Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_507/2023
Urteil vom 8. November 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Müller,
Gerichtsschreiberin Hänni.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Attilio R. Gadola,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. B.________,
2. C.________ AG,
3. D.E.________ und F.E.________,
4. Verein G.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Stadelmann,
Beschwerdegegner,
Gemeinderat Stansstad,
Postfach 463, 6362 Stansstad,
Regierungsrat des Kantons Nidwalden, vertreten durch den Rechtsdienst, Dorfplatz 2, 6370 Stans,
Baudirektion des Kantons Nidwalden,
Gegenstand
Baubewilligung (Auflagen),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 15. Mai 2023 (VA 23 5).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ AG betreibt in der Harissenbucht in Stansstad ein Restaurant. Im April 2017 ersuchte sie um die Bewilligung für den Anbau eines Vordachs über eine bestehende Seeterrasse auf dem Grundstück Nr. 43 in Stansstad. Dagegen haben B.________, die C.________ AG, F.E.________ und D.E.________ sowie der Verein G.________ Einsprache erhoben. Die in der Folge erteilte Baubewilligung wurde von den erwähnten Personen auf dem Beschwerdeweg bis ans Bundesgericht angefochten. Dieses hat das Rechtsmittel mit Urteil vom 13. Oktober 2020 gutgeheissen, weil Fragen betreffend den Lärmschutz offengeblieben waren (Urteil 1C_13/2020 vom 13. Oktober 2020).
B.
Im Nachgang zu diesem Urteil gab der Gemeinderat Stansstad bei der SINUS AG ein Lärmgutachten in Auftrag. Am 7. November 2022 bewilligte er den Anbau des Vordachs unter Bedingungen und Auflagen. Er ordnete namentlich verschiedene Lärm- und Schallschutzmassnahmen an. Die Baubewilligung wurde vom Regierungsrat des Kantons Nidwalden zusammen mit dem kantonalen Gesamtbewilligungsentscheid vom 6. Dezember 2022 eröffnet. Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden hat am 15. Mai 2023 eine von der A.________ AG dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen.
C.
Die A.________ AG hat am 20. September 2023 gegen dieses Urteil Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragt im Wesentlichen die Aufhebung der verfügten lärmschutzrechtlichen Einschränkungen.
Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat und die Gemeinde Stansstad haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. B.________, die C.________ AG, F.E.________ und D.________ sowie der Verein G.________ (nachfolgend: Beschwerdegegnerschaft) beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2023 hat der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Das vom Bundesgericht zur Stellungnahme eingeladene Bundesamt für Umwelt (BAFU) erachtet das angefochtene Urteil aus umweltrechtlicher Sicht als bundesrechtskonform. Die Parteien haben weitere Stellungnahmen eingereicht.
Erwägungen:
1.
1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid im Bereich des Bau- und Umweltrechts, gegen den grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen steht (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG ). Ein Ausnahmegrund im Sinne von Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Betreiberin des lärmverursachenden Restaurants zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist somit grundsätzlich einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit es um die Anwendung kantonalen Rechts geht, kann vorbehältlich Art. 95 lit. c-e BGG im Wesentlichen vorgebracht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Bundesrecht, namentlich das Willkürverbot nach Art. 9 BV (BGE 141 I 36 E. 1.3; 138 I 143 E. 2). Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht; Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 137 I 58 E. 4.1.2) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht prüft die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts nur, soweit sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet worden ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2 mit Hinweisen).
2.
Die Beschwerdeführerin stört sich an den zahlreichen Auflagen zum Lärm- und Schallschutz, welche ihr die Gemeinde auferlegt hat. In diesem Zusammenhang macht sie eine "willkürliche und völlig fehlerhafte Feststellung des Sachverhalts im Gutachten der SINUS AG" geltend.
2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst beiläufig die Charakterisierung des Betriebs als neue ortsfeste Anlage im Sinne von Art. 25 Abs. 1 USG und Art. 7 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41).
Das Bundesgericht hat im ersten Rechtsgang nicht abschliessend entschieden, ob es sich beim Betrieb der Beschwerdeführerin lärmschutzrechtlich um eine neue ortsfeste Anlage handelt. Es hat allerdings befunden, es spreche vieles für eine derartige Qualifikation und hat die Streitsache zur Prüfung dieser Frage an den Gemeinderat Stansstad zurückgewiesen (Urteil 1C_13/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 5.3). Im angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht diese Frage nun geprüft und ist mit eingehender Begründung zum Schluss gelangt, die ursprünglich bewilligte Anlage sei derart verändert worden, dass lärmschutzrechtlich von einer Neuanlage auszugehen sei. Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Einschätzung zwar "vorsorglich". Sie macht diesbezüglich aber weder eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung geltend, noch begründet sie, weshalb die rechtliche Qualifikation unzutreffend sein soll. Dies ist angesichts der schlüssigen vorinstanzlichen Erwägungen auch nicht zu sehen. Es ist daher nachfolgend vom Vorliegen einer neuen ortsfesten Anlage im Sinne von Art. 25 Abs. 1 USG und Art. 7 Abs. 1 LSV auszugehen, weshalb der Betrieb der Beschwerdeführerin die Planungswerte nicht überschreiten darf (Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV).
2.2. Für die Lärmmessung hat die Gutachterin SINUS AG wegen ihrer Nähe zu den Lärmquellen die Liegenschaften Harissen 1, 3 und 5 bestimmt. Dabei handle es sich um Wohnungen, die sich im selben Gebäude befänden wie das Restaurant selbst. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Messpunkte seien falsch festgelegt worden. Es werde zu Unrecht von einer legalen, bewilligten Wohnnutzung ausgegangen. Die betreffenden Wohnungen würden vielmehr ohne baupolizeiliche Bewilligung und in Missachtung des geltenden Gestaltungsplans als reine Wohneinheiten genutzt.
2.3. Beim Bericht "Gemeinde Stansstad, Restaurant H.________ in der Harissenbucht, Lärmermittlung" der SINUS AG vom 23. November 2021 handelt es sich um ein behördlich eingeholtes, von zwei Akustikern erstelltes Sachverständigengutachten. Von derartigen Fachexpertisen dürfen die Gerichte in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe abweichen (BGE 150 II 133 E. 4.1.3; 145 II 70 E. 5.5; 132 II 257 E. 4.4.1). Das angerufene Gericht hat zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens aufdrängen. Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit einer Expertise in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben (BGE 145 II 70 E. 5.5; 136 II 539 E. 3.2 mit Hinweisen).
2.4. Die Vorinstanz hat das Gutachten der SINUS AG offensichtlich als schlüssig und als taugliche Grundlage für ihren Entscheid angesehen. Das fachkundige BAFU hat die Lärmermittlung und -beurteilung im Gutachten ebenfalls als korrekt erachtet. Die Einwände der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtens zu erwecken:
Soweit sie geltend macht, die Wohneinheiten Harissen 1 - 5, die als massgebliche Immissionspunkte gewählt wurden, würden illegal genutzt, belegt sie dies nicht. Offenbar ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, diese Liegenschaften dürften bloss als "Hotelappartments" oder als "Ferienwohnungen" genutzt werden. Eine solche Feststellung lässt sich dem angefochtenen Entscheid indes nicht entnehmen. Ausserdem ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine solche Qualifikation etwas an der lärmschutzrechtlichen Beurteilung ändern würde; die Beschwerdeführerin begründet dies nicht. Falls sie der Auffassung sein sollte, bei den betreffenden Wohnungen handle es sich nicht um Gebäude mit lärmempfindlichen Räumen im Sinne von Art. 2 Abs. 6 LSV, könnte ihr jedenfalls nicht gefolgt werden. Unter den Begriff fallen - abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - sowohl Räume in Wohnungen wie auch solche in Betrieben, in denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten. Dies trifft für "Hotelappartments" bzw. "Ferienwohnungen" offensichtlich zu. Gerade dort besteht unter objektiven Gesichtspunkten ein gewisses Ruhebedürfnis (vgl. BGE 122 II 33 E. 6a; ROBERT WOLF, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 2004, N. 12 zu Art. 22 USG). Die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Lärmermittlung im Gutachten erweisen sich damit als unbegründet.
2.5. Weiter beanstandet die Beschwerdeführerin, die Experten hätten sich nicht mit ihren Vorschlägen in Bezug auf die Ausgestaltung des geplanten Vordachs bzw. mit dessen lärmmässigen Auswirkungen auseinandergesetzt. Sie habe immer wieder geltend gemacht, das Vordach werde aufgrund seiner Konstruktion zu einer erheblichen Reduktion des Lärms führen.
Hierzu führt die Vorinstanz aus, die Gemeinde habe der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, sich zum Gutachten zu äussern und Ergänzungsfragen zu stellen. Von dieser Möglichkeit habe sie Gebrauch gemacht, gewisse bauliche Massnahmen zur Diskussion gestellt und Fragen zu deren Wirksamkeit gestellt. Die Experten hätten diese Fragen beantwortet, soweit dies möglich gewesen sei, obwohl eine konkrete Alternativplanung gefehlt habe. Die Beschwerdeführerin habe sich dann auch zu diesen Antworten äussern können. Letztlich habe die Gemeinde aber das konkrete Baugesuch beurteilen müssen. Liege kein bewilligungsfähiges Gesuch vor, sei der Bauabschlag zu erteilen, während untergeordnete Mängel durch Nebenbestimmungen behoben werden könnten.
Diese Erwägungen lassen keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Wie erwähnt ist die Gemeinde als Baubewilligungsbehörde gestützt auf das schlüssige Gutachten zum Ergebnis gelangt, die anwendbaren Planungswerte der ES II würden überschritten, weshalb Lärmemissionen nach Massgabe von Art. 7 Abs. 1 LSV zu begrenzen seien. Dementsprechend hat sie aus Gründen der Verhältnismässigkeit die nachgesuchte Bewilligung für den Anbau des Vordachs zwar erteilt, zugleich aber verschiedene Lärmschutzmassnahmen angeordnet. Alternative Projektvarianten lagen ausserhalb des Streitgegenstands und waren von der Baubewilligungsbehörde nicht zu beurteilen, zumal die Beschwerdeführerin darauf verzichtet hat, ihr Bauvorhaben aufgrund der Ergebnisse des Lärmgutachtens zu modifizieren. Die Beschwerdeführerin bezeichnet die Auflagen, die angeordnet wurden, zwar beiläufig als "absolut unverhältnismässig", begründet dies aber im Einzelnen nicht, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden muss.
3.
Die Beschwerdeführerin beruft sich sodann auf den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz. Wie auch die Vorinstanz in ihrem Urteil vom Mai 2019 anerkannt habe, verfüge sie über alle notwendigen Bewilligungen, und es seien nie lärmrechtliche Auflagen angeordnet worden. Die Nutzung der Seeterrasse in den umsatzstarken Sommermonaten sei für sie essentiell, und sie habe hierfür viel Geld investiert.
Die Berufung der Beschwerdeführerin auf den Vertrauensschutz nach Art. 9 BV scheitert bereits an der fehlenden Vertrauensgrundlage. Dass der Gestaltungsplan aus dem Jahr 1984 angesichts der seitherigen Erweiterungen der Anlage keine solche darstellen kann, versteht sich von selbst. Das Urteil der Vorinstanz vom Mai 2019, das die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erwähnt, stellt ebenso wenig eine Vertrauensgrundlage dar, weil es vom Bundesgericht aufgehoben wurde. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin gestützt auf konkrete behördliche Erklärungen bestimmte Investitionen getätigt hätte, die sonst unterblieben wären. Was sie unter dem Titel des Vertrauensschutzes vorbringt, sind im Kern Einwände gegen die von der Gemeinde angeordneten betrieblichen Einschränkungen, die sie als unverhältnismässig erachtet. Zu diesem Aspekt des Rechtsstreits hat sich die Vorinstanz in E. 4 ihres Entscheids eingehend geäussert. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit diesen Argumenten nicht auseinander, weshalb es sich erübrigt, vertieft darauf einzugehen.
4.
Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin, dass ihr die Kosten des Lärmgutachtens auferlegt worden sind. Dem Einwand kann nur schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich das Gutachten entgegen ihrer Auffassung nicht als "falsch und rechtswidrig" erwiesen hat, sondern als relevante Grundlage für die Beurteilung ihres Baugesuchs. Die Beschwerdeführerin nennt darüber hinaus keine Rechtsnorm, gegen die der angefochtene Entscheid verstossen soll.
5.
Demzufolge ist die Beschwerde abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der obsiegenden Beschwerdegegnerschaft eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerschaft für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Stansstad, dem Regierungsrat des Kantons Nidwalden, der Baudirektion des Kantons Nidwalden, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. November 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Die Gerichtsschreiberin: Hänni