Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
[AZA] 
C 185/98 Hm 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Urteil vom 9. Mai 2000  
 
in Sachen 
 
T.________, 1963, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 
Regierungsgebäude, Herisau, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen 
 
    A.- Am 25. März 1995 schloss T.________ (geboren 1963) 
mit dem Verein X.________ (nachfolgend: Verein) einen Ar- 
beitsvertrag ab, welcher den 27. März als ersten Arbeitstag 
festhielt und unter dem Vorbehalt stand, dass der Vertrag 
mit Zusicherungsentscheid des Bundesamtes für Industrie, 
Gewerbe und Arbeit (ab 1. Januar 1998 Bundesamt für Wirt- 
schaft und Arbeit; ab 1. Juli 1999 Staatssekretariat für 
Wirtschaft; nachfolgend: Bundesamt) für den vom Verein 
organisierten Kurs in Kraft trete, ansonsten der Vertrag 
neu verhandelt werden müsse respektive als widerrufen gel- 
te; bis zu diesem Zeitpunkt würden die Vertragsparteien die 
entsprechenden Risiken selbst tragen (Investitionen, Bevor- 
schussungen, etc.). Nach Kenntnisnahme des Zusicherungs- 
entscheides des Bundesamtes vom 24. Juli 1995 schlossen 
T.________ und der Verein am 28. Juli 1995 einen zweiten 
Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit ab. Der Verein kündigte 
diesen Vertrag fristgerecht auf den 31. Dezember 1995. 
T.________ stellte am 3. Februar 1996 einen Antrag auf 
Arbeitslosenentschädigung ab 5. Februar 1996, welchen die 
Arbeitslosenkasse des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit 
Verfügung vom 1. Juli 1996 ablehnte. Sie begründete dies 
damit, dass die erste Vereinbarung vom 25. März 1995 simu- 
liert und somit kein Vertrag zustande gekommen sei. Ein 
Arbeitsverhältnis liege erst ab Erlass der Verfügung durch 
das Bundesamt, d.h. ab 24. Juli 1995, vor. Damit sei die 
Anspruchsvoraussetzung der sechsmonatigen Beitragszeit 
innert der zweijährigen Rahmenfrist nicht erfüllt. 
    Mit Entscheid vom 1. Juli 1997 bestätigte die Volks- 
wirtschaftsdirektion des Kantons Appenzell Ausserrhoden die 
Verfügung der Arbeitslosenkasse. 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- 
tungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 
18. März 1998 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt 
T.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, 
die Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung sowie die 
Ausrichtung eines Vorschusses in der Höhe von Fr. 20'000.-- 
im Sinne einer vorsorglichen Massnahme. Zudem ersucht er um 
die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Ver- 
beiständung. 
    Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Vernehmlas- 
sung. Das Bundesamt lässt sich nicht vernehmen. 
    D.- Der Präsident des Eidgenössischen Versicherungs- 
gerichts wies das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen mit 
Verfügung vom 15. Februar 1999 ab. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Sinngemäss rügt der Beschwerdeführer die Verlet- 
zung des rechtlichen Gehörs. Allerdings legt er nicht dar, 
durch welche Handlung der Vorinstanz bzw. der Verwaltung 
sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden wäre. 
Auch aus den Akten ergibt sich kein entsprechender Hinweis, 
weshalb sich die Rüge als unbegründet erweist. 
 
    2.- Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den 
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass 
der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat (Art. 8 Abs. 1 
lit. e AVIG). Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb 
der Rahmenfrist nach Art. 9 Abs. 3 AVIG während mindestens 
sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung aus- 
geübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Die Rahmenfrist für die 
Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem die 
versicherte Person erstmals sämtliche Anspruchsvorausset- 
zungen erfüllt (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 
AVIG). 
 
    3.- Unbestrittenermassen übte der Versicherte vom 
1. August bis 31. Dezember 1995 eine beitragspflichtige 
Beschäftigung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 
lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 AHVG aus. 
Streitig ist hingegen, ob dies auch für die auf Grund des 
Arbeitsvertrages vom 25. März 1995 erfolgte Tätigkeit zu- 
trifft. 
    Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage der 
Arbeitnehmereigenschaft in der Arbeitslosenversicherung das 
formell rechtskräftig geregelte AHV-Beitragsstatut mass- 
gebend, sofern sich dieses nicht als offensichtlich unrich- 
tig erweist (BGE 122 V 250 Erw. 2b, 119 V 158 Erw. 3a; 
Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, 
Bd. I, Rz 31 zu Art. 2). 
 
    4.- a) Vorliegend wurden die Bezüge des Versicherten 
in der Zeit von März bis Juni 1995 von der Ausgleichskasse 
des Kantons Appenzell Ausserrhoden als massgebender Lohn 
qualifiziert. Es fragt sich, ob dies nicht offensichtlich 
unzutreffend ist. 
 
    b) Dem Beschwerdeführer kann nicht entgegengehalten 
werden, dass er im Hinblick auf den Anspruch auf Arbeits- 
losenentschädigung für seine Tätigkeit eine ungewöhnliche 
rechtliche Konstruktion wählte, was gegebenenfalls auf 
Rechtsmissbrauch schliessen lassen würde (vgl. BGE 123 V 
234). Dem Wortlaut von Art. 62 AVIG zufolge werden keine 
Beiträge an Privatpersonen gewährt, weshalb der Versicherte 
für die Veranstaltung des Kurses eine rechtliche Konstruk- 
tion wählen musste (vgl. auch Gerhards, Kommentar zum 
Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. II, Rz 18 ff. zu 
Art. 62). Dabei stellte die Vereinsform nichts Ausserge- 
wöhnliches dar, beabsichtigten doch die Initianten keine 
Gewinnerzielung, sondern sahen den Verein als gemeinnützige 
Institution. Wenn die gewählte Rechtsform beim Entscheid 
des Bundesamtes nicht als aussergewöhnlich zu bezeichnen 
war, kann sie es auch nicht für die Projektierungsphase 
gewesen sein, während der die Beitragszusicherung noch 
ungewiss war. 
 
    c) Die Arbeit des Versicherten im Rahmen der Vorberei- 
tung des durchzuführenden Kurses war auf Erwerb ausgerich- 
tet: Es kann nicht angenommen werden, dass er sie auch 
geleistet hätte, wenn die Unentgeltlichkeit von vornherein 
festgestanden hätte; denn der Beschwerdeführer übte diese 
Tätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts seiner Fami- 
lie aus. 
    d) Die Verwirklichung des Erwerbs war von der Gutheis- 
sung des vom Verein an das Arbeitsamt des Kantons Thurgau 
zuhanden des Bundesamtes gestellten Gesuches um Beiträge im 
Rahmen von Art. 62 AVIG abhängig. Darin wurden ausdrücklich 
Vorbereitungskosten ab Mai 1995 sowie Kurskosten ab 1. Juni 
1995 geltend gemacht. Als sich der Kursbeginn verzögerte, 
stellte der Verein dem Bundesamt ein entsprechendes Nach- 
tragsgesuch. 
    Bezüglich der Tragung des Unternehmerrisikos ergibt 
sich aus der für die Projektierungsphase des Kurses abge- 
schlossenen Vereinbarung vom 25. März 1995, dass dieses 
vorerst dem Versicherten oblag. Was im Falle der Verweige- 
rung bzw. Zusicherung der Finanzierung durch das Bundesamt 
geschehen sollte, ist nicht klar geregelt, indem der Ar- 
beitsvertrag "mit Vorbehalt des schriftlichen BIGA-Zusiche- 
rungsentscheides... in Kraft" tritt (Gültigkeitsbedingung) 
und ohne diesen Entscheid "neu verhandelt werden muss resp. 
gegebenenfalls als widerrufen gilt" (Resolutivbedingung). 
Aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages in Verbindung mit den 
Beitragsgesuchen ist zu schliessen, dass der Beschwerdefüh- 
rer bei Zahlungszusicherung durch das Bundesamt für seine 
bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen gemäss dem 
erwähnten Arbeitsvertrag entlöhnt werden sollte. Nachdem 
das Bundesamt das Gesuch mit Verfügung vom 24. Juli 1995 
(unter Auflagen) bewilligt hatte, bezahlte der Verein den 
Versicherten denn auch rückwirkend ab März 1995. Unklar 
blieb die Entschädigungsfrage lediglich für den nicht ein- 
getretenen Fall der Beitragsverweigerung. Diesbezüglich ist 
darauf hinzuweisen, dass auch arbeitsrechtlich die Annahme 
eines Arbeitsverhältnisses bei bedingter Lohnzahlung und 
Nichterfüllung der Bedingung nicht ausgeschlossen ist (vgl. 
Rehbinder, Berner Kommentar, N 17 zu Art. 320 OR mit Hin- 
weisen). In einem solchen Fall würden auf dem gestützt auf 
Art. 320 Abs. 2 OR ausgerichteten Entgelt Beiträge erhoben. 
Umso mehr muss dies gelten, wenn sich die Bedingung erfüllt 
und die Vereinbarung in diesem Zeitpunkt wie abgeschlossen 
erfüllt wird. 
    e) Entgegen der Arbeitslosenkasse und dem Bundesamt 
ist festzuhalten, dass keine Simulation im Sinne von 
Art. 18 OR vorliegt. Die Parteien hatten bewusst einen 
Arbeitsvertrag abgeschlossen und wollten den vereinbarten 
Inhalt; denn sie rechneten damit, dass das Bundesamt sich 
an diesem Kurs mit Beiträgen beteiligen würde, nachdem es 
den als Vorbild dienenden Kurs in Solothurn finanziell 
unterstützt hatte. 
 
    f) Die Qualifizierung der Bezüge ab 27. März 1995 als 
massgebender Lohn ist damit nicht offensichtlich unrichtig. 
Dem steht nicht entgegen, dass die Beiträge dem Verein 
lediglich für Kurskosten gewährt wurden, muss doch die 
Lohnzahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer mit der 
Beitragszahlung Dritter an den Arbeitgeber nicht identisch 
sein. 
 
    5.- Der Beschwerdeführer weist eine beitragspflichtige 
Tätigkeit auch für die Zeit vom 27. März bis 27. Juli 1995 
auf und erfüllt somit die sechsmonatige Beitragszeit. Die 
Sache ist an die Arbeitslosenkasse zur weiteren Abklärung, 
insbesondere des versicherten Verdienstes (vgl. ARV 1995 
Nr. 15 S. 81 Erw. 2c), zurückzuweisen. 
 
    6.- Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der 
Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unent- 
geltlichen Prozessführung und Verbeiständung erfüllt, wenn 
der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei be- 
dürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder 
doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a mit Hinweisen). 
    Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist infol- 
ge Kostenlosigkeit des Verfahrens gegenstandslos (Art. 134 
OG). 
    Die Verbeiständung durch einen Anwalt war vorliegend 
nicht geboten, da der Beschwerdeführer selber in der Lage 
war, seine Rechte zu wahren und seine Sache wirksam zu ver- 
treten. Das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung ist 
demnach abzuweisen. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer-  
    den der Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appen- 
    zell Ausserrhoden vom 18. März 1998 (betreffend Ar- 
    beitslosenentschädigung) und der Volkswirtschafts- 
    direktion des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 
    1. Juli 1997 sowie die Verfügung der Arbeitslosenkasse 
    des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 1. Juli 1996 
    aufgehoben, und es wird die Sache an die Arbeitslosen- 
    kasse zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des 
    Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung neu 
    verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abge-  
    wiesen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs-  
    gericht von Appenzell Ausserrhoden, der Volkswirt- 
    schaftsdirektion des Kantons Appenzell Ausserrhoden 
    und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
 
Luzern, 9. Mai 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: