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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_341/2022  
 
 
Urteil vom 8. November 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
nebenamtliche Bundesrichterin Bechaalany, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 24. Juni 2022 (VSBES.2022.55). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die IV-Stelle Solothurn sprach dem 1973 geborenen A.________ mit Verfügung vom 24. Oktober 2017 eine ganze Invalidenrente ab dem 1. Februar 2015 zu (Invaliditätsgrad 76 %). Im Juni 2020 leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Dabei kam sie zum Schluss, dass A.________ im Jahr 2019 im Vergleich zum in der Verfügung vom 24. Oktober 2017 angerechneten Invalideneinkommen (Fr. 13'342.-) ein höheres Einkommen (Fr. 19'144.-) erzielt habe, was zu einem Invaliditätsgrad von 66 % führe. Mangels Meldung dieses Einkommens setzte sie - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens - mit Verfügung vom 14. März 2022 die Invalidenrente für das Jahr 2019 auf eine Dreiviertelsrente herab, während sie für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 wiederum den Anspruch auf eine ganze Rente anerkannte. Für die entsprechende Rückerstattungspflicht stellte sie den Erlass einer separaten Verfügung in Aussicht. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 24. Juni 2022 ab. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, das Urteil vom 24. Juni 2022 und die Verfügung vom 14. März 2022 seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass er auch für das Jahr 2019 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe und dass keine Meldepflichtverletzung und demnach auch keine Rückerstattungspflicht bestehe. Ferner ersucht er um unentgeltliche Prozessführung. 
Die IV-Stelle lässt sich nicht vernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer verlangt (auch) für das Jahr 2019 eine ganze Invalidenrente. Angesichts dieses rechtsgestaltenden resp. leistungsverpflichtenden Rechtsbegehrens kommt dem gleichzeitig gestellten Feststellungsantrag betreffend den Rentenanspruch und die damit zusammenhängende Meldepflichtverletzung keine eigenständige Bedeutung zu (BGE 144 V 388 E. 1.2.2 mit Hinweisen; SVR 2020 AHV Nr. 20 S. 63, 9C_590/2019 E. 1.3).  
Die Rückerstattungspflicht war nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens. Der diesbezügliche Antrag ist von vornherein unzulässig (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; BGE 125 V 413 E. 1). 
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Der Rentenanspruch ist abgestuft: Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % resp. 50 %, 60 % oder 70 % besteht Anspruch auf eine Viertelsrente resp. halbe Rente, Dreiviertelsrente oder ganze Rente (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis Ende 2021 geltenden und hier anwendbaren Fassung). Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSGebenfalls in der bis Ende 2021 geltenden und hier anwendbaren Fassung). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen (BGE 141 V 9 E. 2.3).  
Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades von erwerbstätigen Versicherten wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 Satz 1 IVG). 
 
2.2. Eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ist für die Herabsetzung oder Aufhebung der Leistung von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich längere Zeit dauern wird. Sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird (Art. 88a Abs. 1 IVV [SR 831.201]).  
 
3.  
 
3.1. Eine Veränderung des Sachverhalts im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG (in der hier anwendbaren Fassung) stand und steht einzig mit Blick auf das Invalideneinkommen des Jahres 2019 zur Diskussion.  
 
3.2. Diesbezüglich hat die Vorinstanz erwogen, bei der Rentenzusprache vom 24. Oktober 2017 habe die IV-Stelle nicht auf das tatsächliche Einkommen abgestellt, das der Versicherte im Rahmen der im September 2014 aufgenommenen (und bis Ende September 2021 ausgeübten) Erwerbstätigkeit (als Aussendienstmitarbeiter) erzielt hatte. Vielmehr habe sie das Invalideneinkommen (des Jahres 2015) gestützt auf einen Tabellenlohn der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) auf Fr. 13'342.- festgelegt. Ab 2016 habe der Versicherte einen höheren jährlichen Grundlohn von Fr. 13'140.- und jeweils eine erfolgsabhängige Provision bezogen. Sein Einkommen habe 2018 Fr. 16'315.- und 2019 Fr. 19'144.- betragen. Für das Invalideneinkommen gehe es nicht an, aufgrund der schwankenden Provisionszahlungen auf das über mehrere Jahre durchschnittlich erzielte Einkommen abzustellen. Andernfalls käme es zu einer Ungleichbehandlung von Beschäftigten mit einem hohen Provisionsanteil gegenüber Arbeitnehmern, deren Lohn sich identisch entwickle, ohne dass eine Provision ausgeschieden werde. Massgeblich sei das tatsächliche Einkommen des Jahres 2019 von Fr. 19'144.-. Das auf das gleiche Jahr angepasste Valideneinkommen betrage Fr. 56'693.-, woraus ein Invaliditätsgrad von 66 % resp. ein Anspruch auf eine Dreiviertelsrente resultiere. Mit dem höheren Einkommen des Jahres 2019 liege eine erhebliche Veränderung von mindestens drei Monaten und somit hinreichender Dauer (vgl. Art. 88a IVV) vor, die der Versicherte unter Verletzung seiner Meldepflicht der IV-Stelle verschwiegen habe. Im Jahr 2020 resultiere wieder ein Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. Folglich hat das kantonale Gericht die rückwirkende und auf zwölf Monate befristete Rentenherabsetzung bestätigt.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer stellt die höheren Provisionszahlungen im Jahr 2019 resp. die Sachverhaltsveränderung als solche nicht in Abrede. Er bestreitet aber (sinngemäss) sowohl die Erheblichkeit der Veränderung als auch deren anhaltende Dauer. Er macht im Wesentlichen geltend, die Provision im Jahr 2019 dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Angesichts der Einkommensschwankungen müsse für das Invalideneinkommen auf den Durchschnitt über mehrere Jahre abgestellt werden. Über die Jahre 2016 bis 2020 gerechnet betrage die Provision Fr. 2'846.- resp. das Jahreseinkommen Fr. 15'986.-, woraus stets ein Invaliditätsgrad von mehr als 70 % resultiere. Ausserdem moniert er eine Verletzung von Art. 88a IVV. Die Vorinstanz habe nicht berücksichtigt, dass die Veränderung in jedem Fall nur berücksichtigt werden dürfe, wenn sie voraussichtlich weiterhin andauern werde. Das treffe hier aber gerade nicht zu, wie sich aus den deutlich niedrigeren Provisionen der Jahre 2020 und 2021 ergebe.  
 
4.  
 
4.1. Die vorinstanzlichen Feststellungen bleiben unbestritten und für das Bundesgericht verbindlich (vgl. vorangehende E. 1.2). Fraglich und entscheidend ist, nach welchen Gesichtspunkten das Invalideneinkommen des Jahres 2019 für den Einkommensvergleich im Sinne von Art. 16 ATSG festzulegen ist. Das ist als Rechtsfrage (vgl. Urteile 8C_74/2022 vom 22. September 2022 E. 2.4; 9C_170/2022 vom 16. August 2022 E. 2.2; 9C_647/2020 26. August 2021 E. 2.3) frei zu prüfen.  
 
4.2. Dass in concreto das Invalideneinkommen nicht durch Heranziehen eines Tabellenlohnes, sondern auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens festgelegt wurde (vgl. zu den Voraussetzungen BGE 143 V 295 E. 2.2; 135 V 297 E. 5.2; vgl. auch Rz. 3053 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH]), gibt zu keinen Weiterungen Anlass.  
 
4.3. Für die Ermittlung des Valideneinkommens von selbst- oder unselbstständig Erwerbenden ist auf den während einer längeren Zeitspanne erzielten Durchschnittsverdienst abzustellen, wenn das zuletzt erzielte Einkommen starke und verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getretene Schwankungen aufweist. Vorbehalten bleibt lediglich, dass der zuletzt bezogene überdurchschnittlich hohe Lohn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiterhin erzielt worden wäre (Urteile 8C_329/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 4.3.2; 8C_745/2020 vom 29. März 2021 E. 6.3; 9C_225/2019 vom 11. September 2019 E. 4.2.1; vgl. auch Urteil 8C_744/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2). Konsequenterweise ist diese Rechtsprechung sinngemäss anzuwenden, wenn es darum geht, das Invalideneinkommen aufgrund eines schwankenden tatsächlichen Einkommens festzulegen (vgl. Urteile 9C_551/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 4.3.3.2; 9C_479/2015 vom 22. Dezember 2015 E. 4.1).  
 
Der Vorinstanz ist zwar insoweit beizupflichten, als es keine Rolle spielen darf, ob neben dem Grundlohn schwankende Provisionen bezahlt werden oder ob sich ein Lohn identisch entwickelt, ohne dass eine Provision ausgeschieden wird. Abgesehen davon, dass regelmässige Provisionen - wie Bonuszahlungen (vgl. Urteil 8C_116/2008 vom 27. November 2008 E. 3.4-3.5) oder beitragspflichtige Trinkgelder (vgl. Urteil 8C_514/2012 11. Dezember 2012 E. 4.2) - zum Valideneinkommen gehören, steht denn auch ausser Frage, dass die Provisionen in concreto bei der Bemessung des Invalideneinkommens zu berücksichtigen sind. Ausschlaggebend bleibt dennoch, ob das tatsächliche Einkommen starke und verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getretene Schwankungen aufweist und deshalb auf den Durchschnittswert einer längeren Zeitspanne abzustellen ist. Diesbezüglich erlaubt die Aktenlage eine Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen durch das Bundesgericht (vgl. vorangehende E. 1.2). 
 
4.4. Im Arbeitsvertrag vom 5. September 2014 wurde neben einem fixen Grundsalär eine Provision auf den Umsätzen vereinbart, die von jenen Kunden generiert werden, die der Beschwerdeführer als Aussendienstmitarbeiter neu betreut. Den von der Arbeitgeberin eingereichten Lohnblättern der Jahre 2017 bis 2020 lässt sich entnehmen, dass die Provisionen monatlich und in jeweils unterschiedlicher Höhe ausbezahlt wurden. Im Jahr 2019 betrug die grösste Provision Fr. 1631.80 (September) und die kleinste Fr. 48.60 (Dezember). Ausserordentlich hohe Provisionen über Fr. 500.- fielen nur im April, Juni und September 2019, mithin nicht in aufeinanderfolgenden Monaten an (vgl. Art. 88a Abs. 1 IVV). Der Auszug aus dem individuellen Konto des Beschwerdeführers vom 25. Mai 2021 weist folgende Jahreseinkommen aus: Fr. 10'998.- (2015); Fr. 14'347.- (2016); Fr. 14'178.- (2017); Fr. 16'315.- (2018); Fr. 19'144.- (2019); Fr. 15'088.- (2020). Angesichts dieser Gegebenheiten und des ausgeübten Pensums von 25 % sind die Schwankungen sowohl stark als auch verhältnismässig kurzfristig in Erscheinung getreten. Dementsprechend ist für das Invalideneinkommen der durchschnittliche Lohn einer längeren Zeitspanne massgeblich.  
 
4.5. Der Durchschnittsverdienst nur aus den drei einkommensstärksten Jahren (2018, 2019 und 2020) beträgt Fr. 16'849.-. Unter Berücksichtigung dieses Betrags als Invalideneinkommen resultiert beim (unbestritten gebliebenen) Valideneinkommen von Fr. 56'693.- ein Invaliditätsgrad von (abgerundet) 70 %. Damit bleibt die höhere Provisionszahlung im Jahr 2019 ohne Auswirkung auf den Rentenanspruch. Die Beschwerde ist begründet.  
 
Ausführungen zur Bedeutung des Begriffs des voraussichtlich weiterhin Andauerns gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV sowie zur Meldepflichtverletzung und der entsprechenden Sanktionierungsmöglichkeit (Art. 88bis Abs. 2 lit. b IVV) erübrigen sich. Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der diesem zugrunde liegenden Verfügung vom 14. März 2022, soweit sie den Rentenanspruch für das Jahr 2019 betrifft, hat es sein Bewenden. 
 
5.  
Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der obsiegende, aber nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 1 des Reglements vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht [SR 173.110.210.3]; Urteil 9C_131/2021 vom 24. November 2021 E. 7). 
 
Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten (samt allfälliger Parteientschädigung) des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 24. Juni 2022 und die Verfügung der IV-Stelle Solothurn vom 14. März 2022, soweit sie den Rentenanspruch für das Jahr 2019 betrifft, werden aufgehoben. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. November 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann