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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_932/2008 
 
Urteil vom 9. April 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Parteien 
R.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 11. September 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1980 geborene R.________ meldete sich im Mai 2005 bei der Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab. U.a. liess sie die Versicherte psychiatrisch begutachten. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach die IV-Stelle R.________ für die Zeit vom 1. April bis 31. August 2005 eine ganze Rente und vom 1. September 2005 bis 31. Mai 2006 eine halbe Rente zu (Verfügungen vom 18. Januar 2007). 
 
B. 
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der R.________ hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Verfügung vom 18. Januar 2007 mit der Feststellung auf, es bestehe vom 1. April bis 30. November 2005 Anspruch auf eine ganze Rente und vom 1. Dezember 2005 bis 31. August 2006 Anspruch auf eine halbe Rente (Entscheid vom 11. September 2008). 
 
C. 
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, es sei der Entscheid vom 11. September 2008 aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, insbesondere unbefristet ab 1. April 2005 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter die Sache zur Vornahme zusätzlicher Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Streitgegenstand bildet die vorinstanzlich zugesprochene abgestufte und bis zum 31. August 2006 befristete Rente der Invalidenversicherung (BGE 125 V 413). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten dahingehend gewürdigt, aus psychiatrischer Sicht habe bis Ende August 2005 keine Arbeitsfähigkeit bestanden. Ab 1. September 2005 sei von einer erheblichen Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse im Sinne einer Verbesserung sowie einer ab dann bestehenden 50%igen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Seit dem 1. Juli 2006 habe sich der Gesundheitszustand wiederum erheblich verbessert, sodass die Versicherte zunächst zu 70 % und nach einer schrittweisen Steigerung innerhalb von drei Monaten wiederum vollumfänglich arbeitsfähig gewesen sei. Daran habe sich bis zum Erlass der Verfügung vom 18. Januar 2007 nichts geändert. In Anwendung von Art. 88a Abs. 1 IVV hat die Vorinstanz die ganze Rente zum 1. Dezember 2005 auf eine halbe Rente herabgesetzt und diese auf Ende August 2006 aufgehoben. 
 
3. 
In der Beschwerde wird eine willkürliche Beweiswürdigung (Verstoss gegen Art. 61 lit. c ATSG) gerügt. Insbesondere sei das psychiatrische Gutachten des Dr. med. C.________ vom 24. Mai 2006, auf welches die Vorinstanz hauptsächlich abgestellt habe, keineswegs schlüssig und nachvollziehbar. 
 
3.1 Die unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen sowie die Nichtbeachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 61 lit. c ATSG durch das kantonale Versicherungsgericht stellen eine Verletzung von Bundesrecht nach Art. 95 lit. a BGG dar (Urteil 9C_802/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Verzicht der Vorinstanz auf weitere Abklärungen oder Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu diesem Zwecke (antizipierte Beweiswürdigung; Urteil 9C_561/2007 vom 11. März 2008 E. 5.2.1) im Besonderen verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteil 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1 mit Hinweisen). 
Im Übrigen ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die konkrete Beweiswürdigung ist wie die darauf beruhende Sachverhaltsfeststellung ebenfalls nur unter diesem eingeschränkten Blickwinkel überprüfbar (Urteile 9C_801/2008 vom 6. Januar 2009 E. 2.2 und 9C_410/2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1). Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt Bundesrecht, namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 9C_689/2008 vom 25. Februar 2009 E. 3.1 und 9C_1025/2008 vom 19. Januar 2009 E. 4.1). 
Geht es im Besonderen um den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach einem ärztlichen Bericht Beweiswert zukommt, wenn er für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; Urteil 9C_55/2008 vom 26. Mai 2008 E. 4.2; Urteil 9C_932/2008 vom 23. März 2009 E. 3). 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht dem Schreiben der behandelnden Psychiaterin Dr. med. S.________ vom 24. März 2006 an Dr. med. C.________ keine Beweiskraft zuerkannt. Die Begründung, wonach die Kritik der Fachärztin ausschliesslich auf einer Selbstbeurteilung der Versicherten beruhe, treffe nicht zu. Gegenteils sei aufgrund der wenigen Befunde im Gutachten davon auszugehen, dass der Experte im Wesentlichen auf testdiagnostische Selbsteinschätzungsverfahren abgestellt habe. Stossend sei, dass diese Tests allesamt pathologische Ergebnisse ausgewiesen hätten, trotzdem aber vom Administrativgutachter überhaupt nicht gewürdigt worden seien. Im Weitern habe Dr. med. C.________ die Reintegration der Versicherten in den freien Arbeitsmarkt bei schrittweiser Steigerung der Leistungsfähigkeit von aktuell 70 % auf 100 % innerhalb von drei Monaten als therapeutische Massnahme bezeichnet. Dabei übergehe der Gutachter, dass die Beschwerdeführerin im September 2005 eine Stelle als Teilzeitverkäuferin bei der Konditorei K.________ angetreten habe, wegen massiver Ängste und vegetativer Symptome jedoch bereits nach kürzester Zeit (drei Wochen) wieder habe aufgeben müssen. Unter diesen Umständen hätte sinngemäss der psychiatrische Gutachter begründen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Situation seit September 2005 verbessert habe und die Wiedereingliederung innerhalb von drei Monaten nach dem Gutachten nun möglich sein soll. 
3.2.1 Die Vorinstanz hat der abweichenden Beurteilung der behandelnden Psychiaterin in erster Linie deshalb keine Beweiskraft zuerkannt, weil sich deren Verdachtsdiagnose einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung nicht verifizieren liess, was unbestritten ist. Im Weitern trifft zwar zu, dass Dr. med. C.________ die im Rahmen der Begutachtung durchgeführten psychologischen Tests in der Beurteilung berücksichtigte. Die Ergebnisse bestätigten laut Experten die diagnostizierten ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.6), bestehend seit der Kindheit, und die rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (ICD-10 F33.0), bestehend seit März 2004. Er wies indessen am Schluss des Gutachtens ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den angewendeten testdiagnostischen Verfahren um sogenannte Selbstbeurteilungsverfahren handle, welche teilweise einer Subjektivität unterlägen. Dies trifft nach Angaben von Frau Dr. med. S.________ auch auf den von ihr verwendeten SCL-90-R-Test zu (Bericht vom 28. Juli 2006 [Stellungnahme zum Vorbescheid zu Händen des Taggeldversicherers]), welcher gemäss Beschwerdeführerin eine deutliche Belastung ergeben habe. Mit Bezug auf den Psychostatus im Gutachten vom 24. Mai 2006 sodann wird nicht geltend gemacht, die Befunderhebung sei nicht lege artis erfolgt. Im Übrigen stimmen die Befunde in der Expertise im Wesentlichen überein mit den Befunden im Bericht des Zentrums X.________ für Psychiatrie und Psychotherapie vom 23. August 2005, wo die Versicherte vom 6. September 2004 bis 22. Juli 2005 in der Tagesklinik behandelt worden war. 
3.2.2 Im Gutachten vom 24. Mai 2006 wurde in der Arbeitsanamnese festgehalten, die Versicherte habe im September 2005 zu 50 % zu arbeiten begonnen. Bei der Arbeit sei es nicht gut gegangen. Sie habe Probleme gehabt, die Kunden zu bedienen. Sie habe Angst vor Kundenkontakt und Angst, etwas vor anderen Personen zu erledigen, z.B. Bestellungen tätigen, Einpackarbeiten erledigen oder einkassieren. Die Arbeitsstelle sei ihr wegen Leistungsmangel gekündigt worden. Sie habe schon immer gedacht, ihr Leistungsmangel stamme von ihrer Müdigkeit und von ihrer mangelnden Konzentration. Dr. med. C.________ hatte somit Kenntnis von dem in der Beschwerde als erfolglos bezeichneten (dreiwöchigen) Arbeitsversuch. Es besteht kein Anlass zur Annahme, er habe diesen Umstand bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer erwerblichen Tätigkeit ausser Acht gelassen. Der psychiatrische Gutachter erachtete eine erwerbliche Tätigkeit ganztags bei einer aktuell verminderten Leistungsfähigkeit von 30 % als zumutbar. Weiter führte er aus, die Reintegration der Explorandin in den freien Arbeitsmarkt stelle im Sinne einer Überwindung des Vermeidungsverhaltens eine therapeutische Massnahme dar. Es werde ein ganztägiges Arbeitspensum mit um 30 % verminderter Leistungsfähigkeit mit einer schrittweisen Steigerung auf 100 % innerhalb von drei Monaten empfohlen. Die Prognose sei bei Einbezug der Familie in die Therapie und bei entsprechender Motivationslage der Versicherten gut. Diese Einschätzung wird zwar von der behandelnden Psychiaterin Dr. med. S.________ nicht geteilt. Danach benötigt die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess in der freien Wirtschaft längere Zeit und es muss damit im geschützten Rahmen mit einem Arbeitspensum von weniger als 70 % begonnen werden (vgl. Schreiben vom 24. März 2006 an den psychiatrischen Administrativgutachter und Stellungnahme zum Vorbescheid vom 28. Juli 2006). Weder die abweichende Beurteilung der behandelnden Psychiaterin noch das vorzeitig beendete 50 %-Arbeitsverhältnis als Konditoreiverkäuferin im September 2005 vermögen indessen die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Gutachten vom 24. Mai 2006 entscheidend in Frage zu stellen. Mit dem Abstellen auf die Expertise hat die Vorinstanz keine unhaltbare Beweiswürdigung vorgenommen und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht unvollständig festgestellt. Die Beschwerde ist somit unbegründet. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse PANVICA und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 9. April 2009 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Fessler