Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 300/05
Urteil vom 9. Februar 2006
II. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Borella und Kernen; Gerichtsschreiber Jancar
Parteien
T.________, 1976, Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 27. Oktober 2005)
Sachverhalt:
A.
Der 1976 geborene T.________ ist Treuhänder mit eidg. Fachausweis und arbeitete vom 11. Juni 2001 bis 31. Dezember 2003 als Buchhalter bei der Firma I.________. Seit 1. Januar 2004 bezog er Arbeitslosentaggelder. Am 12. Juli 2004 wurde er vom Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (nachfolgend Amt) angewiesen, sich bei der Firma "X.________" (nachfolgend Schule) um eine Stelle als kaufmännischer Angestellter zu bewerben. Am 22. Juli 2004 fand das Vorstellungsgespräch in der Schule mit Herrn S.________, Leitung Finanzen, statt. Zu einer Anstellung des Versicherten kam es nicht. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs stellte das Amt den Versicherten wegen Nichtbefolgung von Kontrollvorschriften/Weisungen ab 27. Juli 2004 für die Dauer von 36 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, sein Verhalten am Bewerbungsgespräch habe beim Arbeitgeber den Eindruck erweckt, er sei an der Stelle nicht interessiert. Sein Auftreten müsse als Ablehnung einer zumutbaren Arbeit qualifiziert werden (Verfügung vom 5. Oktober 2004). Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 29. November 2004 ab.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Oktober 2005 ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Versicherte die Aufhebung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
Das Amt und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die - im Rahmen des allgemeinen Gebots der Schadenminderung (BGE 130 V 99 Erw. 3.2) bestehende - Pflicht der versicherten Person, eine vermittelte zumutbare Arbeit unverzüglich anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 AVIG; vgl. auch Art. 17 Abs. 1 AVIG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der sanktionsweisen Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG) und der verschuldensabhängigen Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 und 3 AVIV ; BGE 130 V 125 ff.). Im Weiteren hat das kantonale Gericht die Rechtsprechung richtig wiedergegeben, wonach der Einstellungstatbestand der Ablehnung zumutbarer Arbeit auch dann erfüllt ist, wenn die versicherte Person eine nach den Umständen gebotene ausdrückliche Annahmeerklärung unterlässt und durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die Stelle anderweitig besetzt wird. Namentlich hat sie bei den Verhandlungen mit künftigen Arbeitgebern klar und eindeutig die Bereitschaft zum Vertragsabschluss zu bekunden, um die Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht zu gefährden (BGE 122 V 38 Erw. 3b, Urteil S. vom 13. Dezember 2005 Erw. 1, C 272/05, je mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
2.
2.1
2.1.1 Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs gab der Versicherte dem Amt am 25. August 2004 an, ab Anfang des Vorstellungsgesprächs mit Herrn S.________ vom 22. Juli 2004 habe er ein ungutes Gefühl gehabt. Er habe ablehnend und arrogant gewirkt sowie einladend und freundlich, alles in einem. Er habe ihm kein Prozent Hoffnung vermittelt, dazu gehören zu können und die Stelle zu erhalten. Es sei deutlich gewesen, dass die Chemie nicht stimme. Herr S.________ habe ihm die Firma vorgestellt und gesagt, die neue Person würde in allen Bereichen der Buchhaltung eingesetzt und seine Stellvertretung übernehmen. Er habe ihn auch gefragt, wo er sich in den nächsten fünf Jahren sehe. Er habe ihm geantwortet, das komme ganz darauf an, wo er seine nächste Chance erhalte. Eine weitere Ausbildung sei nicht geplant. Falls er aber eine Stelle in einer Steuer- oder Revisionsunternehmung erhielte, könnte er sich noch die Ausbildung zum dipl. Steuerexperten oder zum dipl. Wirtschaftsprüfer vorstellen. Er habe aber betont, dies sei alles offen. Herr S.________ habe ihn gefragt, was er von einer Fortsetzung seiner Karriere in der Schule halte. Er habe ihm erklärt, diese Stelle sofort anzunehmen; er könnte damit seine Erfahrung bereichern, erstmals in der Praxis in einer Betriebsbuchhaltung tätig sein und seine Englischkenntnisse täglich gebrauchen. Er habe aber auch die Nachteile auf den Tisch gelegt, wie z.B. die fehlenden Beförderungsmöglichkeiten, wobei er die Vorteile als wichtiger habe gelten lassen. Dann habe er vorgeschlagen, zuerst temporär ("try an hire"-Methode) zu arbeiten, worauf ihm Herr S.________ keine klare Antwort gegeben habe. Sie hätten abgemacht, dass er (der Versicherte) sich nächste Woche melden würde. Am 26. Juli 2004 habe er Herrn S.________ angerufen, ihm mitgeteilt, er bewerbe sich weiter für die Stelle, seine Bedenken an einer sofortigen Festanstellung geäussert und wieder vorgeschlagen, sofort temporär zu starten, um später einen unbefristeten Vertrag zu unterzeichnen. Herr S.________ habe ihm entgegnet, nicht nach diesem Prinzip vorgehen zu wollen. Dann habe er sich bereit erklärt, fest und auf unbestimmte Zeit anzufangen. Herr S.________ habe danach seine Begeisterung beim Vorstellungsgespräch bemängelt, wo er geäussert habe, dass es eben nur eine Schule sei, die doch einfach und zu schnell zu überblicken sei. Er (der Versicherte) habe gekontert, dass das für ihn ein Nachteil sei, dass aber die Vorteile überwögen. Er habe vorgeschlagen, temporär zu arbeiten, weil er erstmals in einer Schule arbeiten würde und nicht wisse, was ihn erwarte. Schliesslich habe Herr S.________ gesagt, er wolle noch andere Kandidaten anschauen und sich später melden.
2.1.2 Einspracheweise legte der Versicherte unter anderem dar, nachdem sie am Vorstellungsgespräch diskutiert hätten, seien sie in die Verhandlungsphase gekommen. Er habe vorgeschlagen, nach der "try and hire"-Methode vorzugehen. Jemand, der sofort, wenn auch nur temporär beginne, zeige eine 100%ige Bereitschaft. Bedenken zu haben sei völlig normal; solche "Neigungen" sollten positiver gewertet werden, nicht nur vom RAV oder vom Amt, sondern auch von Herrn S.________. Wenn er (der Versicherte) allgemein über Vorteile spreche, müsse er auch über etwaige Nachteile argumentieren. Das habe er sich zur Gewohnheit gemacht. Damit wolle er einen guten Eindruck hinterlassen. Zudem habe er auch (mit einem Schmunzeln) sehen wollen, wie Herr S.________ darauf reagieren würde. Dieser habe darauf jedoch keine spontane Reaktion gezeigt.
Vorinstanzlich hielt der Versicherte an seinem Standpunkt fest, alles für den Erhalt der Stelle getan zu haben.
2.2 Im E-Mail an das Amt vom 4. Oktober 2004 gab Herr S.________ an, bei der Vorstellung habe der Versicherte verlauten lassen, eine Anstellung bei einer Schule gehöre nicht zu seinen Traumjobs. Er strebe eine Weiterbildung zum Wirtschaftsprüfer an.
Am 5. Oktober 2004 gab Herr S.________ dem Amt telefonisch Auskunft über das Vorstellungsgespräch mit dem Versicherten. Den darüber vom Amt verfassten Bericht bestätigte er am 1. Februar 2005 schriftlich. Demgemäss gab er an, der Versicherte habe einfach den Eindruck hinerlassen, dass er nicht wirklich an einer Anstellung in einer Schule interessiert sei, sondern sich bewerbe, weil er das müsse. Seine Ambitionen seien seines Erachtens nach eher auf die Anstellung in einer grossen Treuhandfirma hinaus gelaufen. Er habe auf ihn sehr ehrgeizig gewirkt, was er ihm nicht zum Vorwurf machen könne. Aber er habe niemanden einstellen und einarbeiten wollen mit dem Risiko, dass nach ein paar Monaten wieder Schluss sei.
In der zusätzlichen schriftlichen Auskunft vom 1. Februar 2005 gab Herr S.________ dem Amt an, bei der Vakanz habe es sich um eine Vollzeitstelle (100 %) mit Teamleader-Funktion gehandelt. Hiebei hätten sie sich nicht auf einen "Versuch" einlassen können, dass der Versicherte vielleicht doch Gefallen am Rechnungswesen einer Schule finden würde, nachdem er sich zum Ziel gesetzt habe, nach einer Stelle im Wirtschaftsprüfungs- und Revisionsbereich Ausschau zu halten. Da sie gegen vierzig Bewerbungen gehabt hätten, hätten sie sich für einen anderen Kandidaten entschieden.
3.
3.1 Bei der dem Versicherten vom Amt zugewiesenen unbefristeten Stelle an der Schule (Einsatz in der Buchhaltung mit Teamleader-Funktion) handelte es sich unbestritten um eine zumutbare Arbeit, weshalb er im Rahmen der Schadenminderungspflicht grundsätzlich unverzüglich die Bereitschaft zum Vertragsschluss hätte erklären müssen (vgl. auch Erw. 3.3.1 hienach).
3.2 Auf Grund seiner Angaben hat der Versicherte indessen während des Vorstellungsgesprächs vom 22. Juli 2004 auch die Nachteile der Arbeitsstelle dargelegt, wie z.B. mangelnde Beförderungsmöglichkeiten oder den Umstand, dass es eben nur eine Schule sei, die doch für ihn einfach und zu schnell zu überblicken sei. Zudem hat er vorgeschlagen, zuerst temporär zu arbeiten und danach über eine Festanstellung zu entscheiden (Erw. 2.1.1 hievor). Weiter legte der Versicherte dar, er habe es sich zur Gewohnheit gemacht, neben den Vorteilen immer auch die Nachteile einer Sache aufzuzeigen. Er habe (mit einem Schmunzeln) auch sehen wollen, wie Herr S.________ darauf reagieren würde (Erw. 2.1.2 hievor).
Der Versicherte hat mithin am Bewerbungsgespräch keine klare und eindeutige Bereitschaft zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages bekundet. Zudem ist es nicht angängig, dass er Herrn S.________ an diesem Gespräch mit einem Schmunzeln sozusagen testete, wie er auf seine "Vor-/Nachteile"-Argumentation reagieren würde. Unter diesen Umständen ist hinreichend erstellt, dass der Beschwerdeführer zumindest das Scheitern der Verhandlungen mit der Schule in Kauf nahm. Sein Verhalten muss als mitursächlich für seine Nichtanstellung gewertet werden. Hierin liegt sein Verschulden an der Fortdauer der Arbeitslosigkeit.
3.3 Sämtliche Einwendungen des Versicherten vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
3.3.1 Unbehelflich ist insbesondere sein Vorbringen, er habe erst am Ende des Vorstellungsgespräch, als er die ablehnende Haltung Herrn S.________s gespürt habe und über einen Vertragsabschluss noch nicht gesprochen worden sei, einen temporären Einsatz vorgeschlagen. Denn er hat auch beim nachfolgenden Telefongespräch mit Herrn S.________ vom 26. Juli 2004, als die Stelle noch nicht vergeben war, wieder seine Bedenken gegen eine sofortige Festanstellung geäussert, auf Nachteile der Stelle an einer Schule hingewiesen und einen Temporäreinsatz vorgeschlagen (Erw. 2.1.1 hievor). Damit hat er seine Anstellung ein zweites Mal gefährdet. Der Umstand, dass er im Rahmen dieses Telefongesprächs - nachdem Herr S.________ eine Temporäranstellung ausgeschlossen hatte - doch noch die Bereitschaft zu einem unbefristeten Arbeitseinsatz kundtat, vermag ihn unter den gegebenen Umständen nicht zu entlasten.
3.3.2 Soweit der Beschwerdeführer auf eine zum Teil ablehnende und arrogante Haltung von Herrn S.________ anlässlich des Vorstellungsgesprächs verweist, hat die Vorinstanz zu Recht erwogen, dass der Versicherte auch im Falle eines schwierig verlaufenden Vorstellungsgesprächs seine Anstellungschancen nicht durch sein Verhalten gefährden darf.
3.3.3 Insofern der Versicherte den von ihm vorgeschlagenen temporären Einsatz mit der gesetzlich statuierten Probezeit (Art. 335b OR) vergleicht und argumentiert, die Ausgangsposition sei gleich, kann dem nicht gefolgt werden. Denn entscheidend ist, dass er mit seinem Vorschlag das Zustandekommen des Arbeitsvertrages gefährdet hat. Hievon abgesehen wäre der Vorschlag eines Temporäreinsatzes gar nicht nötig gewesen, zumal dem Versicherten bekannt war, dass er bei Unzufriedenheit mit der Arbeitsstelle während der Probezeit den Vertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist hätte auflösen können.
4.
Gemäss Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit 45 Abs. 3 AVIV ist die Ablehnung einer zumutbaren Arbeitsstelle ohne entschuldbaren Grund als schweres Verschulden zu qualifizieren und demnach mit einer Einstellungsdauer von 31 bis 60 Tagen zu sanktionieren (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV). Da keine - in der subjektiven Situation oder objektiven Gegebenheiten liegenden - entschuldbaren Gründe gegeben sind, welche das Verschulden des Versicherten als bloss mittelschwer oder leicht erscheinen lassen, fällt die Möglichkeit einer Unterschreitung der bei Ablehnung einer amtlich zugewiesenen zumutbaren Arbeit vorgesehenen Einstellungsdauer von 31 bis 60 Tagen ausser Betracht (BGE 130 V 128 ff. Erw. 3.4). Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens liegt die verfügte Einstellungsdauer von 36 Tagen im unteren Bereich, weshalb sie unter dem Blickwinkel der Angemessenheit (Art. 132 lit. a OG) nicht zu beanstanden ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse Unia, Meilen, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 9. Februar 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: