Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_18/2024
Urteil vom 9. April 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Hartmann,
Gerichtsschreiber Levante.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Betreibungsamt der Region Albula,
Stradung 26, 7450 Tiefencastel,
B.________.
Gegenstand
Sistierung des Verwertungsverfahrens,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 22. Dezember 2023 (KSK 23 97).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________ betrieb B.________, hälftiger Miteigentümer einer 3.5-Zimmer-Wohnung in der Gemeinde U.________ (V.________, StWE xxx) für den Betrag von Fr. 133'350.-- auf Grundpfandverwertung (Zahlungsbefehl vom 4. April 2023 in der Betreibung Nr. yyy des Betreibungsamts Albula). Der Betriebene erhob keinen Rechtsvorschlag.
A.b. Am 24. August 2023 stellte A.________ ein Verwertungsbegehren, worauf das Betreibungsamt beim Grundbuchamt auf dem Grundstück V.________, StWE xxx eine Verfügungsbeschränkung vormerken liess. Nach Einholung des Grundbuchauszugs stellte das Betreibungsamt fest, dass auf dem Grundstück eine Grundbuchsperre der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) eingetragen ist. Diese hielt in einem Schreiben vom 2. Oktober 2023 fest, sie führe seit 2016 eine besondere Strafuntersuchung gegen B.________, im Zuge derer es am 25. August 2016 zur Grundbuchsperre gekommen sei. Aktuell würden diverse Inkasso- bzw. Verwertungsverfahren laufen, weshalb die EStV die Grundbuchsperre vorderhand nicht aufheben könne. Am 5. Oktober 2023 teilte das Betreibungsamt A.________ mit, dass es bei der Vorbereitung der Steigerung auf den Eintrag einer Grundbuchsperre durch die EStV aufmerksam geworden sei und die EStV die Grundbuchsperre nicht aufhebe. Es hielt fest, dass es keine weiteren Informationen zum laufenden Verfahren erhalten habe, und dass die Grundbuchsperre die Durchführung der Steigerung verunmögliche. Am 11. Oktober 2023 ersuchte A.________ das Betreibungsamt um Fortsetzung des Verwertungsverfahrens. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2023 sistierte das Betreibungsamt das Verwertungsverfahren.
B.
Dagegen erhob A.________ am 24. Oktober 2023 beim Kantonsgericht Graubünden als (einzige) kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde und verlangte die unverzügliche Fortsetzung des Verwertungsverfahrens. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 22. Dezember 2023; zugestellt am 29. Dezember 2023).
C.
Mit Eingabe vom 6. Januar 2024 wendet sich A.________ an das Bundesgericht und beantragt, den Entscheid des Kantonsgerichts vom 22. Dezember 2023 aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an dieses zurückzuweisen. Sodann verlangt er, dass die Korrespondenz zum Verfahrensstand und der Begründung zum Fortbestand der Beschlagnahme durch die EStV allen Parteien offenzulegen sei.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Gegen den Entscheid der (einzigen) kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG ). Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Betreibungsgläubiger vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Insoweit ist er zur Beschwerde, die er im Übrigen fristgerecht eingereicht hat (Art. 100 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG), berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).
1.2. Bei der Beschwerde in Zivilsachen handelt es sich um ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Daher ist grundsätzlich ein materieller Antrag in der Sache zu stellen (BGE 137 II 313 E. 1.3; Urteil 5A_809/2022 vom 4. Juli 2023 E. 1.4). Obwohl der Beschwerdeführer einen Rückweisungsantrag stellt, ergibt sich aus der Beschwerdeschrift, die für die Auslegung der Rechtsbegehren beizuziehen ist (BGE 137 II 313 E. 1.3), dass er mit der vorläufigen Einstellung des Verwertungsverfahrens nicht einverstanden ist und dessen Fortsetzung verlangt.
1.3. Das Bundesgericht gewährt Einsicht in die das bundesgerichtliche Verfahren unmittelbar betreffenden Akten (einschliesslich der Akten der Vorinstanzen). Hingegen ist es nicht zuständig, über die Einsicht in Akten anderer Verfahren zu befinden. Soweit der Beschwerdeführer Einsicht in die Akten der EStV nehmen möchte, muss er sich an diese Behörde wenden.
2.
2.1. Auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtete Ansprüche werden grundsätzlich in Anwendung des SchKG vollstreckt (Art. 38 SchKG), und zwar unabhängig davon, ob diese ihre Grundlage im Privatrecht oder im öffentlichen Recht haben (BGE 137 II 17 E. 2.6; Urteil 5A_150/2015 vom 4. Juni 2015 E. 5.2.1). Art. 44 SchKG statuiert eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Danach geschieht die Verwertung von Gegenständen, welche aufgrund strafrechtlicher oder fiskalischer Gesetze oder aufgrund des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 2015 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen mit Beschlag belegt sind, nach den zutreffenden eidgenössischen oder kantonalen Gesetzesbestimmungen. Art. 44 SchKG erfasst indes nicht nur die Verwertung als solche, sondern auch eine dieser vorangehende Beschlagnahme (BGE 131 III 652 E. 3.1; Urteile 1B_388/2016 vom 6. März 2017 E. 3.3; 5A_150/2015 vom 4. Juni 2015 E. 5.2.2; ACOCELLA, in: Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 2 zu Art. 44 SchKG). Grundsätzlich besteht ein Vorrang vor dem Pfändungs-, Konkurs- und Arrestbeschlag, selbst wenn dieser bereits vollzogen ist (Urteil 5A_133/2019 vom 20. Juli 2020 E. 3.1.1). Der Vorrang einer unter Art. 44 SchKG fallenden Beschlagnahmung schliesst umgekehrt eine spätere Pfändung, Konkurseröffnung und Arrestlegung als solche nicht aus. Im Konfliktfall geht aber die Beschlagnahme vor (BGE 139 III 44 E. 3.2.1; 120 III 123 E. 3b; 93 III 89 E. 3).
2.2. (Straf-) Verfahren im Sinn des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) fallen unter Art. 44 SchKG (BGE 120 IV 365 E. 2b). Daher gilt die dort statuierte Ausnahme sowohl für besondere Steueruntersuchungen im Sinn von Art. 190 ff. des Bundesgesetzes über die Direkte Bundessteuer (DGB; SR 642.11) i.V.m. Art. 19 bis Art. 50 VStrR, als auch für Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Art. 61 Bst. a i.V.m. Art. 67 Abs. 1 VStG [SR 642.21]), wegen Verdachts auf Hinterziehung der Mehrwertsteuer (Art. 96 Abs. 1 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20]) und wegen Verdachts auf Abgabebetrug (Art. 14 VStrR).
Nach Art. 46 Abs. 1 VStrR hat der untersuchende Beamte mit Beschlag zu belegen: Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können (lit. a), Gegenstände und andere Vermögenswerte, die voraussichtlich der Einziehung unterliegen (lit. b) sowie die dem Staat verfallenden Geschenke und anderen Zuwendungen (lit. c). Der Inhaber der Gegenstände ist nach Art. 47 Abs. 1 VStrR zur Herausgabe verpflichtet. Die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte werden im Beschlagnahmeprotokoll verzeichnet und von der Untersuchungsbehörde verwahrt (Art. 47 Abs. 2 VStrR). Werden Grundstücke beschlagnahmt, wird - gleichsam als Verwahrungssurrogat - eine Grundbuchsperre angeordnet; diese wird im Grundbuch angemerkt (Art. 266 Abs. 3 Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0] i.V.m. Art. 56 lit. a Grundbuchverordnung [GBV; SR 211.432.1]).
Die Beschlagnahme nach Art. 46 Abs. 1 VStrR stellt eine provisorische prozessuale Massnahme zur vorläufigen Sicherstellung der allenfalls der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte oder von als Beweismittel geeigneten Gegenständen oder Vermögenswerten dar und greift dem Entscheid über deren spätere Verwendung nicht vor (statt vieler: Urteil 1B_403/2021 vom 13. Januar 2022 E. 4.3 mit Hinweis).
2.3. Das (Nicht-) Tätigwerden des Betreibungs- oder Konkursamtes kann vor die Aufsichtsbehörden gebracht werden, um zu prüfen, ob das Vorgehen in Nachachtung einer von den Straf- bzw. Fiskalbehörden erteilten Anordnung gemäss Art. 44 SchKG erfolgt ist (Urteil 5A_133/2019 vom 20. Juli 2020 E. 3.4.2). Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer Beschlagnahme sind jedoch grundsätzlich vor den anordnenden Behörden bzw. auf dem diesbezüglich massgeblichen Rechtsweg auszufechten. Weder die Schuldbetreibungs- und Konkursämter noch die Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen sind befugt, eine strafrechtliche oder fiskalische Beschlagnahmung einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen; ausgenommen bleiben Fälle, in denen die Beschlagnahmung nach Massgabe des anwendbaren Rechts offensichtlich unzulässig und damit nichtig ist (BGE 131 III 652 E. 3.1). Führt ein Betreibungsamt einen strafrechtlich oder fiskalisch beschlagnahmten Vermögenswert der Verwertung zu, sind die in dieser Absicht vorgenommenen Betreibungshandlungen nichtig (BGE 139 III 44 E. 3.2.2 betreffend Nichtigkeit einer Steigerungsanzeige). Davon ausgenommen sind einzig Vermögenswerte, die zur Durchsetzung einer Ersatzforderung im Sinn von Art. 71 Abs. 3 StGB (in der bis am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung) bzw. Art. 263 Abs. 1 lit. e StPO (eingefügt durch Ziff. I des Bundesgesetzes über die Änderung der Strafprozessordnung vom 17. Juni 2022, in Kraft seit 1. Januar 2024 [AS 2023 468; BBl 2019 6697]) zugunsten des Staates mit Beschlag belegt worden sind. Wurde ein solcher Vermögenswert auf Veranlassung eines (anderen) Gläubigers gepfändet, nimmt der Staat in analoger Anwendung von Art. 281 SchKG von Rechts wegen provisorisch an der Pfändung teil (BGE 142 III 174 E. 3).
3.
3.1. Das Obergericht hat dem Beschwerdeführer die rechtliche Ausgangslage und damit die Begründung für die Sistierung des Verwertungsverfahrens ausführlich erläutert (E. 3.2 bis E. 3.6 des angefochtenen Entscheids). Soweit er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in seinem Teilgehalt des Anspruchs auf einen begründeten Entscheid (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2) geltend macht, ist die Rüge unbegründet.
3.2. In tatsächlicher Hinsicht bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass die EStV eine besondere Steueruntersuchung im Sinn von Art. 190 ff. DGB sowie ein Verwaltungsstrafverfahren gegen B.________ wegen Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, wegen Verdachts auf Hinterziehung der Mehrwertsteuer und wegen Verdachts auf Abgabebetrug führt (vgl. E. 3.4 des angefochtenen Entscheids). Ebenso wenig bestreitet er die Anmerkung einer Grundbuchsperre auf dem im Miteigentum von B.________ stehenden Grundstück V.________, StWE xxx.
3.3. Der Beschwerdeführer behauptet weder, dass die von der EStV angeordnete Beschlagnahme offensichtlich unzulässig wäre, noch dass die Beschlagnahme lediglich der Sicherung von Ersatzforderungen dient. Auf der Basis der in E. 2 oben dargelegten Rechtslage können entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine weiteren Verwertungshandlungen am besagten Grundstück vorgenommen werden; sie wären nichtig. Aus dem Umstand, dass ihm die Korrespondenz der EStV nicht vorliege, ihm daher unbekannt sei, auf welcher Basis die EStV die am 24. August 2016 angeordnete Beschlagnahme aktuell aufrecht erhalten könne, und ihm keinerlei Unterlagen zu einem Strafverfahren gegen B.________ vorliegen, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Wie erläutert (oben E. 2.3), ist das Betreibungsamt nicht befugt, die Rechtmässigkeit einer Beschlagnahme (hier: der Grundbuchsperre) zu beurteilen und hatte der Beschwerdeführer wahrscheinlich bereits nach Anordnung der Grundbuchsperre (vgl. Anzeigepflicht gemäss Art. 969 Abs. 1 ZGB), spätestens und mit Sicherheit aber seit dem Schreiben vom 5. Oktober 2023 Kenntnis von der Grundbuchsperre, weshalb es an ihm gelegen wäre, sich diesbezüglich an die EStV zu wenden.
4.
Nach dem Ausgeführten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt der Region Albula, B.________ und dem Kantonsgericht von Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, mitgeteilt.
Lausanne, 9. April 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Levante