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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_103/2021  
 
 
Urteil vom 9. Februar 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Beusch, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
Zustelladresse: B.________, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Zürich. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und direkte Bundessteuer, Steuerperioden 2015-2016, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, Einzelrichter, vom 2. Dezember 2020 
(SB.2020.00092 / SB.2020.0093). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die A.________ AG (nachfolgend: die Steuerpflichtige) hat zivilrechtlichen Sitz in C.________/ZH. Dem Verwaltungsrat gehören gemäss Handelsregister D.________ (Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates), E.________ (Mitglied) und B.________ (Mitglied) an.  
 
1.2. Im Zusammenhang mit den Veranlagungsverfügungen zu den Steuerperioden 2015 und 2016 gelangte die Steuerpflichtige mit Rekurs und Beschwerde an das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich (Eingaben vom 21., 22., 24. und 27. August 2019). Das Steuerrekursgericht wies die Rechtsmittel am 14. Juli 2020 ab und versandte die Entscheide am 16. Juli 2020 mit Gerichtsurkunde an die Adresse der Steuerpflichtigen in C.________/ZH. Gemäss elektronischer Sendungsverfolgung "Track & Trace" der Post CH AG wurde die Gerichtsurkunde von der Post CH AG am 17. Juli 2020 an das Steuerrekursgericht retourniert. Dabei brachte die Post CH AG die Bemerkung "Empfänger weilt voraussichtlich bis zum 18. August 2020 im Ausland" an. Die Steuerpflichtige hatte am 28. April 2020 - mit Gültigkeit vom 16. März 2020 bis zum 20. August 2020 - einen Nachsendeauftrag an das Feriendomizil des Verwaltungsratspräsidenten in F.________ (DE) erteilt. Der Verwaltungsratspräsident und seine ebenfalls betagte Ehegattin hatten sich dorthin aus Furcht vor der Erkrankung mit Covid-19 zurückgezogen. Das Steuerrekursgericht hatten sie vom Auslandaufenthalt nicht in Kenntnis gesetzt.  
 
1.3. Offenbar erst durch eine Steuerrechnung auf die Entscheide vom 14. Juli 2020 aufmerksam geworden, erhob die Steuerpflichtige am 5. Oktober 2020 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Mit Beschluss SB.2020.00092 / SB.2020.00093 vom 2. Dezember 2020 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist ab und trat es auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht an, dass die Steuerpflichtige aufgrund mit Eingaben vom August 2019 in ein Prozessrechtsverhältnis mit dem Steuerrekursgericht getreten sei. Aufgrund dessen wäre die Steuerpflichtige gehalten gewesen, das Steuerrekursgericht über den bevorstehenden Auslandaufenthalt zu informieren. Stattdessen habe sie sich eines Nachsendeauftrags bedient. Wie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post CH AG zu entnehmen sei, würden Gerichtsurkunden ins Ausland nicht weitergeleitet. Die fehlende Kenntnis der Steuerpflichtigen um die Entscheide vom 14. Juli 2020 wäre daher, so das Verwaltungsgericht weiter, vermeidbar gewesen. Die missglückte Zustellung habe als schuldhaft verhindert zu gelten, woran auch die Furcht vor Covid-19 nichts ändere. Mit hinreichenden organisatorischen Massnahmen wäre die Nichtzustellung vermeidbar gewesen.  
 
1.4. Mit Eingabe vom 27. Januar 2021 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt sinngemäss, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, materiell auf die Sache einzutreten.  
 
1.5. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere dem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.  
 
2.   
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]). Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.2 S. 92) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118).  
 
3.   
 
3.1. Die Rechtslage gestaltet sich nach dem Recht der direkten Bundessteuer und dem Recht der Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich in gleicher Weise. Eine nach Steuerhoheiten getrennte Prüfung erübrigt sich.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Verfügungen und Entscheide gelten als eröffnet, sobald sie ordnungsgemäss zugestellt sind und die betroffene Person davon Kenntnis nehmen kann. Dass sie davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 603; 122 I 139 E. 1 S. 143). Versendet eine Verwaltungsbehörde ein Schriftstück durch eingeschriebene Briefpost bzw. Gerichtsurkunde und wird die Postsendung nicht entgegengenommen oder abgeholt, so gilt die Zustellung am siebenten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt (Zustellungsfiktion; fiction de la notification de la citation). Praxisgemäss greift die Zustellfiktion auch, wenn der Post CH AG für eine gewisse Dauer ein Zurückbehalteauftrag oder ein Nachsendeauftrag erteilt wurde. Der Eingang der Sendung bei der Poststelle am Wohnort oder Domizil des Empfängers gilt unverändert als Zustellung. Ein derartiger Auftrag an die Post CH AG vermag den ordentlichen Fristenlauf weder zu hemmen noch zu verlängern (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 432; Urteil 2C_272/2020 vom 23. April 2020 E. 3.1).  
 
3.2.2. Vorauszusetzen ist in jedem Fall, dass der Empfänger mit der Sendung zu rechnen hatte. Das Bundesgericht erachtet bei Privatpersonen eine Aufmerksamkeitsdauer von bis zu einem Jahr seit der letzten verfahrensrechtlichen Handlung der Behörde als vertretbar. Das relevante Prozessrechtsverhältnis setzt mit der Rechtshängigkeit der Streitsache ein. Wer an einem solchen Prozessrechtsverhältnis beteiligt ist, unterliegt der Pflicht, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und unter anderem dafür zu sorgen, dass behördliche Akte, die das Verfahren betreffen, auch tatsächlich zugestellt werden können (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 431 f.). Von einer verfahrensbeteiligten Person wird namentlich verlangt, dass sie für die Nachsendung ihrer an die bisherige, nicht mehr zutreffende Adresse gelangenden Korrespondenz besorgt ist, dass sie der Behörde gegebenenfalls längere Ortsabwesenheiten mitteilt oder eine Stellvertretung ernennt (BGE 139 IV 228 E. 1.1 S. 230). Ein Rückbehaltungsauftrag stellt keine genügende Massnahme in diesem Sinne dar (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 432), ebenso wenig wie ein Nachsendeauftrag (Urteile 2C_272/2020 vom 23. April 2020 E. 3.1; 9C_815/2015 vom 8. August 2016 E. 4.2).  
 
3.2.3. Für die ordnungsgemässe Zustellung - und ebenso die Voraussetzungen der Zustellfiktion - ist die Verwaltungs- bzw. Gerichtsbehörde beweisbelastet (BGE 142 III 599 E. 2.2 S. 601). Dabei ist folgendes von Bedeutung: Erteilt die rechtsunterworfene Person der Post CH AG einen Nachsendeauftrag, einen Rückbehaltungsauftrag oder eine ähnliche Anweisung, die in den üblichen Zustellvorgang eingreift, so hat sie etwaige Fehlleistungen der Post CH AG, welche diese nach Abschluss des ordentlichen Eintreffens des Schreibens bei der Poststelle erbringt, selber zu vertreten (Art. 101 OR per analogiam; BGE 114 Ib 67 E. 3e S. 74). Nichts Anderes ergibt sich beispielsweise, wenn die rechtsunterworfene Person sich einer Rechtsvertretung bedient. Während die Vertretung sich das Verhalten der Post CH AG anrechnen lassen muss, hat die rechtsunterworfene Person sich das Verhalten ihrer Vertretung zurechnen zu lassen. Die beauftragende Person trifft eine Sorgfaltspflicht betreffend das Auswählen, die Instruktion und die Beaufsichtigung ihrer Hilfsperson (sog. cura in eligendo, instruendo und custodiendo; BGE 144 IV 176 E. 4.5.1 S. 186; 135 III 198 E. 2.3 S. 201; Urteil 2C_272/2020 vom 23. April 2020 E. 3.1).  
 
3.3.   
 
3.3.1. Die Steuerpflichtige bestreitet, dass es zur Eröffnung der Entscheide vom 14. Juli 2020 gekommen sei und begründet dies damit, dass das Steuerrekursgericht die Retouren kurzerhand im Dossier abgelegt habe. Vom Steuerrekursgericht wäre zu erwarten gewesen, so die Steuerpflichtige, dass diese eine formlose Mitteilung verfasse, sodass die Steuerpflichtige innerhalb der zwar verkürzten, aber noch laufenden Rechtsmittelfrist hätte reagieren können.  
 
3.3.2. Der Grund dafür, dass Gerichtsurkunden trotz erteilten Nachsendeauftrags nicht ins Ausland weitergeleitet werden, liegt im völkerrechtlichen Verbot, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet vorzunehmen. Wenn die Steuerpflichtige Sitz im Ausland gehabt hätte, wäre es dem Steuerrekursgericht nicht erlaubt gewesen, das Urteil ins Ausland zu versenden. Dies hätte einen Eröffnungsmangel begründet (Urteile 2C_408/2016 / 2C_409/2016 vom 19. Juni 2017 E. 2.2; 2C_827/2015 / 2C_828/2015 vom 3. Juni 2016 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 142 II 411). Für den Fall von im Ausland ansässigen beschwerdeführenden Personen sehen die Verwaltungsverfahrensrechte deshalb regelmässig vor, dass diese gehalten sind, ein inländisches Zustelldomizil oder eine inländische Vertretung zu bezeichnen (so z.B. § 6b Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes [des Kantons Zürich] vom 24. Mai 1959 [VRG/ZH; LS 175.2]). Im vorliegenden Fall ist die Sachlage aber anders: Die Steuerpflichtige hat sich der Möglichkeit der Zustellung einer Gerichtsurkunde faktisch dadurch beraubt, dass sie - bzw. der für sie handelnde Verwaltungsratspräsident - ins Ausland abreiste, ohne für eine ordnungsgemässe Zustellmöglichkeit zu sorgen. Unter dem Vorbehalt dessen, dass keine andere inländische Person hätte handeln können, war die Steuerpflichtige hinsichtlich von Gerichtsurkunden faktisch nicht mehr empfangsfähig, und dies während längerer Zeit.  
 
 
3.3.3. Den vorinstanzlichen Feststellungen zufolge, die unbestritten geblieben und daher für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 2.3), hatte der Verwaltungsratspräsident eine Abwesenheit vom 16. März 2020 bis zum 20. August 2020 beabsichtigt, mithin rund fünf Monate. Selbst wenn nicht zwingend zu erwarten ist, dass die Steuerpflichtige detaillierte Kenntnisse von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post CH AG aufweist, wäre von ihr zu erwarten gewesen, dass der Verwaltungsratspräsident - oder eines der beiden anderen Mitglieder des Verwaltungsrates - abklärt, ob Gerichtsurkunden auch ins Ausland weitergeleitet würden. Dass dem nicht zwingend so ist, liegt mit Blick auf die geschilderten völkerrechtlichen Hindernisse auf der Hand. Aus der Nichtkenntnis kann die Steuerpflichtige indes nichts für sich ableiten ("Nichtwissen schützt nicht"; Urteil 2C_576/2020 vom 17. August 2020 E. 3.3.2).  
 
3.3.4. Anders, als die Steuerpflichtige meint, ist es zur rechtsgültigen Zustellung der Entscheide vom 14. Juli 2020 gekommen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen traf die Sendung am 16. Juli 2020 bei der zuständigen Poststelle ein, worauf der Fristenlauf am siebenten folgenden Tag einsetzte und am 24. August 2020 endete. Mit ihrer Eingabe vom 5. Oktober 2020 vermochte die Steuerpflichtige die Frist nicht zu wahren. Einer Pflicht, die sich in einem Prozessrechtsverhältnis befindliche und daher zur Aufmerksamkeit verpflichtete Steuerpflichtige auf andere Weise (z.B. telefonisch, per E-Mail oder mittels normaler Briefpost) über die Zustellung zu informieren, traf das Steuerrekursgericht nicht. Vielmehr wäre es Sache der Steuerpflichtigen gewesen, entweder das Steuerrekursgericht über die bevorstehende mehrmonatige Auslandabwesenheit in Kenntnis zu setzen oder zumindest dafür zu sorgen, dass der Briefkasten von jemandem geleert wird. Wenn die Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang auch einwendet, sie beschäftige kein Personal, so ist ihr entgegenzuhalten, dass dem Verwaltungsrat gemäss Handelsregistereintrag zwei weitere Personen angehören.  
 
3.4. Die vorinstanzliche Auslegung und Anwendung des teils eidgenössischen, teils kantonalen Rechts ist in allen Teilen zutreffend. Die Vorinstanz durfte daher erkennen, das Fristwiederherstellungsgesuch sei unbegründet und auf die Beschwerde sei daher nicht einzutreten. Dementsprechend erweist die vorliegende Beschwerde sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen.  
 
 
4.   
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Dem Kanton Zürich, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde hinsichtlich der direkten Bundessteuer, Steuerperioden 2015-2016, wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Beschwerde hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, Steuerperioden 2015-2016, wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, Einzelrichter, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Februar 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher