafgericht, Berufungskammer, mit Beschluss CA.2023.8 vom 14. Mai 2023 abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 12. September 2023 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 7B_287/2023).  
 
B.  
Am 17. April 2024 reichte der Beschuldigte gegen Bundesstrafrichter Andrea Ermotti ein weiteres Ausstandsgesuch ein, welches das Bundesstrafgericht, Berufungskammer, mit Beschluss CA.2024.16 vom 20. Mai 2024 ebenfalls abwies, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Gegen den Beschluss vom 20. Mai 2024 des Bundesstrafgerichtes gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 27. Mai 2024 an das Bundesgericht. Er beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Gutheissung seines Ausstandsgesuches vom 17. April 2024. 
Am 3. Juni 2024 "erinnerte" der Beschwerdeführer das Bundesgericht an seine Beschwerdeschrift vom 27. Mai 2024 (mit identischen Rechtsbegehren). Am 5. Juni 2025 gingen die vorinstanzlichen Akten beim Bundesgericht ein. Der Beschwerdeführer reichte am 28. Juni und 29. Juli 2024, nach Ablauf der Beschwerdefrist, unaufgefordert weitere Rechtsschriften ein. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein selbständig eröffneter Entscheid der Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes über ein Ausstandsgesuch gegen eines seiner Mitglieder (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art. 92 BGG und Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind, vorbehältlich der nachfolgend erörterten Vorbehalte, grundsätzlich erfüllt. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert ein weiteres Mal Verfahrenshandlungen des vom (neuerlichen) Ausstandsgesuch betroffenen Bundesstrafrichters und rügt sinngemäss, die Verneinung von Ausstandsgründen durch die Vorinstanz verletze Art. 56 lit. f StPO.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Justizpersonen ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 140 I 240 E. 2.2; 271 E. 8.4; 326 E. 5.1; 140 III 221 E. 4.1; 137 I 227 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die grundrechtliche Garantie wird in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 138 I 425 E. 4.2.1 mit Hinweisen).  
 
2.2.2. Eine in einer Strafbehörde, etwa beim Berufungsgericht (Art. 13 lit. d StPO), tätige Person tritt, abgesehen von den in Art. 56 lit. a-e StPO genannten Fällen, in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO). Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Wird ein Ausstandsgesuch nach Art. 56 lit. f StPO geltend gemacht, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig das Berufungsgericht, wenn einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind (Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO). Der Entscheid ergeht schriftlich und ist zu begründen (Art. 59 Abs. 2 StPO). Bis zum Entscheid übt die betroffene Justizperson ihr Amt weiter aus (Art. 59 Abs. 3 StPO).  
 
2.2.3. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit begründen. Voreingenommenheit bzw. Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei der Beurteilung solcher Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 I 240 E. 2.2; 326 E. 5.1; 138 IV 142 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
2.2.4. Der Anschein von Befangenheit "aus anderen Gründen" (im Sinne von Art. 56 lit. f StPO) kann auch vorliegen, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen einer verantwortlichen Justizperson vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3; Urteile 7B_287/2023 vom 12. September 2023 E. 2.3; 1B_387/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.3; 1B_98/2021 vom 3. März 2022 E. 3.2-3.3; je mit Hinweisen). Diesbezüglich sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen beanstandete Verfahrenshandlungen auszuschöpfen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2; 114 Ia 153 E. 3b/bb; zit. Urteil 7B_287/2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen Folgendes:  
Der Beschwerdeführer habe als Ausstandsgrund sinngemäss geltend gemacht, der das Berufungsverfahren leitende Bundesstrafrichter habe am 15. April 2024 willkürlich entschieden, das Verfahren bzw. die Vorbereitungen für die Berufungsverhandlung nicht zu "suspendieren". Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer vorinstanzlich eine schwere Erkrankung vorgebracht. 
In diesem Zusammenhang sei kein Prozessfehler des Bundesstrafrichters und kein Ausstandsgrund dargetan. Im fraglichen Schreiben vom 15. April 2024 habe der Verfahrensleiter dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers mitgeteilt, das Bundesgerichtsurteil 7B_621/ 2023 / 7B_622/2023 vom 26. Februar 2024 sei in Rechtskraft erwachsen. In diesem Urteil habe das Bundesgericht die Strafsache CA.2024.13 an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes zurückgewiesen, zwecks Fortführung des hängigen Berufungsverfahrens. Der Verfahrensleiter habe dem Verteidiger weiter mitgeteilt, dass damals kein Anlass ersichtlich gewesen sei, die gerichtlichen Vorbereitungen für die Ansetzung der Berufungsverhandlung zu sistieren. Eine Rechtsverletzung sei in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen. 
Soweit der Beschwerdeführer vorinstanzlich geltend gemacht habe, das Verhalten des Verfahrensleiters widerspreche diversen Revisions- bzw. Beschwerdeanträgen des Beschwerdeführers bzw. seinen Gesuchen um aufschiebende Wirkung, habe dieser seine prozessualen Behauptungen weder belegt, noch plausibilisiert. In einem bei den Akten befindlichen Schreiben vom 9. April 2024 des amtlichen Verteidigers sei nur die Rede davon gewesen, dass der Beschwerdeführer in einem separaten Strafverfahren eine Beschwerde gegen einen Entscheid vom 19. März 2024 der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes eingereicht und dort um aufschiebende Wirkung ersucht habe. Der Beschwerdeführer habe im Ausstandsverfahren aber nicht dargelegt, weshalb dieser Antrag zu nicht wiedergutzumachenden Nachteilen im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Berufungsverhandlung (im Verfahren CA.2024.13) führen würde oder inwiefern diesbezüglich Recht verletzt worden wäre. Dabei sei neben dem Beschleunigungsgebot in Strafsachen auch mitzuberücksichtigen, dass allfällige Verhandlungstermine nötigenfalls auch noch rechtzeitig verschoben oder abgesetzt werden könnten. Ein gesetzlicher Ausstandsgrund sei in diesem Zusammenhang nicht einmal ansatzweise ersichtlich. 
Der Beschwerdeführer habe als weiteren Ausstandsgrund zwar erneut vorgebracht, dass der Verfahrensleiter offenbar keine ausreichenden Deutschkenntnisse habe. Die betreffenden Vorbringen im Ausstandsgesuch vom 17. April 2024 seien jedoch weitgehend identisch mit jenen im Ausstandsgesuch vom 23. März 2023, welche bereits im rechtskräftigen Beschluss der Berufungskammer CA.2023.8 vom 14. Mai 2023 und im Urteil des Bundesgerichtes 7B_287/2023 vom 12. September 2023 verworfen worden seien. 
 
2.4.  
 
2.4.1. Der Beschwerdeführer macht zum Thema des Ausstandsverfahrens zusammengefasst Folgendes geltend. Der vom Ausstandsgesuch betroffene Leiter des Berufungsverfahrens habe in seinem Schreiben vom 15. April 2024 willkürlich entschieden und Anträgen des Beschwerdeführers in anderen Verfahren "vorgegriffen", indem er das Berufungsverfahren nicht sistiert habe. Ausserdem sei davon auszugehen, dass der Verfahrensleiter "mangels ausreichenden Deutschkenntnissen" auf Deutsch verfasste Beweismittel und Eingaben des Beschwerdeführers "bei der Entscheidfällung nicht oder unzutreffend" würdige.  
 
2.4.2. Der Beschwerdeführer legt keine besonders krassen oder ungewöhnlich häufigen Verfahrensfehler des vom Ausstandsgesuch betroffenen Bundesstrafrichters dar, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen könnten. Auch sonst substanziiert er keine gesetzlichen Ausstandsgründe im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung. Der Beschwerdeführer verkennt, dass es ihm nötigenfalls frei stünde, bei der Verfahrensleitung begründete Gesuche um Verschiebung oder Absetzung von allfälligen Terminen der Berufungsverhandlung, etwa aus gesundheitlichen Gründen, zu stellen. Soweit er einzelne Verfahrenshandlungen kritisiert, ist er nochmals daran zu erinnern, dass er seine Kritik grundsätzlich nicht mittels Ausstandsbegehren vorzutragen, sondern dafür die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel auszuschöpfen hat (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 114 Ia 153 E. 3b/bb; zit. Urteil 7B_287/2023 E. 2.3). Was die vom Beschwerdeführer abermals vorgebrachte unzutreffende Behauptung betrifft, der Verfahrensleiter des Berufungsverfahrens sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, kann auf die Erwägungen des Bundesgerichtes im Urteil 7B_287/2023 vom 12. September 2023 verwiesen werden.  
 
2.4.3. Soweit der Beschwerdeführer sich mit den oben (E. 2.3) dargelegten Erwägungen der Vorinstanz nicht nachvollziehbar auseinandersetzt, sich zu Themen äussert, die nicht Gegenstand des angefochtenen Ausstandsentscheides bilden bzw. unzulässige Noven vorträgt, ist darauf nicht einzutreten (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1, Art. 80 und Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Der Beschwerdeführer stellt sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da sich seine Beschwerde als von vornherein aussichtslos erweist, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesstrafgericht, Berufungskammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster