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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_150/2023  
 
 
Urteil vom 9. Februar 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Métral, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Noëlle Cerletti, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (vorinstanzliches Verfahren; prozessuale Revision), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 2022 (UV.2022.00239). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1982 geborene A.________ arbeitete bei der B.________ AG als Flugbegleiter / Maître de cabine und war dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 11. September 2016 erlitt er bei einem Sturz im Wesentlichen eine Patellatrümmerfraktur am linken Knie. Die Suva richtete die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) aus. Nach mehreren Folgeoperationen und Einsatz einer Knietotalendoprothese sprach sie A.________ mit Verfügung vom 5. Februar 2020 insbesondere eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 22 % zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10. Dezember 2020 fest. Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 29. März 2022 rechtskräftig ab. 
 
B.  
A.________ liess am 19. Dezember 2022 unter Beilage des zuhanden der Invalidenversicherung erstellten polydisziplinären Gutachtens der Zentrum für Interdisziplinäre Medizinische Begutachtungen AG (nachfolgend: ZIMB), Schwyz, vom 20. September 2022 um Revision dieses Urteils ersuchen; sodann sei ihm in Aufhebung des Einspracheentscheids vom 10. Dezember 2020 bis 31. Dezember 2021 eine Invalidenrente von 100 % und ab 1. Januar 2022 eine solche von 63 % auszurichten. Dieses Gesuch wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. Dezember 2022 ab. 
 
C.  
Dagegen lässt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei das sozialversicherungsgerichtliche Urteil vom 29. März 2022 in Revision zu ziehen. Im Übrigen erneuert er die vorinstanzlichen Rechtsbegehren; eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht holt die vorinstanzlichen Akten ein. Einen Schriftenwechsel führt es nicht durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 304 E. 1.1; je mit Hinweis).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
1.3. Prüfgegenstand bildet letztinstanzlich einzig die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die prozessuale Revision des Urteils vom 29. März 2022 abgelehnt hat. Ein Streit, welcher die Begründetheit eines solchen Antrags auf Verfahrensrevision zum Gegenstand hat, betrifft indes als solcher nicht die Gewährung oder Verweigerung von Geldleistungen (Urteil 8C_232/2020 vom 6. Oktober 2020 E. 1.3 mit Hinweisen). Die restriktiv auszulegende (BGE 140 V 136 E. 1.2.2) Ausnahme nach Art. 105 Abs. 3 BGG kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung, unabhängig davon, ob die Gewährung oder Verweigerung allfälliger Geldleistungen von der Lösung der strittigen Frage abhängt oder nicht (BGE 135 V 412 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Das Bundesgericht legt seinem Urteil daher den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Im angefochtenen Urteil sind die Bestimmungen zur prozessualen Revision vor dem kantonalen Versicherungsgericht, vor allem was das Vorliegen neuer Tatsachen und Beweismittel anbelangt, korrekt dargelegt (Art. 61 lit. i ATSG; § 29 lit. a des zürcherischen Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht [GSVGer; LS 212.81]). Zutreffend wiedergegeben hat das kantonale Gericht sodann die diesen Revisionsgrund betreffende Rechtsprechung (statt vieler: BGE 138 V 324 E. 3.2; 127 V 353 E. 5b; Urteil 8C_197/2020 vom 11. Mai 2020 E. 3 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Hervorzuheben ist, dass eine vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel unerheblich ist, soweit der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung betrifft, deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, also auf notwendigerweise Ermessenszüge beinhaltenden Elementen. Ein (prozessrechtlicher) Revisionsgrund fällt überhaupt nur in Betracht, wenn der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde das Ermessen bereits im ursprünglichen Verfahren wegen eines neu erhobenen Befundes zwingend anders hätten ausüben und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen. An diesem prozessualrevisionsrechtlich verlangten Erfordernis fehlt es, wenn sich das Neue im Wesentlichen in (differenzial-) diagnostischen Überlegungen erschöpft, das heisst auf der Ebene der medizinischen Beurteilung anzusiedeln ist (BGE 144 V 245 E. 5.3 mit Hinweisen).  
 
3.  
Das kantonale Gericht hat erkannt, im rechtskräftigen Urteil vom 29. März 2022 sei in erster Linie auf den kreisärztlichen Abschlussbericht des Dr. med. C.________ vom 19. Juli 2019 abgestellt worden. Demnach bestehe beim Beschwerdeführer für angepasste Tätigkeiten eine vollumfängliche Arbeitsfähigkeit. Das neu vorliegende ZIMB-Gutachten vom 20. September 2022 komme demgegenüber zum Schluss, aus neurologischer Sicht sei lediglich eine 50%ige Arbeitsfähigkeit für Verweistätigkeiten ausgewiesen. Der Umstand, dass die ZIMB-Experten in diesem Punkt zu einer anderen Auffassung gelangt seien als der Suva-Kreisarzt, stelle für sich allein jedoch noch keine neue Tatsache im Sinne von Art. 61 lit. i ATSG und § 29 lit. a GSVGer dar. Nachdem keine anderen Revisionsgründe aufgezeigt worden seien, müsse das entsprechende Gesuch abgewiesen werden. 
 
4.  
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht. 
 
4.1. Unbegründet ist insbesondere sein Einwand, das kantonale Gericht hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das neurologische ZIMB-Gutachten abgestellt, wenn dieses im vorinstanzlichen Verfahren bereits bekannt gewesen wäre. Wohl kommt der nämlichen, im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Expertise, wie der Beschwerdeführer weiter und an sich zu Recht darlegt, voller Beweiswert zu, solange keine konkreten Indizien gegen deren Zuverlässigkeit sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4). Die prozessuale Revision verlangt aber darüber hinaus, dass ein neu erhobener Befund für die Zeit vor dem fraglichen Rechtsakt (also: dem Urteil vom 29. März 2022) zwingend eine andere Ermessensausübung des Arztes bzw. des kantonalen Gerichts zur Folge hat (vgl. E. 2.2 hievor). Im konkreten Fall stellte der neurologische ZIMB-Sachverständige Dr. med. D.________ fest, der Beschwerdeführer leide an Schmerzen im Bereich der Kniescheibe, an Taubheitsgefühlen am medialen distalen Oberschenkel, am medialen Kniegelenk links, am medialen Unterschenkel links sowie am medialen Fussrand links (Diagnose: "Chronische posttraumatische und postoperative mediale Knieschmerzen links mit neuropathischem Schmerzsyndrom im Versorgungsgebiet des N. saphenus links und dessen R. infrapatellaris [ICD-10 S82.0, M17.2]"). Die Schmerzen im Knie, so der Gutachter weiter, seien in Ruhe vorhanden und verstärkten sich deutlich bei Belastung, vor allem beim Gehen und Treppensteigen. Nach ca. 15 Minuten Gehen auf ebenem Gelände würden sie als sehr intensiv empfunden, sodass der Beschwerdeführer mit dem linken Kniegelenk einknicke. Um dies zu verhindern sowie zwecks Reduktion der Beschwerden bewege er sich an zwei Unterarmgehstöcken (ZIMB-Gutachten, S. 82).  
 
4.2. Diese Einschränkungen waren schon im Zeitpunkt der am 18. Juli 2019 durchgeführten kreisärztlichen Abschlussuntersuchung bekannt. Der Kreisarzt Dr. med. C.________ gelangte ausserdem zur im Wesentlichen gleichen Diagnose wie später der neurologische ZIMB-Experte (vgl. Abschlussbericht vom 19. Juli 2019, S. 5 und 7). Beiden Einschätzungen liegen unter anderem die an der Klinik E.________ am 8. November 2017 durchgeführten neurologischen und neurophysiologischen Untersuchungen zugrunde. Der neurologischen ZIMB-Expertise ist diesbezüglich zu entnehmen, (bereits) im Rahmen der dort erhobenen klinischen Befunde und der elektromyografischen Untersuchungen (EMG) habe eine diskrete axonale Schädigung des N. tibialis links, "deutlicher als N. peroneus links" im Bereich des linken Unterschenkels erhoben werden können. Klinisch sei ein "neuropathisches Schmerzsyndrom linker Fuss, führend N. tibialis links (R. plantaris medialis), geringer auch N. peroneus links" zu erkennen (ZIMB-Gutachten, S. 75 f.). Ein neu erhobener Befund, wie im Licht der prozessualen Revision erforderlich (vgl. E. 4.1 hievor), fällt mit anderen Worten ausser Betracht. Dies gilt umso mehr, als sich aus dem ZIMB-Gutachten nicht der Schluss ziehen lässt, der Kreisarzt Dr. med. C.________ sei von einer gravierenden und unvertretbaren Fehldiagnose ausgegangen (vgl. dazu: BGE 144 V 245 E. 5.4). Macht der Beschwerdeführer schliesslich geltend, dem Urteil vom 29. März 2022 liege keine neurologische Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zugrunde, so hilft dies ebenso wenig weiter. Vielmehr hätte ein entsprechender beweisrechtlicher Mangel schon im vorherigen Verfahren gerügt werden müssen. Denn die prozessuale Revision dient als ausserordentliches Rechtsmittel nicht dazu, dieses weiterzuführen. Insbesondere dürfen damit nicht angebliche frühere Fehler oder Unterlassungen nachträglich korrigiert werden (statt vieler: Urteil 8C_197/2020 vom 11. Mai 2020 E. 3.4). Auch anhand der sonstigen Vorbringen ist kein (prozessualer) Revisionstitel im Sinne einer neuen Tatsache ersichtlich. Damit entfällt auch die beschwerdeweise geforderte Neubeurteilung des Rentenanspruchs.  
 
5.  
Insgesamt hat es mit dem angefochtenen Urteil im Ergebnis sein Bewenden. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist daher abzuweisen. 
 
6.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Februar 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder