Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.9/2006 /bri
6P.160/2005
Urteil vom 9. Februar 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Monn
Parteien
X._________, Beschwerdeführer,
gegen
A._________, Bezirksgericht Zürich, Postfach, 8026 Zürich,
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,
Beschwerdegegner,
Obergericht des Kantons Zürich. Verwaltungskommission,
Gegenstand
Einstellung der Strafuntersuchung; Ausstand,
Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Einzelrichter, vom 13. September 2005 und den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, vom 16. November 2005.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit Verfügung vom 21. Juli 2005 stellte die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich eine von X._________ gegen vier Beamte der Stadtpolizei Zürich eingeleitete Strafuntersuchung wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Amtsmissbrauchs ein. Der Einzelrichter für Straf- und Zivilsachen am Bezirksgericht Zürich wies einen dagegen eingereichten Rekurs mit Verfügung vom 13. September 2005 ab, da keine Befangenheit des zuständigen Staatsanwalts und kein strafbares Verhalten der Beschuldigten vorliege. Auf ein gegen den Einzelrichter gerichtetes Ablehnungsbegehren trat die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 16. November 2005 nicht ein. Zur Begründung führte sie aus, nachdem der Endentscheid in der Sache gefällt sei, sei sie als Aufsichtsbehörde zur Behandlung des Ablehnungsbegehrens nicht mehr zuständig. In einem solchen Fall sei vielmehr die Rüge, ein befangener Richter habe am Endentscheid mitgewirkt, mit dem entsprechenden Rechtsmittel vorzubringen. Gemäss Rechtsmittelbelehrung in der Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 sei dies im vorliegenden Fall die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht (Verfahren VV050036/U).
X._________ wendet sich mit zwei Eingaben ans Bundesgericht. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 20. Dezember 2005 betreffend "Befangenheit des Bezirksrichters" ficht er die Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 und das "Geschäft VV050036/U" (der Verwaltungskommission des Obergerichts) an. Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde vom 28. Dezember 2005 wendet er sich gegen die Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 und gegen den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 16. November 2005. Zudem stellt er in beiden Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde haben der Einzelrichter und die Verwaltungskommission des Obergerichts auf eine Stellungnahme verzichtet. Im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
2. Staatsrechtliche Beschwerde
Gemäss § 101 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich (GVG) entscheidet die Aufsichtsbehörde über ein streitiges Ausstandsbegehren. Gemäss der Verordnung über die Organisation des Obergerichts ist dies die Verwaltungskommission des Obergerichts, wenn sich das Ausstandsbegehren gegen einen Einzelrichter am Bezirksgericht richtet. Die Verwaltungskommission trat im vorliegenden Fall jedoch unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung mit Beschluss vom 16. November 2005 auf das Ablehnungsbegehren gegen den Einzelrichter nicht ein, weil der Beschwerdeführer die Rüge mit dem entsprechenden Rechtsmittel gegen die Verfügung des Einzelrichters hätte geltend machen müssen (Beschluss vom 16. November 2005 mit Hinweis auf Hauser/Schweri, GVG, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, N 9 zu § 101, und auf ZR 101 Nr. 98).
Es stellt sich die Frage, ob dies, wie die Verwaltungskommission annimmt, auch zutrifft, wenn es gegen die angefochtene Verfügung kein kantonales Rechtsmittel, sondern nur ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gibt. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Ablehnungsgründe gegen den Einzelrichter vor Bundesgericht entgegen der Auffassung der Verwaltungskommission nicht mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen wären, sondern gegebenenfalls mit staatsrechtlicher Beschwerde. Dass in einem Fall wie dem vorliegenden nicht § 101 Abs. 1 GVG zum Zuge käme, sondern die staatsrechtliche Beschwerde hätte ergriffen werden müssen, die nur eine beschränkte Überprüfung des kantonalen Ausstandsrechts ermöglicht, erscheint jedoch nicht sachgerecht und ergibt sich denn auch weder aus dem bei Hauser/Schweri zitierten Entscheid ZR 81 Nr. 97 noch aus dem von der Verwaltungskommission erwähnten Entscheid ZR 101 Nr. 98. Im Gegenteil hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich in einem Entscheid vom 9. Juli 1979 ausdrücklich festgestellt, gemeint seien kantonale Rechtsmittel, und weil sonst allein die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht verbliebe, sei auf das Ablehnungsbegehren allenfalls im Sinne eines Revisionsgesuches einzutreten (ZR 78 Nr. 19 mit Hinweis auf Walder-Bohner, Der neue Zürcher Zivilprozess, 2. Auflage 1979, S. 83 FN 23). Der Entscheid der Verwaltungskommission ZR 101 Nr. 98 schliesst zwar tatsächlich mit dem apodiktischen Satz, sie werde in Zukunft entgegen ihrer bisherigen Praxis auf Ablehnungsbegehren grundsätzlich nicht mehr eintreten, wenn diese ihr erst nach Fällung des Endentscheids zur Behandlung überwiesen würden. Aus der Begründung ergibt sich indessen, dass sie dies auf Endentscheide bezieht, gegen die ein kantonales Rechtsmittel offen steht, mit dem die Rüge, der Vorderrichter sei befangen gewesen, ebenfalls erhoben werden kann, sodass zwischen der Rechtsmittelinstanz und der Verwaltungskommission eine (unerwünschte) konkurrierende Zuständigkeit bestünde. Die im vorliegenden Fall vertretene Auffassung der Verwaltungskommission erweist sich als willkürlich, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde gegen deren Beschluss vom 16. November 2005 gutzuheissen und der angefochtene Beschluss aufzuheben ist.
Der Beschwerdeführer hat die staatsrechtliche Beschwerde betreffend Befangenheit auch gegen die Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 eingereicht. Nach dem im letzten Absatz Gesagten stand ihm (entgegen der Auffassung der Verwaltungskommission) ein kantonaler Rechtsbehelf zur Verfügung, um die Ablehnung des Einzelrichters geltend zu machen. Folglich ist in Bezug auf dessen Verfügung der kantonale Rechtsmittelweg nicht ausgeschöpft. Insoweit ist auf die Beschwerde gestützt auf Art. 86 Abs. 1 OG nicht einzutreten.
3. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 16. November 2005 ist gegenstandslos geworden, da dieser bereits im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aufgehoben worden ist.
Das Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 müsste eigentlich sistiert werden, bis erneut über das Ablehnungsbegehren entschieden worden ist. Darauf kann indessen verzichtet werden. In der Verfügung des Einzelrichters wurde ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht hingewiesen. Der Beschwerdeführer hat die entsprechende Frist verpasst. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters kann somit von vornherein nicht eingetreten werden.
4.
Soweit der Beschwerdeführer obsiegt, sind ihm keine Kosten aufzuerlegen. Da auch im übrigen Umfang auf eine Kostenauflage verzichtet werden kann, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. November 2005 aufgehoben. Soweit sich die staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters vom 13. September 2005 richtet, wird darauf nicht eingetreten.
2.
Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Februar 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: