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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.19/2007 /bnm 
 
Urteil vom 9. Februar 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Berufungsklägerin, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Bern, kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
fürsorgerische Freiheitsentziehung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, vom 
21. Dezember 2006. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
X.________, der am 6. September 2005 erneut fürsorgerisch die Freiheit entzogen worden war, befindet sich nunmehr in der Anstalt B.________. Am 7. Dezember 2006 wurde der Rekurs von X.________ gegen die ein Entlassungsgesuch abweisende Verfügung der Regierungsstatthalterin von Bern vom 20. November 2006 abgewiesen. Die Betroffene verblieb weiterhin in der vorgenannten Anstalt. Am 8. Dezember 2006 stellte sie erneut ein Gesuch um Entlassung, welches die Regierungsstatthalterin von Bern mit Verfügung vom 13. Dezember 2006 ebenfalls abwies. Bereits am 18. Dezember 2006 beantragte X.________ erneut ihre Entlassung aus der Anstalt, worauf sie überdies am 20. Dezember 2006 gegen die Verfügung der Regierungsstatthalterin von Bern vom 13. Dezember 2006 rekurrierte. 
 
Mit Urteil vom 21. Dezember 2006 trat die Kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen des Kantons Bern auf die seit dem 7. Dezember 2006 eingegangenen Entlassungsgesuche von X.________ nicht ein (FFE 06 539/LUE/ZBA). Sie ging davon aus, die Gesuche verstiessen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. 
 
Mit Eingabe vom 4. Januar 2007 beantragt X.________ sinngemäss die Aufhebung des Urteils vom 21. Dezember 2006 und die sofortige Entlassung aus der Anstalt (act. 2 und 3). Die Rekurskommission hat keine Gegenbemerkungen eingereicht und ist auch nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden. 
2. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). Eine Ausnahme gilt jedoch für die Gerichtsorganisation, für die ab dem 1. Januar 2007 vollumfänglich das neue Recht gilt. Die vorliegende Eingabe ist daher von der II. zivilrechtlichen Abteilung zu beurteilen (Art. 32 Abs. 1 lit. c des Reglementes vom 20. November 2006 für das Bundesgericht; BgerR; SR 173.110.131). 
3. 
Die Kommission ist davon ausgegangen, X.________ habe mit ihren innert kurzer Zeit gestellten Gesuchen gegen Treu und Glauben verstossen. X.________ ersucht um Aufhebung des Urteils der Rekurskommission und um Entlassung aus der Anstalt. Sie geht sinngemäss davon aus, es liege kein Verstoss gegen Treu und Glauben vor und rügt damit die Verletzung einer Maxime des kantonalen Prozessrechts, was mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht anzufechten ist (BGE 131 III 457 E. 1). Die Eingabe ist daher als staatsrechtliche Beschwerde entgegenzunehmen und zu behandeln. 
4. 
Laut dem angefochtenen Urteil leidet die Beschwerdeführerin gemäss Gutachten vom 22. April 2005 an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10; F60.30) sowie an einem chronischen Substanzabusus von Opiaten. Zusammenfassend hält die Rekurskommission dafür, die Beschwerdeführerin sei seit 2004 mehr oder weniger ständig mit einer stationären FFE-Massnahme in den UPD Bern oder in anderen Anstalten hospitalisiert gewesen. In der Klinik sei sie immer wieder massiv fremdgefährdend und eine Drogenabstinenz habe jeweils nur durch wochenweise Isolation der Beschwerdeführerin erreicht werden können. Sie mache in ihrer Eingabe gegen die Verfügung vom 13. Dezember 2006 nicht geltend, es lägen veränderte Verhältnisse vor. Solche seien denn auch nicht ersichtlich. Dass die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 20. Dezember 2006 behaupte, bei ihrer Mutter leben zu können, reiche als ambulante Massnahme nicht aus, sei doch die Beschwerdeführerin jeweils kurz nach den Entlassungen wieder auf dem Wege der fürsorgerischen Freiheitsentziehung eingewiesen worden. Um eine wirklich tragfähige ambulante Massnahme schaffen zu können, müsste sie motiviert sein, etwas an ihrer Situation zu ändern, und insbesondere versuchen, ohne Drogen zu leben, wozu sie - wie sich immer wieder gezeigt habe - nicht bereit sei. Anderseits fehle es aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin an einem sozialen, beruflichen und medizinischen Netz. Gestützt auf diese Ausführungen ist die Rekurskommission auf die seit dem 7. Dezember 2006 eingereichten Gesuche um Entlassung nicht eingetreten. Abschliessend bemerkte sie, sollte die Beschwerdeführerin in nächster Zeit wieder Entlassungsgesuche stellen, ohne dass sich die Situation wesentlich verändert habe, sei die Regierungsstatthalterin berechtigt, auf die Gesuche ohne weiteres nicht einzutreten (act. 3 S. 2 f.). 
5. 
5.1 Art. 397d Abs. 2 ZGB verleiht zwar der Betroffenen das Recht, jederzeit ein Gesuch um Entlassung zu stellen. Die Wahrnehmung dieses Rechts steht freilich unter dem Vorbehalt des Handels nach Treu und Glauben (BGE 130 III 729 E. 2.1.1 S. 730 f.; 131 III 457). Aufgrund der festgestellten tatsächlichen Umstände kann ohne Willkür davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin habe seit dem 7. Dezember 2006 keine Änderung in ihren relevanten Verhältnissen erfahren. Unter den gegebenen Umständen erweist sich die Annahme der letzten kantonalen Instanz, die Gesuche um Entlassung seit dem 7. Dezember 2006 verstiessen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, nicht als willkürlich (zum Willkürbegriff: BGE 119 Ia 113 E. 3a S. 117; 127 I 60 E. 5a S. 70; 128 I 177 E. 2.1; 129 I 1 E. 3, 129 I 8 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen; 131 I 57 E. 2 S. 61). 
5.2 Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Eingabe vom 4. Januar 2007 im Wesentlichen vor, sie leide an Borderline; sie habe sich verändert, sei nicht mehr fremdgefährdend, nunmehr angepasst und kooperativ; sie sei für eine ambulante Therapie motiviert und nehme seit November 2006 - auch ohne Isolation - keine Drogen mehr ein. Sie habe bereits eine für die ambulante Therapie zuständige Ärztin. Man habe ihr nie gesagt, dass sie das Recht auf eine Verteidigung habe. Sie habe nunmehr eine Verteidigerin und möchte in die Rekursverhandlung gehen (act. 2). 
 
Soweit diese Vorbringen nicht neu sind, setzt sich die Beschwerdeführerin damit nicht rechtsgenügend mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinander. Sie stellt einfach eigene Behauptungen den Feststellungen des angefochtenen Urteils gegenüber, ohne in diesem Zusammenhang aufzuzeigen, inwiefern die Feststellungen gegen das Willkürverbot verstossen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; (BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a; 127 III 279 E. 1c S. 282, mit Hinweisen; 128 I 295 E. 7a S. 312; 130 I 258 E. 1.3). Mit ihren allgemein gehaltenen Behauptungen, vermag sie die verbindlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz zu ihrem Verhalten, zur mangelnden Bereitschaft, vom Drogenkonsum abzulassen, aber auch zum fehlenden sozialen, medizinischen und beruflichen Netz nicht rechtsgenügend als willkürlich hinzustellen und damit auch nicht darzutun, dass der Grundsatz von Treu und Glauben willkürlich als verletzt betrachtet worden sei. Der Entscheid der Rekurskommission, auf die seit dem 7. Dezember 2006 eingereichten Entlassungsgesuche nicht einzutreten, verstösst daher nicht gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV). Damit erübrigen sich Ausführungen zu den weiteren, nicht substantiierten Vorbringen der Beschwerdeführerin (Recht auf Verteidigung durch einen Anwalt; Wunsch, an die Verhandlung zu gehen). Mit Bezug auf das Recht auf Verteidigung wird denn auch nicht ausgeführt, dass im kantonalen Verfahren die Beiordnung eines Anwaltes verlangt worden ist. 
6. 
Die Beschwerdeführerin hatte im Rekurs vom 20. Dezember 2006 namentlich auch gerügt, die Anstalt, in der sie sich zur Zeit befinde, sei ungeeignet (Kantonale Akten, act. 1). Die Rekurskommission hat sich zu diesem Punkt im angefochtenen Urteil nicht geäussert. Die Beschwerdeführerin hat diese Rüge aber vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen und insbesondere auch die mangelnde Behandlung dieser Rüge nicht kritisiert. Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
7. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es werden keine Kosten erhoben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Eingabe vom 4. Januar 2007 wird als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen. 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Bern, kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. Februar 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: