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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_683/2011 
 
Urteil vom 9. Januar 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christos Antoniadis, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 22. Juni 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1960 geborene S.________ meldete sich im März 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem Versicherten mit Verfügungen vom 3. September 2009 eine ganze Invalidenrente vom 1. bis 31. März 2008 und entsprechend einer Invalidität von 55 % eine halbe Rente ab 1. April 2008 zu. 
 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde des S.________ mit Entscheid vom 22. Juni 2011 abgewiesen. 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des Entscheides vom 22. Juni 2011 sei die IV-Stelle des Kantons Zürich zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Leistungen (mindestens eine Dreiviertelsrente) auszurichten; eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ein Gerichtsgutachten einhole und gestützt darauf neu entscheide. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Der vom Versicherten neu aufgelegte Bericht der Frau Dr. med. P.________ (behandelnde Psychiaterin) vom 12. September 2011 ist nach Erlass des vorinstanzlichen Entscheides entstanden und deshalb unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Im Übrigen lässt er keine Rückschlüsse auf den massgebenden Sachverhalt zu (vgl. BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243 mit Hinweis; 121 V 362 E. 1b in fine S. 366). 
 
2. 
Gestützt auf das Gutachten des Zentrums X.________ vom 19. Februar 2009 hat die Vorinstanz eine Arbeitsfähigkeit von 70 % in einer angepassten Tätigkeit ab 1. April 2008 festgestellt. Ausserdem hat sie für das Invalideneinkommen einen Leidensabzug von 15 % eingeräumt. Beim daraus resultierenden Invaliditätsgrad von 55 % hat sie den Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung ab dem 1. April 2008 bestätigt. 
 
3. 
3.1 Bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob er für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, ob die Beschreibung der medizinischen Situation und Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). 
 
3.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersu-chungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG). 
 
3.3 Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach das Gutachten des Zentrums X.________ ohne jegliche Begründung und Auseinandersetzung mit der von der behandelnden Psychiaterin attestierten Arbeitsunfähigkeit von 70 % erstellt wurde, hält nicht stand. Denn das Gutachten wurde in Kenntnis dieses Berichtes verfasst, und die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass darin keine objektiv feststellbaren Gesichtspunkte genannt werden, welche im Rahmen der Begutachtung des Zentrums X.________ unerkannt geblieben und geeignet sind, zu einer von den Experten abweichenden Beurteilung zu gelangen (Urteil I 936/05 vom 2. April 2007 E. 3.3). Diesbezüglich hat die Vorinstanz auch zu Recht auf die Verschiedenheit von Behandlungs- und Begutachtungsauftrag (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353; Urteile 8C_740/2010 vom 29. September 2011 E. 6; 9C_842/2009 vom 17. November 2009 E. 2.2) verwiesen. 
 
3.4 Weiter rügt der Beschwerdeführer, dass die Nebenwirkungen der Strahlentherapie (Dyspnoe und Lhermitte-Syndrom) ungenügend beachtet und die Diagnose Pneumonitis nicht erwähnt worden sei. Die Vorinstanz hat verbindlich festgestellt (E. 1), dass bereits die behandelnde Onkologin in ihrem Bericht vom 22. Februar 2008 - der zur Erstellung des Gutachtens des Zentrums X.________ herangezogen wurde - diese Beschwerden für vollständig remittiert gehalten hat. Folglich sind sie genügend berücksichtigt worden. 
 
3.5 Sodann wendet der Beschwerdeführer ein, dass die Vorinstanz im Gegensatz zum Gutachten des Zentrums X.________ und dem Bericht der behandelnden Psychiaterin eine abweichende ICD-10-Klassifikation vorgenommen habe. Die Gutachter des Zentrums X.________ qualifizierten das psychische Leiden des Beschwerdeführers zunächst als ICD-10: F43.22 (Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt); die behandelnde Psy-chiaterin kategorisierte es dagegen als ICD-10: F43.21 (Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion). In den Schlussfolgerungen des Gutachtens des Zentrums X.________ zu den psychischen Untersuchungsergebnissen wurde festgehalten, dass die eigenen Ergebnisse weitestgehend im Einklang mit den Anführungen der behandelnden Psychiaterin stehen und diese gemäss ICD-Klassifikation eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion erfüllen, bei akzentuierten hypochondrischen sowie ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitszügen. Unter Berücksichtigung beider Klassifikationen (ICD-10: F43.22 und F43.21), welche sich im Wesentlichen lediglich in ihrer Dauer unterscheiden (Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V [F], Klinisch-diagnostische Leitlinien, 7. Aufl. 2010, S. 185 f.), wurde im Gutachten schliesslich eine Arbeitsunfähigkeit von 30 % für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowie für jede Verweistätigkeit attestiert. Somit überzeugt das Gutachten in Bezug auf die Arbeitsfähigkeitsschätzung (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Die vorinstanzliche Argumentation, wonach die Anpassungsstörung gemäss ICD-Klassifikation im Grenzbereich dessen liegt, was als krankheitswertig im Sinne des Gesetzes und als potentiell invalidisierendes Leiden gilt (Urteil 9C_636/2007 vom 28. Juni 2008 E. 3.3.2), ist daher nicht ausschlaggebend für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit. 
 
3.6 Ohnehin beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen lediglich darauf, die Beweise abweichend von der Vorinstanz zu würdigen und daraus andere Schlüsse zu ziehen, was nicht genügt (Urteil 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3). 
 
4. 
4.1 Ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, ist von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) abhängig. Der Einfluss sämtlicher Merkmale auf das Invalideneinkommen ist nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf höchstens 25 % zu begrenzen ist (Urteil 9C_650/2008 vom 25. November 2008 E. 5.3 mit Hinweisen). 
 
4.2 Die Einwände gegen die Höhe des vorinstanzlich eingeräumten Leidensabzuges von 15 % dringen nicht durch. Denn diese ist eine Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nurmehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Gründe für eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens werden indessen nicht substanziiert geltend gemacht, vielmehr setzt der Beschwerdeführer bloss sein Ermessen anstelle desjenigen der Vorinstanz. 
 
5. 
Nach dem Gesagten sind die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung nicht offensichtlich unrichtig und beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung. Zudem ist in Bezug auf das Invalideneinkommen keine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung erkennbar. Die übrigen Faktoren der Invaliditätsbemessung werden weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht beanstandet. Es besteht kein Anlass für eine nähere Prüfung von Amtes wegen (BGE 125 V 413 E. 1b und 2c S. 415 ff.; 110 V 48 E. 4a S. 53). Das kantonale Gericht hat folglich zu Recht den Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung ab dem 1. April 2008 bestätigt. 
 
6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 9. Januar 2012 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann