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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_523/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. Februar 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
KBZ St. Gallen, Kreuzbleicheweg 4, 9000 St. Gallen, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hubert Bühlmann, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Untersuchungsamt St. Gallen, 
Schützengasse 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Ermächtigungsverfahren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 14. September 2016 der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ befand sich 2015 in einer kaufmännischen Lehre und besuchte die Berufsschule im Kaufmännischen Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen (KBZ). B.________ ist an dieser Schule Lehrer und Leiter Grundbildung Kaufleute und als solcher für die gesamte kaufmännische Ausbildung am KBZ verantwortlich. 
A.________ wurde im Herbst 2015 von seinem Lehrbetrieb abgemahnt. Er ersuchte B.________ per E-Mail um ein persönliches Gespräch, wobei er diesen darum bat, die Angelegenheit vertraulich zu behandeln. Die Unterredung fand am 5. November 2015 statt; nach der Darstellung von A.________ wurde Vertraulichkeit vereinbart. 
Am 8. Februar 2016 wurde A.________ von seiner Englischlehrerin wegen eines Fehlverhaltens im Unterricht diszipliniert, worüber B.________ unterrichtet wurde. Nach der Darstellung von A.________ hat dieser die Lehrlingsverantwortliche seines Lehrbetriebs, C.________, über den Vorfall informiert, worauf es am 11. Februar 2016 zu einer Unterredung zwischen ihr und ihm gekommen sei. C.________ habe B.________ telefonisch Rückmeldung erstattet; dabei habe dieser ihr über das Gespräch zwischen ihm und A.________ vom 5. November 2015 berichtet. Für A.________ hat B.________ eine Amtsgeheimnisverletzung begangen, indem er C.________ von diesem Gespräch berichtete. 
Am 6. April 2016 erstattete A.________ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden Strafanzeige gegen B.________. Das Verfahren wurde in der Folge vom Untersuchungsamt St. Gallen übernommen. Am 12. Juli 2016 beantragte es bei der Anklagekammer die Durchführung eines Ermächtigungsverfahrens. 
Am 14. September 2016 erteilte die Anklagekammer die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen B.________ nicht. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, diesen Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und die Ermächtigung zur Strafverfolgung von B.________ zu erteilen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
C.   
Die Anklagekammer und B.________ verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 17 Abs. 2 lit. b des St. Galler Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010 entscheidet die Anklagekammer über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung gegen Behördemitglieder oder Mitarbeitende des Kantons oder der Gemeinden wegen strafbarer Handlungen, die deren Amtsführung betreffen. Mit dem angefochtenen Entscheid hat es die Anklagekammer abgelehnt, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung des Beschwerdegegners wegen Amtsgeheimnisverletzung zu ermächtigen. Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das Verfahren insoweit abgeschlossen ist. Angefochten ist damit ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), gegen den nach der Rechtsprechung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1).  
 
1.2. Zur Beschwerde befugt ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG, wer am vorinstanzlichen Verfahren als Partei teilgenommen hat, vom angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat. Es ist Sache des Beschwerdeführers, seine Beschwerdebefugnis darzulegen, soweit sie nicht offensichtlich gegeben ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47; zum Ganzen: BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3).  
Eine Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 Ziff. 1 StGB) begeht, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat. Ein Geheimnis offenbart, wer es einer dazu nicht ermächtigten Drittperson zur Kenntnis bringt oder dieser die Kenntnisnahme zumindest ermöglicht. Der Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses sichert die Geheimhaltungspflicht der Behördemitglieder und Beamten. Er bezweckt in erster Linie die Wahrung öffentlicher Interessen (das reibungslose Funktionieren der Verwaltung und der Rechtspflege). Daneben kann er auch dem Schutz von Individualinteressen dienen, nämlich soweit geheimhaltungsbedürftige Informationen von Privatpersonen in amtlicher Eigenschaft erhoben und bearbeitet werden (Niklaus Oberholzer, in BSK-Strafrecht II, 2007, Art. 320 N. 1 ff.; Trechsel/Vest, StGB PK, 2008, Art. 320 N 1; Bernard Corboz, Les infractions en droit suisse, vol. II, 2010, Art. 320 N 3; Favre/Pellet/Stoudmann, Code pénal, 2011, Art. 320 N 1.1). Da der Tatbestand in erster Linie öffentliche Interessen schützt, ist die Legitimation einer Privatperson, gegen die Verweigerung der Ermächtigung Beschwerde zu führen, nicht offensichtlich, sondern im Einzelfall zu prüfen. Der Beschwerdeführer begnügt sich damit, die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 BGG aufzuzählen und zu behaupten, sie seien erfüllt. Das genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht, auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
 
1.3. Das schadet dem Beschwerdeführer allerdings insofern nicht, als die Beschwerde in der Sache unbegründet ist. Zwar überzeugt die Begründung der Anklagekammer nicht, das angezeigte Verhalten sei von vornherein nicht tatbestandsmässig, weil die angeblich unzulässigerweise vom Beschwerdegegner offenbarten Tatsachen der Lehrlingsverantwortlichen bereits bekannt gewesen seien. Die angebliche Amtsgeheimnisverletzung könnte schon darin liegen, dass er der Lehrlingsverantwortlichen überhaupt mitteilte, dass am 5. November 2015 eine Unterredung zwischen ihm und dem Beschwerdegegner stattfand. Dazu war der Beschwerdegegner allerdings klarerweise befugt. Der Beschwerdeführer wurde im Lehrbetrieb abgemahnt und hatte in der Schule grössere disziplinarische Probleme, was die erfolgreiche Beendigung seiner Lehre in Frage stellte. Nach Art. 17 Abs. 3 der Berufsbildungsverordnung (vom 19. November 2003, SR 412.101) nimmt unter diesen Umständen "die Berufsfachschule mit dem Lehrbetrieb Kontakt auf". Der Beschwerdegegner als verantwortlicher Schulleiter war damit berechtigt und verpflichtet, mit dem Lehrbetrieb Kontakt aufzunehmen und mit der Lehrlingsverantwortlichen alles zu besprechen, was in irgendeiner Weise mit dem schulischen bzw. beruflichen Fortkommen des Beschwerdeführers in Zusammenhang stand. Indem der Beschwerdegegner der Lehrlingsverantwortlichen vom Gespräch vom 3. November 2015 berichtete, hat er daher kein Amtsgeheimnis einer unberechtigten Dritten offenbart, das angezeigte Verhalten ist von vornherein nicht tatbestandsmässig. Ob der Beschwerdegegner zuvor den Beschwerdeführer dazu hätte anhören sollen, wie es der erwähnte Artikel an sich vorsieht, kann offen bleiben, da es für die strafrechtliche Beurteilung ohne Belang ist. Es ist in diesem Zusammenhang immerhin darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführer war, der mit seinem untragbaren Verhalten in der Schule eine neue Situation schuf, die einen rückhaltlosen Austausch der beiden für die schulische und berufliche Ausbildung Verantwortlichen erst erforderlich machte. Die Anklagekammer hat im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner verweigerte.  
 
2.   
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war und seine Bedürftigkeit nicht belegt ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Februar 2017 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi