Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
{T 7} 
C 294/96 Vr 
 
II. Kammer  
 
Präsidentin Widmer, Bundesrichter Lustenberger und Bundes- 
richterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Annaheim 
 
 
Urteil vom 9. Januar 1997  
 
in Sachen 
 
H.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch 
Rechtsanwalt K.________, 
gegen 
 
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 
St. Gallen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
    A.- Mit Verfügung vom 25. April 1995 wies die Kanto- 
nale Arbeitslosenkasse St. Gallen das Begehren der 
H.________ AG um Zusprechung von Kurzarbeitsentschädigung 
für den Monat Januar 1994 ab, da der Anspruch verspätet 
geltend gemacht worden sei. 
 
    B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Ver- 
sicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab (Dispositiv- 
Ziffer 1). Gleichzeitig wurde das Fristwiederherstellungs- 
gesuch abgewiesen (Dispositiv-Ziffer 2) (Entscheid vom 
13. August 1996). 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die 
H.________ AG beantragen, es sei ihr für die Abrechnungs- 
periode Januar 1994 Kurzarbeitsentschädigung in der Höhe 
von Fr. 30 381.60 auszurichten, nebst Zins von 5 % seit dem 
24. Februar 1995. 
    Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, 
Gewerbe und Arbeit verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder 
Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprü- 
fungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich 
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, 
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der 
angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die 
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachver- 
halts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu 
deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
 
    2.- Gemäss Art. 38 Abs. 1 AVIG macht der Arbeitgeber 
den Anspruch seiner Arbeitnehmer auf Kurzarbeitsentschädi- 
gung innert dreier Monate nach Ablauf jeder Abrechnungs- 
periode gesamthaft für den Betrieb bei der von ihm bezeich- 
neten Kasse geltend. Als Abrechnungsperiode gilt ein Zeit- 
raum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden Wochen 
(Art. 32 Abs. 5 AVIG). Die Frist für die Geltendmachung des 
Entschädigungsanspruches beginnt mit dem ersten Tag nach 
der Abrechnungsperiode (Art. 61 AVIV). Entschädigungen, die 
der Arbeitgeber nicht fristgemäss geltend macht, werden ihm 
nicht vergütet (Art. 39 Abs. 3 AVIG). 
    Bei der in Art. 38 Abs. 1 AVIG vorgesehenen Frist han- 
delt es sich um eine Verwirkungsfrist, deren Nichtwahrung 
das Erlöschen des Anspruchs zur Folge hat. Sie ist weder 
einer Erstreckung noch einer Unterbrechung, in sinngemässer 
Anwendung von Art. 35 OG und Art. 24 VwVG aber einer Wie- 
derherstellung (zu den Wiederherstellungsgründen vgl. BGE 
112 V 255 Erw. 2a, 119 II 87 Erw. 2a, 114 Ib 68 Erw. 2, 110 
Ib 94 Erw. 2, 107 Ia 169 Erw. 2a) zugänglich (BGE 114 V 123 
f. Erw. 3a und b; ARV 1993 Nr. 4 S. 30 f., je mit Hinwei- 
sen). 
 
    3.- a) Streitig und zu prüfen ist, ob die Geltendma- 
chung der Kurzarbeitsentschädigung für die Abrechnungspe- 
riode Januar 1994 rechtzeitig erfolgte. Das kantonale Ver- 
sicherungsgericht vertritt die Auffassung, dass für die 
diesbezügliche Feststellung gemäss BGE 119 V 9 Erw. 3c 
nicht der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, 
sondern der volle Beweis gelte. Diese Schlussfolgerung kann 
aus dem erwähnten Entscheid nicht gezogen werden. Vielmehr 
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht dort den Wir- 
kungsbereich des erforderlichen vollen Beweises auf Tatsa- 
chen beschränkt, welche für die Rechtzeitigkeit im Prozess 
ausschlaggebend sind. Ein Prozessrechtsverhältnis aber wird 
erst mit der Einreichung einer Beschwerde begründet (BGE 
121 V 5 Erw. 3b). Somit gilt für Tatsachen, welche für die 
Zustellung der Unterlagen zur Geltendmachung der Kurz- 
arbeitsentschädigung erheblich sind, der Beweisgrad der 
überwiegenden Wahrscheinlichkeit. 
 
    b) Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe das 
vollständig ausgefüllte Formular "Antrag auf Kurzarbeits- 
entschädigung" am 8. Februar 1994 eingereicht. Das Formu- 
lar, dem eine Liste aller relevanten Daten beigelegen habe, 
sei in einen an die Arbeitslosenkasse adressierten Umschlag 
gesteckt, der internen Postabteilung übergeben und noch 
gleichentags zur Post gebracht worden. Auch sei der Ent- 
schädigungsanspruch kurze Zeit nach dem Versand der Unter- 
lagen buchhalterisch erfasst worden. Aus diesen von der Be- 
schwerdeführerin angeführten Sachumständen ergibt sich 
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Antrag 
tatsächlich am 8. Februar 1994 bzw. innerhalb der gesetzli- 
chen Dreimonatsfrist zuhanden der Arbeitslosenkasse der 
Post übergeben worden ist. Denn selbst wenn als erstellt 
gelten könnte, dass die fraglichen Unterlagen rechtzeitig 
der firmeninternen Postabteilung übergeben wurden - was 
dahingestellt bleiben mag -, sind administrative Fehllei- 
stungen bzw. der Verlust der Sendung auf dem Weg zur Post 
keineswegs ausgeschlossen. Soweit die Beschwerdeführerin 
geltend macht, ihre Sachbearbeiterin sei gleich vorgegangen 
wie anlässlich der Abrechnung über Kurzarbeit im Dezember 
1993, kann daraus nicht gefolgert werden, dass im konkreten 
zur Beurteilung stehenden Fall keine Unregelmässigkeiten 
auftraten. Denn sowenig der normale Arbeitsablauf in der 
Verwaltung geeignet ist, die Zustellung einer Verfügung zu 
belegen (BGE 103 V 66 Erw. 2b, vgl. auch ZAK 1992 S. 370 
Erw. 3), sowenig vermag ein Arbeitgeber die rechtzeitige 
Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs allein mit dem 
sonst im Betrieb die Regel bildenden Vorgehen rechtsgenüg- 
lich nachzuweisen. 
    Somit durfte die Vorinstanz im Ergebnis ohne Verlet- 
zung von Bundesrecht davon ausgehen, die Kurzarbeitsent- 
schädigung für die Abrechnungsperiode Januar 1994 sei nicht 
fristgerecht geltend gemacht worden. Daran ändert nichts, 
dass die Beschwerdeführerin von der Verwaltung zwar unbe- 
strittenermassen auf die gesetzliche Dreimonatsfrist, nicht 
aber auf deren Charakter als Verwirkungsfrist hingewiesen 
worden war. Im weiteren lassen die Wertungsgesichtspunkte, 
welche der Bestimmung von Art. 38 Abs. 1 AVIG zugrunde lie- 
gen, das Beharren auf der Einhaltung der Dreimonatsfrist 
nicht als überspitzt formalistisch erscheinen. Die strikte 
Fristenregelung wird im Grundsatz durch die Zulassung von 
Wiederherstellungsgründen gemildert (BGE 114 V 123). Wenn 
die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang behauptet, 
die Sendung sei auf dem Weg zur Arbeitslosenkasse verloren 
gegangen, kann darin jedoch kein unverschuldetes, zur Wie- 
derherstellung führendes Hindernis erblickt werden. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- 
    gericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Industrie, 
    Gewerbe und Arbeit, St. Gallen, und dem Bundesamt für 
    Industrie, Gewerbe und Arbeit zugestellt. 
 
 
Luzern, 9. Januar 1997 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: