Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_622/2022
Urteil vom 8. November 2024
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Haag, Müller, Merz,
Gerichtsschreiber Gelzer.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Holenstein,
Stadtrat Uster,
Bahnhofstrasse 17, Postfach, 8610 Uster,
SBB AG Immobilien,
Grundstücksmanagement, Sven Zollinger, Vulkanplatz 11, 8048 Zürich.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer,
vom 6. Oktober 2022 (VB.2021.00841).
Sachverhalt:
A.
B.________ ist Eigentümer der Parzelle Kat.-Nr. A2678 in Uster-Oberuster (nachstehend: Bauparzelle), die gemäss der Bau- und Zonenordnung der Stadt Uster vom 1. April 1999 (BZO) der Zone W3/70 zugeordnet ist. Sie ist im südöstlichen Bereich mit einem unter Denkmalschutz stehenden Wohnhaus (Vers.-Nr. 269) und im nördlichen Bereich mit einem Nebengebäude (Vers.-Nr. 6643) überbaut. Zudem weist sie eine als Natur- und Heimatschutzobjekt Nr. 689 verzeichnete Hainbuche und zwei Linden auf, die im Zonenplan als Schutzobjekt im Sinne von Art. 52 BZO bezeichnet sind. Die Bauparzelle grenzt östlich an die Wermatswilerstrasse und südlich an die Bahnstrasse, entlang welcher eine einspurige Bahnlinie der SBB verläuft. Die nordöstlich der Bauparzelle gelegene Parzelle Kat.-Nr. A4586 steht im Miteigentum von A.________ (nachstehend: Nachbarin).
B.
Mit Beschluss vom 18. September 2018 erteilte der Stadtrat Uster B.________ (nachstehend: Bauherr) die baurechtliche Bewilligung für den Abbruch des Nebengebäudes Vers.-Nr. 6643 und den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit Unterniveaugarage sowie die Umnutzung des zweiten Dachgeschosses des Gebäudes Vers.-Nr. 269 auf der Bauparzelle. Gemäss den bewilligten Bauplänen wird die geplante Unterniveaugarage von der Bahnstrasse her über einen Autolift erschlossen. Ziff. 3 des Dispositivs der Baubewilligung nennt namentlich folgende vor Baubeginn zu erfüllende Auflagen:
"3.8. Der Stadt Uster, Hochbau und Vermessung, ist das Konzept der notwendigen Bauinstallation für den Rohbau zur Genehmigung einzureichen. Dieses beinhaltet die Situierung des WC- und Mannschaftscontainers, des Absetzbeckens, der Neutralisationsanlage, des Waschplatzes, des Lager- und Umschlagplatzes, des Kranstandorts. Ferner sind Angaben über die Art der Wasserhaltung, den Anschlusspunkt an die Schmutzwasserkanalisation, die zu beseitigende Wassermenge, die Baustellenzu- und -wegfahrt, das Verkehrsregime, die Warteräume der LKW, die Absperrung der Baustelle sowie die Handwerkerparkplätze zu machen (Phase Rohbau).
(...)
3.14 Die detaillierte Materialwahl und Farbgebung, unter Berücksichtigung der gestalterischen Absetzung des dritten Vollgeschosses, sind mit der Stadt Uster, Hochbau und Vermessung (...), abzusprechen und von dieser genehmigen zu lassen.
(...)
3.17 Der Stadt Uster, Stadtraum und Natur (...), sind die vorgesehenen Schutzmassnahmen zum Baumschutz aufzuzeigen und die mit der Überwachung beauftragte Person mitzuteilen.
In den Erwägungen der Baubewilligung wird zum Baumschutz auf Seite 7 ausgeführt:
"Die inventarisierten teilweise nach Art. 51 BZO mit einem Baumschutz belegten Bäume sind während der Bauarbeiten umfassend zu schützen. Der Schutz muss im Wurzelbereich (mindestens Kronenbereich) während der Bauzeit folgende Massnahmen beinhalten:
- Keine Materialdepots und Zwischenlager;
- Kein Bodenabtrag;
- Keine Bodenverdichtung;
- Wurzelschutz bei Grabarbeiten (Anbringung von Spundwänden).
Vor Baubeginn sind die Bäume im gesamten Wurzelbereich zu umzäunen. Mit der Überwachung der Schutzmassnahmen sind vor Baubeginn, im Einvernehmen mit der Stadt Uster, Stadtraum und Natur (...), eine hierfür ausgewiesene Person zu beauftragen."
Gegen die Baubewilligung vom 18. September 2018 und die gleichzeitig eröffnete Gesamtverfügung der Baudirektion des Kantons Zürich vom 15. August 2018 betreffend Einbauten in den Grundwasserträger erhoben die Nachbarin sowie eine Stiftung für Orts- und Landschaftspflege (nachstehend: Stiftung) Rekurs, den das Baurekursgericht des Kantons Zürich nach der Durchführung eines Augenscheins mit Entscheid vom 17. November 2021 abwies, soweit es darauf eintrat.
Die Nachbarin und die Stiftung fochten diesen Entscheid mit Beschwerde an, die das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 6. Oktober 2022 abwies, soweit es darauf eintrat.
C.
Die Nachbarin erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2022 und den damit bestätigten Stadtratsbeschluss vom 18. September 2018 aufzuheben.
Mit Präsidialverfügung vom 3. Januar 2023 wies das Bundesgericht die von der Beschwerdeführerin gestellten Gesuche, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss eines zu erwartenden Plangenehmigungsverfahrens für die SBB-Doppelspur Uster-Aathal zu sistieren, ab.
Die SBB verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Das Verwaltungsgericht und die Stadt Uster beantragen, diese abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Bauherr schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (BGE 148 IV 155 E. 1.1 mit Hinweisen).
1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Erteilung einer Baubewilligung. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (BGE 138 II 331 E. 1.1; Urteil 1C_416/2019 vom 2. Februar 2021 E. 1.1). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Nachbarin vom Bauvorhaben besonders betroffen und damit zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
1.3. Das Bundesgerichtsgesetz (BGG; SR 173.110) unterscheidet zwischen End-, Teil- sowie Vor- bzw. Zwischenentscheiden (Art. 90 ff. BGG). Bezüglich dieser Qualifikationen ist der materielle Inhalt des angefochtenen Urteils und nicht dessen formelle Bezeichnung massgebend (BGE 136 V 131 E. 1.1.2; 149 II 170 E. 1.8; je mit Hinweisen).
1.4. Ein Endentscheid schliesst das Verfahren in der Hauptsache aus prozessualen oder materiellen Gründen ab (Art. 90 BGG; BGE 146 I 36 E. 2.2). Ein Teilentscheid schliesst das Verfahren nicht vollständig, jedoch in Bezug auf einen Teil der gestellten Begehren, die unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a BGG) oder für einen Teil der Streitgenossen ab (Art. 91 lit. b BGG; BGE 141 III 395 E. 2.2; 142 III 653 E. 1.1; je mit Hinweisen). Ein Teilentscheid bzw. eine Teilbaubewilligung kann vorliegen, wenn mit der Errichtung einer bewilligten Baute begonnen werden darf, bevor gewisse selbstständig beurteilbare Teilaspekte - wie z.B. die Farb- und Materialwahl - nachträglich bewilligt werden (Urteil 1C_644/2020 vom 8. September 2021 E. 1.3 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 149 II 170 E. 1.7). Verlangt die Baubewilligung dagegen, dass Teilaspekte der Baute noch vor dem Baubeginn zu genehmigen sind, wird die Wirksamkeit der Bewilligung bis zur entsprechenden Genehmigung gehemmt. Diesfalls liegt keine rechtswirksame Teilbaubewilligung, sondern eine durch die Genehmigung suspensiv bedingt erteilte Baubewilligung vor. Nach der Rechtsprechung führt eine solche Bedingung dazu, dass das Baubewilligungsverfahren als noch nicht abgeschlossen gilt, sofern der Baubehörde bei der Beurteilung der Erfüllung der Bedingung noch ein Entscheidungsspielraum offensteht (BGE 149 II 170 E. 1.6 und 1.9; Urteil 1C_102/2023 vom 5. März 2024 E. 1.3; je mit Hinweisen).
1.5. Gemäss Ziff. 3.8 des Dispositivs der streitbetroffenen Baubewilligung hat die Stadt Uster das Konzept der notwendigen Bauinstallation für den Rohbau zu genehmigen.
1.6. Das Baurekursgericht führte in seinem Entscheid vom 17. November 2021 (E. 3 S. 8) zusammengefasst aus, bei der vor Baubeginn zu erteilenden Bewilligung der Bauinstallation gemäss Ziff. 3.8 des Dispositivs der angefochtenen Baubewilligung sei dem Baumschutz betreffend die im Schutzvertrag vom 7. April 2020 als zur Erhaltung bestimmten Bäume (Winterlinde an der Wermatswilerstrasse, Hainbuche im nordseitigen Grundstücksteil) angemessen Rechnung zu tragen. Die Rüge der Beschwerdeführerin, Ziff. 3.8 des Dispositivs der angefochtenen Baubewilligung sei mit dem Schutz des Baumbestands nicht vereinbar, sei daher verfrüht erhoben worden, weshalb darauf nicht einzutreten sei.
1.7. Die Vorinstanz erwog, entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin sei damit, dass das Baurekursgericht die Rüge hinsichtlich der Genehmigung des Installationsplans als verfrüht erachtete, keine Verletzung des rechtlichen Gehörs verbunden, zumal diese (noch ausstehende) Genehmigung anfechtbar sei und nicht feststehe, dass die notwendigen Bauinstallationen mit dem Baumschutz im Sinne von Ziff. 3.17 dieses Dispositivs in Verbindung mit den Erwägungen auf Seite 7 der Baubewilligung unvereinbar seien.
1.8. Das vorinstanzliche Urteil stellt einen Zwischenentscheid dar, wenn der Stadt Uster bei der vor Baubeginn zu erteilenden Genehmigung der Bauinstallation gemäss Ziff. 3.8 des Dispositivs der Baubewilligung ein Ermessensspielraum zusteht. Dies trifft zu. Zwar wird der bei der Bauinstallation zu wahrende Baumschutz in den Erwägungen der Baubewilligung (S. 7) näher umschrieben, doch werden dabei die Begriffe der Wurzel- und Kronenbereiche verwendet, die bezüglich der einzelnen Bäume zu konkretisieren sind (vgl. Sachverhalt lit. B). In den bewilligten Bauplänen wird angegeben, der Durchmesser der Baumkrone der geschützten Hainbuche betrage ca. 12 m. In Bezug auf die anderen geschützten Bäume fehlen entsprechende Angaben. Solche finden sich auch in der Regelung des Baumschutzes (S. 3) im verwaltungsrechtlichen Vertrag zwischen dem Bauherrn und der Stadt Uster vom 7. April 2020 bzw. im entsprechenden Anhang I nicht. Demnach steht der Stadt Uster bei der Genehmigung der Pläne der Bauinstallation namentlich bezüglich der Definition der Bereiche, in denen solche Installationen aus Baumschutzgründen unzulässig sind, ein erheblicher Ermessensspielraum zu.
1.9. Demnach ist das angefochtene Urteil aufgrund der noch ausstehenden vorgenannten Genehmigungen als Zwischenentscheid zu qualifizieren. Da dieser weder die Zuständigkeit noch den Ausstand im Sinne von Art. 92 BGG betrifft, ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur direkt anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Diese Voraussetzungen sollen zur Entlastung des Bundesgerichts dazu führen, dass es sich möglichst nur einmal mit einer Sache zu befassen hat (BGE 141 III 80 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2 S. 801; je mit Hinweisen). Es obliegt der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass diese Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit eines Zwischenentscheids erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ist (BGE 149 II 170 E. 1.3 mit Hinweis).
1.10. Gemäss der Rechtsprechung muss der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG grundsätzlich ein Nachteil rechtlicher Natur sein, der auch durch einen späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigt werden kann. Rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung reichen grundsätzlich nicht aus (BGE 149 II 170 E. 1.3 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern der angefochtene Zwischenentscheid für sie zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen könnte. Dies ist auch nicht ersichtlich, weil mit dem Bau der streitbetroffenen Bauten erst nach der vorgenannten Genehmigung begonnen werden darf und diese der Beschwerdeführerin eröffnet werden muss, damit sie sich dagegen wirksam zur Wehr setzen kann (Urteil 1C_102/2023 vom 5. März 2024 E. 1.4). Sollte sie gegen diese Genehmigung, die nach dem Grundsatz der Einheit des Bauentscheids zusammen mit den übrigen vor Baubeginn erforderlichen Genehmigungen eröffnet werden sollte, keine Einwände haben, könnte sie zudem direkt im Anschluss daran beim Bundesgericht gegen den vorinstanzlichen Zwischenentscheid Beschwerde erheben (Urteile 1C_644/2020 vom 8. September 2021 E. 1.6.1; 1C_102/2023 vom 5. März 2024 E. 1.5; je mit Hinweisen).
1.11. Auch die Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sind nicht gegeben. Zwar würde die Gutheissung der Beschwerde zur Aufhebung der Baubewilligung und damit zu einem Endentscheid führen. Jedoch macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, dass damit ein bedeutender Zeit- oder Kostenaufwand für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart würde. Dies ist auch nicht ersichtlich, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein solches Verfahren für die noch ausstehende Genehmigung erforderlich sein könnte, zumal der betreffende Aufwand deutlich überdurchschnittlich sein müsste (Urteil 1C_655/2020 vom 3. November 2021 E. 2.3 mit Hinweis).
2.
Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen der selbstständigen Anfechtbarkeit des vorinstanzlichen Zwischenentscheids nicht erfüllt, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin nach dem Unterliegerprinzip grundsätzlich kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ). Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Abweichung von diesem Prinzip gerechtfertigt, weil die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin sich aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung zur Erhebung der Beschwerde veranlasst sehen durfte. Der anwaltlich vertretene Beschwerdegegner beantragte in seiner Beschwerdeantwort, die Beschwerde abzuweisen, was voraussetzt, dass darauf eingetreten wird. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, auf eine Gerichtsgebühr zu verzichten und die Parteikosten wettzuschlagen (vgl. Urteil 1C_644/2020 vom 8. September 2021 E. 2 mit Hinweisen).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Uster, der SBB AG Immobilien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. November 2024
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Gelzer